Vom Headhunter zum lebenslangen Karriereberater?

Internet zwingt Personalberater zum Umdenken

09.06.2000
Mit einer Umsatzsteigerung von 500 Millionen Mark auf insgesamt zwei Milliarden Mark im letzten Jahr könnte die deutsche Personalberater-Branche eigentlich zufrieden sein. Dennoch zerbrechen sich die Dienstleister den Kopf um ihre künftigen Strategien. Grund: Das Internet macht auch vor ihren Türen nicht Halt.Von Veronika Renkes*

Umdenken müssen auch Personalberater, da das Internet immer mehr als Medium der Stellensuche akzeptiert wird. "Wer bisher ausschließlich anzeigengestützt oder in der Direktsuche tätig war, muss das Internet als Instrumentarium mit einbeziehen", sagt Klaus Reiners, Pressesprecher des Bundes Deutscher Unternehmensberater (BDU). Der richtige Mix aus anzeigengestützter, Direkt- und Internet-Suche wird zum Erfolgsfaktor. Dafür müssen die Personalberatungen interne Wissens-Management-Systeme auf- und ausbauen sowie verstärkt aussagekräftige Kandidatenpools erstellen - ein mitunter kostspieliges Unterfangen. Für die Kleineren könnte sich dies als Knockout-Kriterium entpuppen, meint Robert Rosenbach, Geschäftsführer der Korn/ Ferry International Futurestep Deutschland GmbH, die ihren Hauptsitz in Los Angeles hat.

Wer in der Branche obenauf bleiben will, muss sich der neuen Aufgabe stellen. Jochen Kienbaum, Präsident des BDU, formuliert es noch deutlicher: "Fehlbesetzungen bedeuten für die Unternehmen heute mehr denn je einen Rückschritt im Wettbewerb. Dieses Risiko möchte man durch die Zusammenarbeit mit professionellen Personalberatern verringern." Dafür müssten diese nach neuestem Standard arbeiten.

Ein Unternehmen, das den Trend der Zeit erkannt hat, ist die Apriori International AG mit Hauptsitz in Remagen. Deren Vorstandsvorsitzender Karl Hecken führt vor allem zwei Gründe an, die für den effizienten Einsatz der neuen Technologien sprechen: Erstens den Faktor Zeit, zweitens die hohe Mitarbeiterfluktuation. "Das Jobkarussell erhöht die Drehzahl, das Stichwort der künftigen Arbeitswelt heißt Bewegung: Im Zug der globalen Vernetzung wird Arbeit zur Ware, die in immer kürzeren Zeitabständen neu verteilt wird. Es gibt sie aber nur dann, wenn der Mitarbeiter den Forderungen des Unternehmens entspricht."

Bei Apriori International setzt die Führungsebene deshalb auf den Einsatz eines Workflow-Management-Systems, "das nicht nur den Auswahl-, sondern den gesamten Besetzungsprozess unterstützt". Zudem hat das Beratungsunternehmen eine eigene Jobbörse im Internet installiert. Die Unternehmen bekommen von Apriori eine Software ausgehändigt, mit der sie auf ihrer Homepage eine Stellenbörse einrichten können. Gleichzeitig erscheinen die Stellenausschreibungen auch in der Internet-Börse der Personalberatung. Die Kunden erwarten, so Heckens Erfahrungen, dass ihnen das lästige "Webhopping" abgenommen wird. Entscheidende Bedeutung habe die leichte Erreichbarkeit der Jobbörsen. Online-Plattformen, die als "Marktplatz" dienen, spielten dabei eine wichtige Rolle. Neben der berufsspezifischen Abfrage von Daten könnten die Kandidaten dann ihre Jobprofile in den Datenbanken selber pflegen und aktualisieren. Für den Personalberater bedeutet dies: Während mit Hilfe eines Wissens-Management-Systems die Datenbanken nach geeigneten Profilen automatisch durchforstet werden, kann sich der Berater mehr Zeit für die tatsächliche Beratung der Kunden nehmen.

Auch Rosenbach von Korn/ Ferry International Futurestep ist fest davon überzeugt: Das Internet wird die Personalberaterbranche auf den Kopf stellen. Das Gros der Personalberater werde ein hochwertiges Online- oder E-Rekruiting anbieten und zunehmend international agieren müssen. Das klassische Headhunting indes, in der bisherigen breiten Ausrichtung, werde der Vergangenheit angehören und sich nur noch auf die Toppositionen oder Nischenspezialisten konzentrieren. Besonders wichtig dabei sei auch die Entwicklung vom einmaligen Geschäft hin zur langfristigen, berufsbegleitenden Kundenbindung. "Reine Jobbörsen haben zu wenig Substanz, um attraktiv zu bleiben. Um diesen Kern herum muss man Zusatzangebote aufbauen, die der Kunde sonst nirgendwo erhält", meint Rosenbach.

In seinem Unternehmen wurden dafür bereits die Weichen gestellt. So bietet das amerikanische Unternehmen den Kandidaten ein Online-Assessment-Center an, dessen Auswertung er innerhalb von 24 Stunden zurückerhält. Der Test besteht aus einer wissenschaftlich ausgearbeiteten Fallstudie, die im System hinterlegt ist. Das Neue daran: Nicht nur potenzielle Kandidaten, sondern auch die Personalverantortlichen in den Unternehmen unterziehen sich einer Prüfung. Es geht darum, ein Profil der Unternehmenskultur zu erstellen, zum Beispiel anhand des Kommunikations-, Entscheidungs- und Führungsstils. Anschließend werden die Profile miteinander abgeglichen, um den Grad der Übereinstimmung zu ermitteln. "Wir schauen uns auch die Abweichungen an und überlegen, ob daraus möglicherweise später Konflikte in der Zusammenarbeit entstehen könnten." Das ist nicht nur wichtig, um den geeigneten Kandidaten herauszufiltern, sondern auch, um den neuen Mitarbeiter zu coachen, falls er zwar hoch qualifiziert ist, aber sich nicht gleich auf die Firmenkultur einstellen kann.

Gleichzeitig bietet Korn/Ferry International Futurestep Jobsuchenden Gehaltsanalysen und individuell zugeschnittene Karrieretipps an. "Wir versuchen" - so Rosenbach -, "Kandidaten vom Hochschulabschluss bis hin zum Rentenalter als Coach zu begleiten" - ein Anspruch , der sich von den gängigen Jobbörsen abhebt. Dort könne man sich zwar interessante Angebote oder Lebensläufe von Kandidaten herauspicken, doch Beratung und Coaching gebe es nicht.*Veronika Renkes ist freie Journalistin in Bonn.