IPv6 kommt mit Vista durch die Hintertür

27.08.2007
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Das spricht für IPv6

Darüber, ob es sinnvoll ist, dass Microsoft bei seinen neuen Betriebssystemen serienmäßig IPv6 aktiviert, lässt sich sicher trefflich streiten. Für diesen Schritt spricht unter anderem, dass für den steigenden Anteil an Echtzeitverkehr wie VoIP, Instant Messaging oder Audio- und Videokonferenzen in IPv4-Netzen nur ein begrenzter Support in Sachen QoS gewährleistet werden kann. Die neue Protokollgeneration wird diesen Ansprüchen mit Features wie Verkehrsklassen eher gerecht. Zudem funktionieren die QoS-Mechanismen in IPv6-Umgebungen selbst dann, wenn der Verkehr verschlüsselt per IPsec über VPNs transportiert wird. Ein anderer Aspekt ist der hierarchische Aufbau des IPv6-Adressraums im Vergleich zu IPv4. Dies führt nicht nur zu kleineren Routing-Tabellen, sondern vereinfacht auch die Netzadministration. Zudem ist die nächste Protokollgeneration in der Praxis viel stabiler als ihre Vorgängerin, wie Versuche des Interoperability Labor der Universität von New Hampshire in Durham zeigten. Die Wissenschaftler nutzen die Site-Multihoming-Funktion (SHIM6) des Protokolls und übertrugen über den Atlantik ein Video, indem sie gleichzeitig die unterschiedlichen Leitungen zweier Carrier verwendeten. Als sie eine Verbindung kappten, übernahm die verbliebene Leitung innerhalb einer Sekunde den gesamten Verkehr – IPv6 führte quasi ein automatisches Backup aus.

Diskussionen über die Zukunft der nächsten Protokollgeneration dürften wohl bald in den akademischen Bereich gehören, wenn mehr native IPv6-Applikationen wie Windows Meeting Space auf den Markt kommen oder IP-Netze als Fernsehverteilnetz an Bedeutung gewinnen und hier Funktionen wie SHIM6 gefragt sind. Ferner wird wohl die IPv6-Verbreitung im asiatisch-pazifischen Raum ihren Teil zur Akzeptanz beitragen. Und last, but not least schreiben immer mehr US-Behörden die Verwendung des neuen Internet Protocol in ihren Netzen vor. Eine Entscheidung, die wiederum große Backbone-Carrier dazu veranlasste, ihre Netze zu migrieren. Und Harrisonburg plant als erste US-amerikanische Stadt bereits für das dritte Quartal dieses Jahres die komplette Umstellung seines stadtweiten Netzes auf IPv6.

Migrationstipps

  • Sammeln Sie erste Erfahrungen in Teilnetzen.

  • Migrieren Sie schrittweise.

  • Erfassen Sie bei einer Netzinventur IPv4-only-Devices.

  • Achten Sie bei Updates und Neukauf auf IPv6-Fähigkeit.

  • Nutzen Sie bei einer Migration die IPv6-Tunnelverfahren für IPv4-Umgebungen.

  • Freunden Sie sich rechtzeitig mit der neuen, ungewohnten Notation der IPv6-Adressen an, die schwerer zu merken ist als bei IPv4. Setzen Sie hierzu eventuell eine Verwaltungssoftware ein.

  • Prüfen Sie, ob Ihre Mitarbeiter das notwendige IPv6-Know-how besitzen.

  • Analysieren Sie den Code vorhandener Software auf IPv6-Verträglichkeit.

  • Denken Sie bei der Entwicklung neuer Software an die geänderten IPv6-Parameter.