Interview Gerhard Schulmeyer "Wir muessen unsere Unternehmenskultur veraendern"

04.11.1994

CW: In Ihrer Rede waehrend des europaeischen IT-Forums der IDC betonten Sie den Zwang zu Veraenderungen und die Notwendigkeit fuer europaeische Unternehmen, Overhead abzubauen. Koennen Sie uns sagen, welche Veraenderungen fuer SNI notwendig sind?

Schulmeyer: Ich habe hauptsaechlich ueber Unternehmenskultur und Fuehrung gesprochen. Einfach gesagt darueber, wie wir in Unternehmen miteinander arbeiten. Es ist wahr, ich will bei SNI die Art und Weise der Zusammenarbeit veraendern. Aber das ist nichts Ungewoehnliches; bei den meisten Managern herrscht Uebereinstimmung darueber, wie Unternehmen heute gefuehrt werden sollten. Ich denke allerdings, dass europaeische und besonders deutsche Firmen immer noch zu tayloristisch strukturiert sind. Deshalb scheint das Prinzip des Aufwaerts-Delegierens immer noch sehr beliebt zu sein.

CW: Sie haben in Ihrer Rede sehr oft von Veraenderungen gesprochen. Ist das Ausdruck Ihrer Frustration ueber die Zustaende, die Sie bei SNI vorgefunden haben? Ueber die hohe Zahl an Mitarbeitern, Hierarchieebenen und das buerokratische Gebaren? Schulmeyer: Nein, es gab keine Frustration, weil ich als Aussenstehender genuegend Zeit hatte zu begreifen, was SNI bedeutet und was das Unternehmen darstellt. Wenn es eine Ueberraschung gibt, dann die, dass die Situation viel besser ist, als ich dachte. Aber es stimmt, wir muessen unsere Unternehmenskultur veraendern, und es stimmt auch, dass wir zuviel administrativen Overhead haben.

CW: Koennten Sie etwas genauer sagen, wie Sie Overhead und Buerokratie abbauen wollen? Wenn Sie weniger buerokratisch agieren wollen, bedeutet das Abbau im mittleren Management? Neuverteilung von Aufgaben?

Schulmeyer: Es ist relativ simpel. Es bedeutet, dass man sich einigen muss, welches die wertschoepfenden Aktivitaeten sind, fuer die der Kunde zu zahlen bereit ist. Und hoffentlich sind die Kosten dafuer geringer als der erzielte Preis, denn dann verdienen wir Geld. Wir komplizieren die Sache nur, indem wir Dinge tun, fuer die der Kunde nicht zahlt. Eine durchschnittliche Firma ist 20 Prozent ihrer Zeit - das ist viel - wertschoepfend taetig. Der Rest wird damit verbracht, die Maschine in Gang zu halten. Deshalb muessen wir uns sehr viel kritischer fragen, welche Taetigkeiten zur Wertschoepfung beitragen.

CW: Das hoert sich fast an wie ein Vorwort zu einem Buch ueber Re- Engineering.

Schulmeyer: Nein, es geht nur darum, zum eigentlichen Geschaeftszweck eines Unternehmens zurueckzukehren. Ich bin kein Traeumer, der die Informationstechnologie fuer das Alleinseligmachende haelt. Ich bin ein professioneller Manager, der eine Umgebung schaffen kann, in der Leute so schnell reagieren, wie es theoretisch moeglich ist.

CW: Warum ist SNI mit zehn Prozent bei Escom eingestiegen? Schulmeyer: 70 Prozent der Hardwaretrends werden vom PC diktiert. Wenn man die selbstentwickelten Technologien in diesem Segment durchsetzen will, wird Volumen gebraucht, sonst kann man sich gleich aus dem Hardwaregeschaeft verabschieden. Siemens ist keine Consumer-Company. Dennoch brauche ich Volumen. Deshalb benoetige ich Markenartikel, mit denen ich das generieren kann.

CW: Wird SNI Rechner fuer Escom produzieren?

Schulmeyer: Ja, wenn wir gut genug sind...

CW: Also wenn Sie zum richtigen Preis anbieten koennen?

Schulmeyer: Ja, ich will Escom nicht ruinieren.

CW: Ausserdem bietet Ihnen das Abkommen einen Vertriebskanal in den Consumer-Markt, und zusaetzlich koennen Sie eventuell die Produktionskapazitaet erhoehen.

Schulmeyer: Ich setze damit meine ganze Organisation unter Druck. Wir muessen extrem schnell sein, wenn wir Escom bedienen wollen. Und wenn wir nicht nur unser Volumen verdoppeln, sondern auch unseren Materialfluss entsprechend beschleunigen koennen, stellt das Wertschoepfung dar.

CW: Werden die Eckpfeiler des SNI-Geschaefts die gleichen bleiben?

Schulmeyer: Das weiss ich noch nicht. Zuerst werden wir klaeren, wie wir miteinander arbeiten, dann bestimmen wir die Grundausrichtung, und danach werden wir eine Vision erarbeiten. Das wird neun Monate bis ein Jahr dauern.

Das Gespraech fuehrten CW-Redakteur Christoph Witte und IDG-Korrespondent Mark Ferranti.