Reverser Aktiensplit

Intershop bereinigt seine Bilanzen

20.09.2002
MÜNCHEN (CW) - Die Ankündigung von Intershop, außerplanmäßige Abschreibungen vornehmen zu müssen sowie eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen, hat für Aufregung am Neuen Markt gesorgt.

Gerade mal 57 Cent war die Intershop-Aktie zu Redaktionsschluss noch wert. Zugegeben, viel mehr war das Papier auch in den Wochen zuvor nicht mehr wert gewesen, doch die Nachricht, dass das Unternehmen sein Eigenkapital reduzieren will, scheint dem Kurs den Rest zu geben. Dabei ist das, was Intershop verkündet hat, gar nicht so ungewöhnlich und wird von Finanzanalysten als eine realistische Möglichkeit gesehen, langfristig den Betrieb des Unternehmen zu sichern.

Der letzte Strohhalm

Wie der Softwareanbieter mitteilte, werden außerplanmäßige Abschreibungen auf Firmenwerte vorgenommen. Gemeint sind damit zwei Tochtergesellschaften der Company in Jena und San Francisco. Gerüchten zufolge habe der neue Finanzberater von Interschop, die Investmentbank ING Barings, nach einer Überprüfung der Unterlagen diesen Schritt empfohlen. Die Höhe der Abschreibungen wurde nicht genannt, sie spielt letztendlich auch nur ein zweitrangige Rolle.

Entscheidend ist, dass durch die Abschreibung das Eigenkapital unter die Hälfte des Grundkapitals gedrückt wird. In diesem Fall fordert das Gesetz die Einberufung einer Hauptversammlung.

Um aus der Misere herauszukommen, wird Intershop auf dieser Hauptversammlung einen umgekehrten Aktiensplitt von eins zu fünf vorschlagen. Mit dem Zusammenlegen von fünf alten Aktien zu einer neuen wird der Wert des Papiers optisch aufpoliert. Gleichzeitig sinkt die Menge der Aktien, die das Grundkapital bewerten, im entsprechenden Verhältnis. Damit schlägt Intershop zwei Fliegen mit einer Klappe. Erstens: Ein um den Faktor fünf reduziertes Grundkapital wird nicht mehr zu 50 Prozent vom geschrumpften Eigenkapital unterschritten. Zweitens: Intershop braucht weiteres Kapital und kann dies durch eine Privatplatzierung neuer Aktien erhalten. "Das ist nur erlaubt, wenn der Aktienkurs des Unternehmens mehr als einen Euro wert ist", erklärt Oliver Maslowski, Analyst bei Vontobel.

Auch wenn die Reduzierung der Aktienmenge letztlich eine Form der Bilanzkosmetik ist, könnte dies für das Jenaer Unternehmen die letzte Gelegenheit zur Rettung bedeuten. Intershop-Finanzvorstand Jürgen Schöttler hatte zwar im Juli erklärt, dass die Kostenstruktur des Unternehmens dem schwachen Geschäft angepasst worden sei. Um im vierten Quartal ein ausgeglichenes Ergebnis zu erzielen, sei kein Fremdkapital vonnöten, sagte er. Dennoch: Zum Ende des ersten Halbjahres besaß Intershop noch Barreserven von 26 Millionen Euro und gegenüber dem "Handelsblatt" bezifferte Schöttler den monatlichen Verbrauch auf rund zehn Millionen Euro. Sollte das Softwaregeschäft zum Ende des Jahres nicht anspringen, dürften die Reserven bald ausgehen.

Neue Kunden wird Intershop allerdings nur gewinnen können, wenn diese auch an ein Überleben der Firma glauben. Das bedeutet: finden sich Investoren, die Geld in Intershop-Aktien investieren, dann erhöhen sich mit den liquiden Mitteln auch Intershops Chancen, dass der Markt das Vertrauen in das Unternehmen zurückgewinnt.

Und abgesehen von all der Theorie, die sich hinter diesen Maßnahmen verbirgt, es ist der letzte Strohhalm, den das Unternehmen noch ergreifen konnte. Denn wenn Intershop nicht in nächster Zeit mit Nachrichten über Mega-Deals aufgewartet hätte, "wären sie sowieso aus dem Nemax 50 geflogen", so Analyst Waslowski. (rs)