Interessenverband Neuer Markt formiert sich

24.08.2001
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Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Zwei Tage nach dem gesetzten Stichtag meldet Jürgen Wege, Vorstandsvorsitzender von Group Technologies, 60 positive Antworten auf seinen Vorschlag, einen Interessenverband der Neuen-Markt-Firmen zu gründen. Dabei bekundeten nicht nur Vertreter sogenannter Penny-Stocks ihr Interesse, die interessierten Unternehmen sind mit Kurswerten von unter einem Euro bis hin zu 60 Euro weit gestreut.

  

Jürgen Wege, CEO und Gründer von Group Technologies.

 

Wir wollen keinen reinen Penny-Stock-Verein", begrüßt Wege das Interesse von höher notierten Nemax-Mitgliedern. Der Group-Chef rechnet damit, dass der Verband nach weiteren Rückmeldungen etwa hundert Firmen zählen wird und dann dank der Streuung etwa ein Drittel des Neuen Marktes abbildet. Dafür spricht seiner Ansicht auch, dass er erst zwei klare Absagen erhielt. Zielsetzung des Interessenverbands ist es laut Wege, gemeinsam mit der Deutschen Börse alle Anstrengungen darauf zu verwenden, die Marktsituation zu verbessern und das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen. "Die Börse soll wieder funktionieren". Entsprechend der Zusammensetzung seiner Mitglieder will sich der Verband dabei nicht nur auf das umstrittene Thema Ausschlusskriterien konzentrieren, eventuell entsteht aber ein Arbeitskreis Delisting-Prevention. Als Initiator will Wege selbst aber nur Anregungen geben, ansonsten muss der Verein seine Zielsetzungen selbst definieren, findet er.

"Die wirklichen Übeltäter sind noch nicht dingfest"

Potenzielles Thema sind außerdem die strengen Börsenregeln, mit denen sich Group Technologies konfrontiert sah, als ein Quartalsbericht aus technischen Gründen drei Stunden zu spät bekannt gegeben wurde. Als sich Weges Unternehmen anschließend mit EM.TV auf einer öffentlichen Liste quasi am Pranger wiederfand, kam ihm die Idee, ein gemeinsames Sprachrohr der Neuen Markt-Mitglieder aufzubauen, um sich bei der Deutschen Börse Gehör zu verschaffen. Allgemein sei aber schwer nachzuweisen, ob ein Unternehmen eine Bilanzfälschung oder -verzögerung wissentlich oder nur versehentlich vorgenommen hat. Nachdem das Kind in den Brunnen gefallen sei, lege die Deutsche Börse jetzt seiner Ansicht nach zu strenge Maßstäbe an. "Wenn der Nemax-Index auf ein Zehntel zusammenfällt, muss man es Firmen auch zugestehen, dass ihr Kurs entsprechend einbricht", argumentiert Wege. Schuldig sind seiner Meinung nach eher Firmen, deren Kurs

überdurchschnittlich, also etwa um ein Zwanzigstel abstürzt. Mit Delisting-Regeln erreicht man aber Schuldige wie EM.TV nicht, andere (Pennystocks) kriegen stellvertretend eins auf die Finger, fügt Wege hinzu. Als Betroffener könne man dies aber der Deutschen Börse gegenüber nicht ansprechen, ein Verband tut sich da leichter.

Vor Gericht zu ziehen, wie jüngst von der Foris AG vorexerziert, zieht der Group-Chef nur als letzten Schritt bei scheinbar ungerechter Behandlung in Betracht. Der Verein will eher über den Diskussionsweg zu einer Änderung der Regeln anregen. Das Vorgehen des Berliner Prozessfinanzierers hält Wege aber dennoch für vernünftig, da es half, die Problematik der einseitigen Vertragsänderung von Seiten der Deutschen Börse zur Diskussion zu stellen. Bislang hatten die Neuen-Markt-Betreiber keine Plattform beziehungsweise keinen Ansprechpartner, um sich Informationen über Problemsituationen zu beschaffen, stellt Wege klar. Um eine Meinung einzuholen, hätte die Deutsche Börse dazu alle rund 300 Unternehmen befragen müssen. Hier soll der Interessensverein nun einspringen.

CPU-Vorstand Köhler: 60 Mitglieder sind bereits zuviel

Gerade im Punkt "Repräsentation der Neuen-Markt-Mitglieder" sieht Manfred Köhler, Vorstandssprecher der CPU Softwarehouse AG, eine Schwachstelle des Vereins. Um effizient zu arbeiten, sind seiner Meinung nach bereits 60 Mitglieder zu viel. Abgesehen davon müssten in einem Verband zu viele Kompromisse getroffen werden. "Da gibt es eine Satzung und Ähnliches, so dass man nicht schnell genug reagieren könne", findet Köhler. Was etwa das - auch für die CPU nicht ganz unaktuelle - Delisting-Problem anbelangt, würde es für seiner Ansicht nach für die Deutsche Börse reichen, die Betroffenen direkt anzusprechen, das sei bei den in Frage kommenden Penny-Stocks kein zu hoher Aufwand. Sein Gegenvorschlag zu Weges Interessensverband wäre ein repräsentativer Querschnitt der Neuer-Markt-Firmen, der sich mit der Deutschen Börse zusammensetzt, diese könnten dann auch effektiver

arbeiten.

Eine Umfrage der Computerwoche bei verschiedenen Ausschlusskandidaten am Neuen Markt zeigte, dass viele Firmen momentan die weitere Entwicklung abwarten. So erklärte Thorsten Schüssler, Investor-Relations-Sprecher der Heiler Software AG, man wolle zunächst die Entwicklung des Vereins verfolgen, bevor eine Entscheidung fällt. Eine ähnliche Meinung vertritt auch Andrea Meissner, Sprecherin der Prout AG. "Die Idee klingt interessant, aber wir haben noch keine Entscheidung getroffen", erklärt sie. Etwas pragmatischer formuliert Steven Hartenstein von GFN die Zurückhaltung seines Unternehmens: Die Firma ist derzeit damit beschäftigt, wieder profitabel zu wirtschaften. Daher sei keine Management-Kapazität für anderweitige Aktivitäten verfügbar, erklärt er. Aber auch wenn der

Turn-around erreicht wurde, will sich das Unternehmen nicht dahingehend binden, denn dann seien diese Schritte nicht mehr nötig.