Yankee-Group-Studie sieht europäische Telcos vorn

Internationaler Wettbewerb im TK-Markt verzögert sich

16.04.1999
MÜNCHEN (CW) - Die großen Telefongesellschaften haben weltweit ihre besten Zeiten (zunächst) hinter sich. Diese Auffassung vertritt die Yankee Group, die sich in einer Studie vor allem mit dem internationalen Geschäft der Telcos auseinandersetzt. Die europäischen Carrier haben demnach noch die besseren Karten, weil ein aufgrund früherer Monopole nach wie vor florierendes Ortsnetzgeschäft satte Einnahmen und damit Wachstumspotential garantiert. Offene Märkte sowie neue Techniken dürften jedoch auch hier für einen Umbruch sorgen.

Neue Märkte, neue Sitten. Das bekam auch die Yankee Group zu spüren. Seit Jahren nehmen die US-Marktforscher in regelmäßigen Untersuchungen die weltweite TK-Branche in Sachen Umsatz- und Gewinnentwicklung unter die Lupe, doch die Auskunftsfreudigkeit der Telcos habe, so die Auguren, zuletzt spürbar nachgelassen. Ursache: Der zunehmende Wettbewerb sowie die immer wichtiger werdende "Aktionärspflege", die die "Exklusivität" bestimmter Informationen für die Anteilseigner verlange. Rund ein Fünftel aller Angaben zu den im internationalen Business erzielten Einnahmen der insgesamt 50 befragten Carrier basieren deshalb auf eigenen Schätzungen - trotz der Tatsache, daß als Untersuchungszeitraum das bereits vollständig bilanzierte Fiskaljahr 1997 herangezogen wurde.

Abgesehen von einigen Ungenauigkeiten im Detail tut dies jedoch der Yankee Group zufolge den grundlegenden Aussagen der Studie keinen Abbruch. Und die haben es in vielerlei Hinsicht in sich. Erstes bemerkenswertes Ergebnis ist die Tatsache, daß unter den Top ten - gemessen am Umsatz im internationalen Public-Switched-Telecom-Network-(PSTN-) Geschäft, also den öffentlich vermittelten Telefongesprächen für Privat- und Geschäftskunden - mit der Deutschen Telekom, France Télécom und British Telecom (BT) auf den Plätzen zwei bis vier gleich drei europäische Carrier Spitzenpositionen innehaben. Die immer noch verbreitete Ansicht, daß die Vereinigten Staaten durch ihren langjährigen Vorsprung bei der Liberalisierung des TK-Marktes ein Mekka der internationalen TK-Szene sind, gilt jedenfalls nicht mehr uneingeschränkt. Nach dem unangefochtenen Branchenprimus AT&T belegte 1997 in dieser Wertung MCI als nächster US-Carrier erst Rang fünf.

Eine Einstufung, die allerdings insofern wieder relativiert werden muß, als der nach der Fusion MCIs mit Worldcom entstandene neue Mega-Carrier MCI-Worldcom laut Yankee Group im internationalen Konzert zur Nummer zwei aufgerückt sein dürfte.

Auch im Vergleich der Kontinente behauptete sich Europa bezogen auf das Umsatzvolumen bei internationalen Ferngesprächen als weltweit größter Einzelmarkt, gefolgt von Amerika, Asien und Afrika/Mittlerer Osten (siehe Abbildung "TK-Services International"). Mit Ausnahme von Asien, wo 1997 noch vor der später einsetzenden Wirtschafts- und Finanzkrise auch im TK-Sektor hohe Zuwachsraten erzielt werden konnten, mußten jedoch alle übrigen Regionen gegenüber dem Vorjahr Einbußen verzeichnen.

Mit dieser Feststellung verknüpfen die Marktforscher ihre zweite grundsätzliche These: Die großen Telcos, die derzeit im internationalen Telefonverkehr das Marktgeschehen bestimmen, sollten sich nach Jahren hoher Umsatz- und Gewinnsteigerungen bei allen "Schlüsselparametern", also Einnahmen, Erträgen sowie im Markt durchsetzbaren Preisen und Tarifen, auf rückläufige Werte einstellen. Schon in den beiden vergangenen Jahren hätten viele der Carrier ihre eigenen Ergebnisse durch massive Kosteneinsparungen und den Abbau von Mitarbeitern "geschönt". Auf diese Weise sei, so die Yankee Group, den in Europa erst ab 1998 spürbaren Auswirkungen des Wettbewerbs quasi bilanziell vorgebaut worden.

Im internationalen Business spielen die nun auch in Europa geöffneten TK-Märkte eine zweischneidige Rolle. Wettbewerb durch den Markteintritt großer internationaler Konkurrenten fand bis dato nicht nennenswert statt. Laut Studie müssen sich die großen Carrier in Europa (so wie sich die Situation in Großbritannien schon seit Anfang der 80er Jahre darstellt) mit einer größeren Zahl kleinerer Gesellschaften auseinandersetzen, die vor allem um Kunden im Ortsnetzbereich sowie bei regionalen Ferngesprächen buhlen. Morgenluft im internationalen Geschäft hat die Konkurrenz, wenn überhaupt, nur in Form einiger Nischenanbieter gewittert, die mit speziellen Lösungen wie Least-Cost-Routing im Markt agieren.

In den kommenden Jahren werde es jedoch, so die Yankee Group, auch im Geschäft mit internationalen Ferngesprächen zu massiven Umbrüchen im Weltmarkt kommen. Die Fusion von MCI und Worldcom sei hier nur ein Vorbote weiterer Ereignisse gewesen. Das im nächsten Jahr an den Start gehende Joint-venture zwischen AT&T und BT, die Allianz zwischen Deutscher Telekom, France Télécom und Sprint sowie andere Konsolidierungsbestrebungen im Markt dürften dafür sorgen, daß das Wettbewerbsklima, vor allem der Kampf um die zahlungskräftigen großen Firmenkunden, rauher werde. Daran ändere auch die Tatsache nichts, daß ein nicht unerheblicher Teil des internationalen Geschäfts sogenannte Carrier-Carrier-Umsätze seien, also die Bezahlung der Weiterleitung von Gesprächsminuten über das Netz der jeweiligen "Partnergesellschaft".

Überdies zögen zukunftsträchtige Übertragungstechniken wie Voice-over-IP Auswirkungen auf das internationale Marktgeschehen nach sich, die heute noch gar nicht absehbar seien. Gleichzeitig müsse man davon ausgehen, daß mit neuen Geschäftsmodellen wie der Versteigerung beziehungsweise dem Großhandel mit Gesprächsminuten neue Anbieter in das Business drängen.

Prinzipiell erwarten die Marktforscher in ihrem Szenario jedoch, daß vor allem die großen europäischen Carrier, denen immer wieder Langsamkeit und wenig Innovationsfreude nachgesagt wird, am Ende die Nase vorn haben. Trotz zunehmenden Wettbewerbs in ihren Heimatmärkten hätten Telcos wie France Télécom oder Deutsche Telekom letztendlich ihre Position behauptet; ist das Ortsnetzgeschäft immer noch deren Cash-cow. Damit verfügten sie über genügend Kapital, um noch so manche Herausforderung zu bestehen, begründet die Yankee Group ihren Optimismus. Zudem seien diese Gesellschaften, anders als so mancher ehrgeizige US-Konkurrent, als Vollsortimenter besser positioniert. Umsatzrückgänge bei internationalen Ferngesprächen konnten und können dort eher durch andere Einnahmen kompensiert werden, etwa im Mobilfunk- oder im reinen IP-Datenkommunikationsbereich.