IT-Beratung/IT-Beratung in Krisenzeiten

Investitionsflaute und hausgemachte Probleme

30.08.2002
Nicht nur Wirtschaftsflaute und Marktschwäche machen den IT-Beratern zu schaffen. Die meisten Anbieter haben sich bisher auch zu wenig mit Zukunftstechnologien beschäftigt. Um für komplexe Aufgaben gewappnet zu sein, ist eine konzeptionelle Herangehensweise gefragt. Von Marek Wojcicki*

Machen wir uns nichts vor: Das Geschäft mit der IT-Beratung ist flau, und so wird es auch noch eine Zeit lang bleiben. Im Börsenjargon würde man bestenfalls sagen: "Die Bodenbildung ist erreicht." Was nichts anderes heißt, als dass der Aufschwung noch auf sich warten lässt. Lange Jahre gab es in der IT-Branche nur eine Fahrtrichtung: aufwärts. Für die Consulting-Unternehmen hieß das: Wie kann ich so schnell wie möglich noch größere Teams aufbauen, um mein Geschäft zu bewältigen? Wer halbwegs qualifiziert erschien, wurde damals eingestellt; Mitarbeiter, die nicht mehr im direkten Kundenkontakt standen, wurden zurück in die vorderste Front beordert, um die dortigen Lücken zu schließen.

Dann drehte sich der Markt innerhalb weniger Wochen, und die Branche schien es kaum zu bemerken. Zu bequem hatten es sich alle im scheinbar grenzenlosen Wachstum eingerichtet. Mit konzeptionellen Überlegungen - etwa zum Einsatz von Customer-Relationship-Management-(CRM-) Systemen - beschäftigen sich viele Kunden zwar nach wie vor. Aufträge zur konkreten Systemimplementierung sind damit jedoch meist nicht verbunden. Die werden auf das kommende Frühjahr oder noch später verschoben - eben dann, wenn die Konjunktur wieder angesprungen ist. Bis dahin reagieren die Consulting-Firmen wie alle anderen Unternehmen auch: mit Rationalisierungsmaßnahmen, Massenentlassungen inklusive. Die Folge sollte eine Bereinigung des Markts mit anschließender Stabilisierung der Branche sein, die aber nur sehr langsam vorankommt.

Neben der wirtschaftlichen Flaute muss sich die IT-Beraterbranche aber auch hausgemachte Probleme eingestehen. So haben sich viele Anbieter in Boomzeiten zu wenig mit zukunftsträchtigen Wachstumsfeldern auseinander gesetzt. Vor etwa zwei Jahren waren zum Beispiel SAP-R/3-Experten gesucht wie Trüffel im Périgord. Doch mittlerweile laufen die meisten Großprojekte aus, und die Nachfrage nach qualifizierter Beratung reduziert sich deutlich. Was also hätte näher gelegen, als rechtzeitig neue Themen zu identifizieren und sich das dafür erforderliche Spezial-Know-how anzueignen?

Strategisch gesehen gibt es zwei Hauptansätze, die Krise zu bewältigen: Während sich ein Teil der Berater verstärkt auf das Bestandsgeschäft konzentriert, sucht der andere, oftmals mit Partnern aus der Softwarebranche, sein Heil in der Positionierung neuer Themen. Dabei stellt der Zeitfaktor das größte Problem dar. Denn nach dem Identifizieren neuer Aufgabenbereiche gilt es zunächst zu prüfen, ob und in welcher Form diese überhaupt vom Markt nachgefragt werden. Und das dauert.

Derzeit stehen vor allem drei Themenkomplexe im Fokus der IT-Berater: CRM, Supply-Chain-Management (SCM) und Business Intelligence (BI). Wie sich inzwischen gezeigt hat, ist ein schneller, systembedingter Erfolg in allen drei Bereichen nicht zu erreichen.

Konzeptioneller Ansatz entscheidend

Vielmehr spielt der konzeptionelle Ansatz eine entscheidende Rolle, um für komplexe Themen umfassend aufgestellt zu sein: die optimal abgestimmte Zusammenführung von Management-Beratung und technischem Know-how.

Beispiel Heaven 21: Während sich die oft nur in eine Richtung orientierte Beraterbranche häufig schwer tut, beide Ansätze zu vereinen, hat sich die auf CRM- und Business-Intelligence-Projekte spezialisierte IT-Consulting-Firma von Anfang an auch mit der konzeptionellen Seite des Geschäftes befasst. Das heißt, das IT-Know-how steht nicht allein im Vordergrund der Aktivitäten, sondern wird im Hinblick auf seine Integrierbarkeit genutzt. Da die Verhandlungen über die CRM- und BI-Implementierung meist in der ersten oder zweiten Führungsetage stattfinden, hat sich das Beratungshaus als dritte Komponente das Thema Kommunikation auf die Fahnen geschrieben.

Darüber hinaus muss die Consulting-Szene in Zukunft vor allem zwei weitere Dinge berücksichtigen: Auch die IT-Beratung braucht Führungs- und Kontrollinstrumente mit konjunkturellen Frühwarnsystemen. Es darf nicht mehr passieren, dass die Branche von einem Abschwung darart überrascht wird, dass sie nicht mehr rechtzeitig gegensteuern kann. Zudem sollten IT-Consultants dem Vernetzungsgedanken mehr Beachtung schenken. Ohne strategische Allianzen dürfte das Consulting-Geschäft in Zukunft kaum zu bewältigen sein. Die größte Herausforderung wird es wohl sein, die Partnerschaften nicht nur einzugehen, sondern funktionsfähig zu gestalten. (sp)

*Marek Wojcicki ist Chief Executive Officer (CEO) der Unternehmensberatung Heaven 21 in Köln.

Angeklickt

Wie kaum ein anderer Zweig der IT-Industrie ist die einschlägige Beraterzunft vom Wirtschaftsabschwung betroffen. Vielfach hat man die herannahende Krise zu spät wahrgenommen - und sich nicht rechtzeitig sowie nachhaltig genug auf neue Technologien und Trendthemen fokussiert. Jetzt sind Schnelligkeit und konzeptionelles Denken angesagt.