Internationale Datenflüsse -Europäische Datenschutzkonvention

03.06.1977

Dr. Hans-Joachim Ordemann Ministerialdirektor im Bundesinnenministerium, Leiter der auch für den Datenschutz zuständigen Abteilung Organisation, Statistik und Kommunalwesen

Die Datenschutzdiskussion hat sich bisher - aus verständlichen Gründen - auf die eigene nationale Gesetzgebung beschränkt. Das gegen Ende des vorigen Jahres verabschiedete Bundesdatenschutzgesetz hat dafür genügend Stoff geliefert. Mir ist aus meiner vergleichsweise langen Ministerialpraxis kein Gesetzesvorhaben bekannt, das bis zuletzt so heftig umstritten war, obwohl alle Beteiligten sowohl im politischen Raum als auch in der, Wirtschaft seine Notwendigkeit im Grundsatz bejahten.

Dies alles ist jedoch inzwischen Historie geworden. Das Bundesdatenschutzgesetz beginnt, obwohl es noch nicht in Kraft ist, seine Wirkungen bereits zu entfalten. Zahlreiche Anfragen aus der Bevölkerung signalisieren eine wachsende Sensibilität für Fragen des Datenschutzes. Die Wirtschaft beginnt, sich durch die Bestellung betrieblicher Datenschutzbeauftragter auf das Gesetz einzustellen.

Die Datenschutzdiskussion ist in eine neue Phase eingetreten. Sie befaßt sich einerseits mit der Frage der Weiterentwicklung des Datenschutzrechts, aber sie beginnt darüber hinaus sich zunehmend dem internationalen Aspekt des Problems zuzuwenden. Ich begrüße dies um so mehr, als die Bundesregierung bereits seit langem die weittragende Bedeutung dieses Problems erkannt und zu seiner Bewältigung vielfältige Initiativen entwickelt hat.

Sie hat im vergangenen Jahr sowohl im Bundestag als auch vor dem Bundesrat mehrfach auf die Notwendigkeit eines harmonisierten europäischen Datenschutzrechts hingewiesen und auf ihre entsprechenden Initiativen aufmerksam gemacht. Damit soll jedoch nicht gesagt werden, daß das Problem bisher von niemand anderem erkannt worden wäre. Ich erwähne hier nur die Berichte des hessischen Datenschutzbeauftragten, der schon früher und jetzt in seinem 6. Tätigkeitsbericht erneut auf den Stand des Datenschutzrechts in anderen Ländern hingewiesen und damit verdeutlicht hat, daß uns diese Entwicklung betrifft und wir uns damit auseinandersetzen müssen.

Aktuelle Daten und Fakten sind bisher nur spärlich verfügbar. Das Problembewußtsein ist auch noch auf einen kleinen Kreis von Fachleuten beschränkt. Selbst in der Fachdiskussion nimmt es noch eine mehr periphere Rolle ein. Auf dem internationalen Kongreß "Datenverarbeitung im europäischen Raum", der vom 21. bis 25. März 1977 in Wien unter dem Thema "Computer im Dienst des Menschen" veranstaltet wurde, wurde es ausdrücklich nur in dem Referat des Vertreters des Europarats angesprochen.

Internationale Datenflüsse entwickeln und vollziehen sich weithin unbemerkt von der Öffentlichkeit. Diese nimmt nur die Ergebnisse zur Kenntnis, nämlich die Tatsache, daß jedes mehr oder weniger wichtige Geschehen, das sich irgendwo auf der Welt - oder neuerdings auch außerhalb - ereignet, in kürzester Frist weltweit bekannt ist. Die Industriegesellschaft unserer Tage ist zur Kommunikationsgesellschaft geworden. Die automatisierte Datenverarbeitung, die diese Entwicklung erst ermöglichte, hat die Welt zum Dorf gemacht, in dem jeder an praktisch allen Ereignissen teil hat. Die UNESCO hat denn auch erklärt: "Information ist zur wichtigsten Voraussetzung für den Fortschritt der Zivilisation und der menschlichen Gesellschaft überhaupt geworden." Die internationalen Kommunikationskanäle werden dort als die "Trommeln des Weltdorfes" beschrieben. Sie seien da, um alle mit Informationen zu versorgen, an deren Entstehen und deren Weiterverarbeitung angeblich alle beteiligt seien.

Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit sind inzwischen weltweit operierende Informationssysteme entstanden, die sich nach Auffassung von Fachleuten lawinenartig vermehren werden. Dies hat dazu geführt, daß sowohl die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) als der Europarat und seit einem Jahr auch die Europäischen Gemeinschaften sich des Problems angenommen haben. Während die OECD und die EG sich noch weitgehend im Stadium der Ist-Analyse befinden (im September dieses Jahres veranstaltet die OECD in Wien ein internationales Symposium zu diesem Thema), wird im Bereich des Europarats bereits der erste Entwurf eines internationalen Übereinkommens diskutiert. Der Entwurf enthält einen Katalog grundlegender Datenschutzprinzipien, die in allen Unterzeichnerstaaten zu verwirklichen wären, sowie gewisse organisatorische Regelungen im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Datenverkehr.

Die Aktivitäten der drei genannten Gremien gehen in enger Kooperation vor sich. An allen Sitzungen nehmen Vertreter der jeweils anderen Gremien, aber auch Vertreter der Bundesregierung teil. Diese vertritt die Auffassung, der am schnellsten realisierbaren Lösung den Vorrang einzuräumen. Das wäre zur Zeit bei den Aktivitäten der Europäischen Gemeinschaften der Fall. Die Bemühungen des Europarats und der OECD werden ungeachtet dessen natürlich tatkräftig unterstützt. Es ist einerseits höchste Zeit, die Probleme anzupacken, andererseits haben wir aber noch nicht zuviel kostbare Zeit verloren. Internationale Datenflüsse gibt es zwar schon, es sind aber - verglichen mit dem, was uns von Experten prognostiziert wird - noch Rinnsale. Unsere Aufgabe muß es sein, die zu erwartenden Ströme zu kanalisieren, auf daß sie Unheil anrichten.