IPv6: Der fast vergessene Jubilar

13.12.2005
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Auch wenn es sich bei IPv4 und IPv6 um zwei unabhängige Layer-3-Protokolle handelt, die von sich aus nicht miteinander kommunizieren können, hält es Vanco-Manager Bruchhäuser für sehr wahrscheinlich dass IPv4 und IPv6 mehrere Jahre nebeneinander existieren. Über diverse Transitionsmechanismen werden die beiden Protokolle dann miteinander kommunizieren, so dass es für Bruchhäuser nur noch eine Frage der Zeit ist, bis IPv4 und IPv6 standardmäßig im Dual-Stack-Betrieb benutzt werden. Betriebssysteme wie Windows XP SP2 haben bereits entsprechende Dual-Stacks. Der Gedanke an einen Dual-Stack-Betrieb erfreut allerdings die Carrier weniger, denn sie müssen im Prinzip gleichzeitig "zwei" Netze aufbauen und betreuen, was natürlich ins Geld geht. Diese Kosten, wagt Level-3-Geschäftsführer Nickl den Blick in die Kristallkugel, "werden dann nach einer Übergangsfrist an den Anwender weitergegeben und IPv4-Altkunden für den erhöhten Aufwand zur Kasse gebeten".

Wenn man etwa die eigenen Supportkosten bedenkt, rechnet sich bei größeren Corporate Networks eine IPv6-Migration schon heute, denn die neue Version vereinfacht die Netzkonfiguration. So kann ein IPv6-fähiges Interface aus seiner Layer-2-MAC-Adresse eine "linklokale Adresse" errechnen, mit der es sich auf die Suche nach den Routern in seinem Netzsegment macht. Der Router kann dann dem Gerät eine Unicast-Adresse aus seinem Adressbereich zuweisen. Der ganze Vorgang verläuft vollautomatisch, und im Gegensatz zu IPv4 ist kein separater DHCP-Server erforderlich.

Beim Kauf berücksichtigen

Angesichts der vielen Vorteile und hinsichtlich der Investitionssicherheit rät Nickl dazu, heute schon "IPv6-ready" Equipment zu kaufen, "wobei ich persönlich einen Aufpreis von zehn bis 15 Prozent akzeptieren würde, um zukunftssicher zu investieren". Egal, ob Router, IP-Telefone oder VoIP-TK-Anlagen, fast alle professionellen Netzausrüster haben entsprechende Produkte im Portfolio. Den Ratschlag sollten vor allem global agierende Unternehmen mit Partnern in Asien oder Anwender berücksichtigen, die ihr Netzequipment länger einsetzen. "Wer beispielsweise seine VoIP-Anlage fünf bis sechs Jahre verwenden will, muss damit rechnen, dass das Thema am Ende des Lebenszyklus noch relevant wird", so Nickl.

Investiert ein Anwender dagegen nach drei bis vier Jahren aufgrund der Abschreibungszyklen wieder in neues Netzequipment, so ist IPv6 heute für Unternehmen, die netztechnisch hauptsächlich im europäischen Raum agieren, kein Muss.