Nachfrage steigt

Interim Manager als Digitalisierungschefs

07.12.2015
Von 
Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Immer mehr Unternehmen holen sich für die Digitalisierung einen Interim Manager ins Haus. Er soll Erfahrung in Aufbau und Umsetzung von Digitalisierungsstrategien mitbringen – und Widerstände überwinden. Vermittler Atreus und Interim Manager Wilfried Lyhs über Theorie und Praxis in deutschen Unternehmen.
  • Berater lösen Erkenntnisprobleme, Interim Manager Umsetzungsprobleme
  • Der CIO wurde mit der Digitalisierung zu oft allein gelassen
Das Projekt Digitalisierung soll immer öfter ein Interim Manager stemmen.
Das Projekt Digitalisierung soll immer öfter ein Interim Manager stemmen.
Foto: Agsandrew - shutterstock.com

"Digitalisierung des Unternehmens ist derzeit ziemlich hype", sagt Wilfried Lyhs gelassen. "Ich glaube allerdings, dass viele Unternehmen, vornehmlich mittelständische, Entwicklungsbedarf in ihren Prozessen und ihrer IT haben. Diese sind noch als Vorstufe zur "Digitalisierung" zu betrachten." Lyhs, vormals CIO des Anlagebauers Lurgi, ist heute als CEO von Hilderts & Partner selbst Interim Manager. Damit gilt er vielen Unternehmen als Hoffnungsträger. Wie Atreus beobachtet, ein Vermittler mit Schwerpunkt auf Transformationsprozesse, wird der Ruf nach Interim Managern lauter, insbesondere für Digitalisierungsprojekte.

"Wir haben 2006/2007 die ersten Digitalisierungsprojekte mit Interim Managern begonnen und sehen eine kontinuierlich wachsende Nachfrage", sagt jedenfalls Harald Linné aus der Atreus-Geschäftsführung. "Das reicht von der Entwicklung einer neuen E-Commerce-Strategie über die Weiterentwicklung des Online-Marketings, über das Ziel, die Schnittstelle zum Kunden besser in den Griff zu kriegen, bis hin zu grundsätzlicher Transformation." Kontinuierlich wachsende Nachfrage bedeute in Umsatzzahlen Faktor fünf.

Linné ist von dieser Entwicklung nicht überrascht. Digitalisierung heiße erst einmal Veränderung, und Veränderung erfordere Kompetenz von außen. Vom Interim Manager werde erwartet, Veränderungen erfolgreich anzugehen und vor allem zu implementieren. Das ist für den Atreus-Chef denn auch der entscheidende Unterschied zum Berater. Der löst ein Erkenntnisproblem, Interim Manager lösen das Umsetzungsproblem.

"Wir kommen nicht mit vorgefertigten Folien, wo man irgendwas ausfüllen muss", erklärt Linné, "sondern wir erarbeiten mit den Unternehmen den Fahrplan, der dann gemeinsam umgesetzt wird." Das heißt: Interim Manager übernehmen operative Verantwortung. So arbeitet ein bekannter deutscher Retailer gerade mit einem interimsweise eingesetzten Chief Transformation Officer, der die verschiedensten Kanäle nahtlos integriert und dafür sorgt, dass Filialgeschäft, Online und Versandgeschäft koordiniert vorankommen.

Interim Manager sind unbelastet

Die Kunden erwarten vor allem, dass der Manager auf Zeit Erfahrung mitbringt. Erfahrung in der organisatorischen, personellen und technologischen Umsetzung - und im Überwinden von Widerständen innerhalb der Belegschaft. Hier hilft es, dass der Interim Manager von außen kommt, also unvorbelastet ist, wie Linné sagt. Für Digitalisierungsprojekte würden üblicherweise zwölf bis 24 Monate angesetzt.

Soweit die Gedanken der Kunden. In der Praxis können die Schwierigkeiten schon anfangen, bevor die Tinte unter dem Vertrag trocken ist, wie Lyhs beobachtet. Oft wüssten die agierenden Manager nicht, wie sie das Geschäft digitalisieren können, wie sie neue digitale Prozesse designen oder alte Prozesse digitalisieren können. "Sie wissen nur, dass sie etwas tun müssen, um nicht überrannt zu werden", so der Interim Manager trocken. In solchen Fällen kann der Kunde kaum definieren, welche Skills der Gesuchte aufweisen soll.

Also muss es der Interim Manager selbst wissen. Wer die Digitalisierung eines Unternehmens verantwortet, muss nach Lyhs eine Vorstellung vom Geschäft des Kunden haben und zumindest über ein "gehöriges Maß an IT-Wissen verfügen, um nach Analyse der Prozesse diese digitalisieren zu können". Lyhs versteht diesen Job als den eines Incubators oder Katalysators neuer Ideen. Dazu zählen auch kommunikative und kreative Skills.

Digitalisierung ist Chefsache

Für Linné beginnt die Unklarheit schon eine Stufe darunter. "Wo soll das ganze Thema E-Commerce überhaupt aufgehängt werden?" sagt er. Die einen siedelten es beim CIO an, die anderen beim Chief Financial Officer (CFO), weil die IT oft an den CFO berichtet. Wieder andere sehen es beim Chief Marketing Officer (CMO). Atreus vertritt hier einen klaren Standpunkt: "Will ein Unternehmen wirklich Digitalisierungskompetenz aufbauen, muss das Thema beim CEO hängen. Da sehen wir in Deutschland noch Nachholbedarf", erklärt Linné.

Dabei spiele der CIO "natürlich eine ganz entscheidende Rolle", und zwar sowohl für den Erfolg eines E-Commerce-Projektes als auch bei der Umsetzung der E-Commerce-Strategie. "Wenn die Online-Performance nicht gegeben ist, wenn die Verfügbarkeit nicht gegeben ist, wenn die Infrastruktur nicht stimmt, nützen die schönste E-Commerce-Strategie und der beste Webshop nichts", stellt Linné fest. Auch der Einsatz von modernen Analyse-Tools sei ein Thema höchster Relevanz.

CIO als Architekt der Digitalisierung

Der CIO fungiere sozusagen als Architekt der Digitalisierung, sagt Linné. Er macht es möglich, dass die Prozesse funktionieren, migriert Daten und vieles mehr. Bisher aber ist er von den Unternehmensleitungen zu oft allein gelassen worden, so der Atreus-Manager. "Und das war ein entscheidender Fehler!"

In der firmenübergreifenden Verantwortung, die Linné anmahnt, sieht er den CEO als Sponsor. CIO und CMO müssten eng kooperieren. Lyhs siedelt den Digitalisierungs-Chef bei der Geschäftsführung an und will sichergestellt sehen, dass der CIO den Part der IT-Unterstützung "künftig besser ausfüllen kann". Empfindlichkeiten seitens des IT-Entscheiders akzeptiert Lyhs nicht. "Wenn er eifersüchtig ist, dann hat er nicht verstanden, dass das eine Chance ist, seinen Job zu retten!"