Commerce im Internet/Value-Added-Distribution und Direktservices im DV-Vertrieb

Internet und interne Abläufe: Electronic Commerce mit SAP R/3

11.04.1997

Es begann 1988 klassisch. In seiner Gründerzeit setzte Prisma auf eine Novell-basierte PC-Netzwerksoftware zur Beschleunigung der kaufmännischen Aufgaben. Nach kurzer Zeit schon konnte diese Lösung den gestiegenen Anforderungen an Abwicklungsvolumen, differenzierte Geschäftsabläufe und Berichtstransparenz nicht mehr standhalten.

Eine ab 1990 eingesetzte relationale Datenbank, die operative Daten aggregierte und für die Sachbearbeiter zur Verfügung stellte, entpuppte sich bald als Zwischenlösung. Sie führte zu mehr als 40 Desktop-Inselanwendungen mit allen damit verbundenen Problemen hinsichtlich Transparenz und Unternehmenssteuerung. Die Integration der betrieblichen DV war auf dieser Grundlage nicht gewährleistet.

Deshalb mußte das Unternehmen eine passende DV-Lösung finden. In der Endauswahl befanden sich 1991 nach umfassenden Recherchen nur noch zwei Alternativen: eine individuell zu entwickelnde Software oder SAP R/3. Prisma begann 1992, die damals gerade erschienene Client-Server-Lösung des Walldorfer Softwarehauses einzuführen. Seit Anfang 1993 nutzte Prisma die betriebswirtschaftliche Standardsoftware mit ihren Modulen SD, MM und FI.

Nicht alle Anforderungen ließen sich mit den ersten Versionen von R/3 abdecken. So hat Prisma seit der Einführung einige individuelle Erweiterungen vorgenommen, beispielsweise für die Barcode-gestützte Logistikabwicklung. Die enge Integration dieser Erweiterungen in die SAP-Architektur führte dazu, daß einige dieser Teillösungen - nach dem Leitsatz "Never change a running system" - immer noch im Einsatz sind.

Heute arbeiten über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in drei Ländern via Satellitenverbindung mit dem zentral vorgehaltenen R/3-System. Betrieb und Consulting der R/3-Anwendungen und weitere IT-Ser- vices stellt die Aspri Trading GmbH, die zur Prisma-Grup- pe gehört. Die eingesetzten Ser-ver der HP-9000-Familie "fahren" ein dreischichtiges R/3-System. Als Präsentations-Server dienen Macs, PCs und Unix-Maschinen.

Über 100000 Lieferungen jährlich und die damit zusammenhängenden Geschäftsvorgänge in Logistik, Materialwirtschaft, Finanz- und Rechnungswesen sowie Controlling werden mit diesem System zur Zeit abgewickelt. Neben dem Volumen und den kurzen Durchlaufzeiten stellen erhebliche Spitzenbelastungen - etwa nach Verfügbarkeit eines neuen Software-Release - hohe Anforderungen an die Flexibilität und die Skalierbarkeit des Gesamtsystems in einem feingegliederten Firmenverbund.

Prisma befindet sich wie alle Unternehmen der Computerbranche in einem Wettbewerb der Information. Nicht nur Ware muß verfügbar sein, auch Informationen allgemeiner (Produkte, Hinweise, Support) sowie individueller, direkt kunden- und auftragsbezogener Art sind Voraussetzung guter Geschäftsbeziehungen. Klassische Investitionen in eine leistungsfähige Telefonanlage, Call-Center und die Ausbildung der Vertriebsteams sind dabei noch längst nicht alle der gewünschten und notwendigen Voraussetzungen.

Seit 1994 sammelt Prisma Erfahrungen mit dem Internet als Kommunikationsmedium. Dabei hat sich gezeigt: Internet-Technologie an sich bewirkt nicht viel, erst die Einbettung in die Betriebsorganisation schafft einen Nutzen für das Unternehmen und seine Kunden. So lag es nahe, bei SAP deutliches Interesse an einer Integration der Internet-Technologie in R/3 anzumelden und auf entsprechende Weiterentwicklungen der Standardsoftware zu drängen.

Aus anfänglichen Gesprächen entwickelte sich rasch eine dreigeteilte Entwicklungspartnerschaft mit der SAP und der Münchner Ixos, deren erstes Ergebnis im letzten Jahr als Technologie-Prototyp "SAPWeb" auf der CeBIT gezeigt wurde. Mittlerweile ist die Technologie produktreif und im Einsatz.

Prisma verwendet seit November 1996 das First-Customer-Shipment des "Internet-Release" von R/3 für eine interne Pilotierung. Die ersten Erfahrungen sind positiv: Architektur, Funktionalität, Stabilität der Server-Software und Skalierbarkeit der Gesamtlösung entsprechen den Anforderungen. Seit Frühjahr 1997 läuft die Software als Grundlage der Internet-Anwendungen in unserem Hause.

Parallel begann unsere Tochtergesellschaft Up-to-date im Frühjahr 1996, einen Teil ihres Sortiments im Internet anzubieten. Die zuständigen Sachbearbeiter sichten eingehende Aufträge als E-Mail und erfassen sie im R/3-System erneut. Das hat Vor- und Nachteile: Zwar spart dieser Kommunikationsweg Telefonate für die Auftragserfassung, der Nutzen eines duplizierten und asynchronen Produktangebotes ist aber stark eingeschränkt.

Manuelles Sichten, erneute Auftragserfassung, doppelte Pflege von Artikeln und Preisen mit entsprechenden Fehlerquellen zehren die Vorteile dieses Kommunikationsweges weitestgehend wieder auf. Erst die dynamische, direkte Verbindung des laufenden operativen Systems mit dem Web-Angebot bringt "the best of both worlds": Aktuelle, verfügbare Informationen werden abgerufen, und nur das schafft eine tatsächliche Entlastung der internen Organisation bei gleichzeitig verbessertem Informationsservice für die Kunden.

Das Projekt führte schnell zu weiteren Erkenntnissen: Eine noch so hübsch anzusehende Web-Site ist nur so gut wie ihr Inhalt. Und gerade bei den schnellebigen, erklärungsbedürftigen Computerprodukten ist das Intranet die ideale Alternative zur klassischen gedruckten Produktinformation. Das setzt zwar einerseits - normalerweise bei Anwenderunternehmen noch recht selten anzutreffende - Kenntnisse bei Redaktion, Layout, Grafik, Design und Produktion voraus, spart aber andererseits Zeit und Geld.

Zeit und Geld für den Druck einsparen

Bei papiergebundener Kommunikation entfallen häufig 80 Prozent der Gesamtkosten nur auf den Druck. Bei Web-Sites kann man den Aufwand auf die Inhalte und die Gestaltung konzentrieren. Auch die Verteilung der so aufbereiteten Informationen ist weniger zeit- und kostenaufwendig, denn die Nutzer der Informationen rufen die Web-Seiten selbst ab.

Die durch diese Technik eröffnete Möglichkeit, vom Point-of-Information per Mausklick zum Point-of-Sale zu kommen, reizte natürlich unternehmerisch. Es ist verlockend, in ein und demselben Medium zu informieren, beraten, kaufen und verkaufen: Die Internet-Technik verbindet Anbieter und Nachfrager über das Browser-Fenster.

Das klingt trivial, ist in der Praxis aber gar nicht so einfach. Denn die Möglichkeiten zur Rationalisierung, Vereinfachung von Geschäftsabläufen und Standardisierung von Kommunikationsprozessen betreffen nicht nur einige wenige Verantwortliche in der Marketing-Abteilung. Auch Vertrieb, Logistik, Beschaffung, Produkt-Management und DV-Organisation - also alle wesentlichen betriebswirtschaftlichen Funktionen - tragen ihren Teil zu einer schnellen und schlanken Unternehmenskommunikation bei. Sie müssen den gemeinsamen Nutzen des neuen Mediums verstehen und aktiv unterstützen. Internet-Anwendungen sind Chefsache.

Die SAP-Internet-Architektur erlaubt es, die gesamte Anwendung hinsichtlich Performance, Zugriffsschutz und Systembelastung zu skalieren. Es kann, muß aber nicht jeder Web-Zugriff direkt auf das R/3-System verzweigen. Statische oder halbdynamische Informationen, zum Beispiel Produktinformationen, können vorgelagert bleiben und belasten deshalb nicht das R/3-System.

Prisma nutzt diese Skalierbarkeit für die eigenen Web-Anwendungen. Ein Großteil der sich ohnehin nicht stündlich ändernden Produktinformationen liegt statisch auf dem Web-Server. Die permanent aktualisierten Informationen aus dem R/3-System gelangen über den Internet-Transaction-Server und spezifische Business-APIs ins Browser-Fenster.

Und noch eines machte das Projekt deutlich: Das Internet als integrierendes Medium verlangt nach integriertem Know-how in Marketing, Vertrieb und Systemorganisation. Keine isolierte Betrachtung - und nur die ist den jeweiligen Spezialisten vertraut - schöpft das Nutzenpotential der Internet-Technologie aus. Gerade hier gibt es noch viel zu lernen; schließlich liegen bisher kaum Anwendungserfahrungen mit dem neuen Medium vor.

Aufwand für eine solche Integration entsteht in drei Bereichen: Aufbau der Web-Site, Integration mit dem R/3-System und laufende Aktualisierung des Inhaltes. Gerade der letzte Aspekt findet oft nicht genügend Aufmerksamkeit, bringt aber erst den erwarteten Nutzen für die Web-Besucher.

Eine gute Web-Site entlastet im Tagesgeschäft

Und laufende Aktualisierung schafft gleichzeitig betriebsinterne Vorteile: Eine konsequent auf die Kundenwünsche ausgerichtete Web-Site entlastet im Tagesgeschäft. Für die Vertriebsteams ist es so spannend nicht, immer nur kurze Fragen nach Produktverfügbarkeit und Preisen zu beantworten.

Fachlich anspruchsvollere Vertriebsgespräche sind für alle Beteiligten viel interessanter. Eine Entlastung von Alltagstelefonaten durch Internet-basierte Kommunikation ermöglicht im Tagesgeschäft eines Vertriebsunternehmens die Besinnung auf das Kerngeschäft, erlaubt die Konzentration auf das Wesentliche.

Konsequent eingesetzt, schafft Internet-Technik in der Summe mehr Vorteile als Nachteile und rechtfertigt daher entsprechende Investitionen. Warten war noch nie ein Geschäftskonzept, und bei aller Verunsicherung durch ständige Neuheiten zeigt sich doch: Wer früh genug seine individuellen Erfahrungen sammelt, der lernt das Medium Internet schätzen. Bei Prisma jedenfalls zeigt es in effizienterem Einsatz des Fachpersonals, höherer Aktualität der Vertriebsinformationen und verbesserter Kundenbindung erste Vorteile.

Portrait Prisma

1988 mit 30 Mitarbeitern gegründet, setzte die Prisma-Gruppe 1996 mit 180 Mitarbeitern zirka 160 Millionen Mark um. Wesentliche Geschäftsbereiche sind die Distribution von Computerprodukten und Dienstleistungen für High-Tech-Hersteller.

In der Distribution betreut die Muttergesellschaft mit der Firma Prisma Express etwa 5000 Fachhändler in Deutschland, Österreich und der Schweiz (Systrade) logistisch und fachlich. Im Direktgeschäft versorgt die Tochterfirma Up-to-date mehrere hunderttausend Endanwender mit Software und Beratungsservice. Die Tochtergesellschaft Aspri Trading GmbH ist unter anderem für die Bereitstellung der IT-Systeme und -Services in der Firmengruppe verantwortlich.

Angeklickt

Mit einem zielgruppenorientierten, abgestuft abrufbaren Informationsangebot möchte das DV-Vertriebsunternehmen Prisma seine Beziehungen zu den Kunden enger knüpfen. Das erfordert über allgemein im Internet abrufbare Informationen hinaus eigenständige, zugriffsgeschützte Bereiche der Web-Site. Darauf baut dann die nächste Stufe auf - die kundenindividuelle Information. Zugleich aber soll es keinen Medienbruch geben, der Doppelarbeiten für intern und extern verfügbare Daten mit sich bringen würde. Das Unternehmen nutzt dazu als einer der ersten Anwender die Internet-Erweiterungen von SAP R/3. Der Autor berichtet von den schrittweisen Erfahrungen.

*Peter Rohwer ist Geschäftsführer der Aspri Trading GmbH in Hamburg.