Computer kommunizieren, Kommunikationsgeräte computern

Intels Geschäftsstrategie: Konvergenz

16.05.2003
BERLIN (jm) - Auf dem Intel Developer Forum (IDF) in Berlin hatte der Prozessorhersteller eine Botschaft: Die Zukunft heißt Konvergenz. Da kommunizieren Computer wie Handys, und Kommunikationsgeräte führen sich wie Computer auf. Intel sieht sich dabei auf dem Markt konvergierender Technologien als wichtigsten Lieferanten.

David Perlmutter, der bei Intel die Mobile Platforms Group leitet, ordnete die Ziele des Prozessorlieferanten klar ein: "Alle Computergerätschaft wird in Zukunft kommunizieren, alle Kommunikationssysteme werden wie Computer arbeiten."

Die Technik für solch hochintegrierte Funktionalität auf einem Stück Silizium stammt nach den Vorstellungen Intels natürlich aus der eigenen Werkstatt. Nicht von ungefähr unterstrich Howard Bubb, General Manager der Network Processing Group, den Vorteil für andere Computerhersteller, wenn sie - statt selbst viel Geld in die Hardwareentwicklung zu stecken - sich bei den Kaliforniern und deren fertigen Produkten bedienen würden.

Einer für alle

Für Intel-Kunden wie die Siemens AG ist solch ein Angebot durchaus von Interesse, wie Klaus Hjorth, Direktor der ICN-Abteilung Forschung und Entwicklung, bestätigte. Könne man auf standardisierte Technologiekomponenten eines Zulieferes zurückgreifen, würde dies den Entwicklungszyklus eigener Endprodukte entscheidend verkürzen helfen. Dann nämlich könne man die aufwändige Hardwareentwicklung einfach streichen. Ergebnis: Siemens hätte geringere Entwicklungskosten und wäre mit neuen Produkten schneller auf dem Markt. Bubb erwähnte in diesem Zusammenhang die "IXP4XX"-Produktlinie von Intel. Diese Chipplattform vereint typische Prozessoraufgaben der Datenberechnung mit der auf dem Silizium integrierten Unterstützung von Anwendungen für Sprache und für Sicherheitsaspekte.

Viel beredet wurde auf dem Entwicklerforum natürlich das Thema Mobilität, das Intel sich vor allem auch mit seiner "Centrino"-Prozessortechnik seit längerem auf die Fahnen geschrieben hat und das Kern der Unternehmensstrategie ist. Centrino ist ein Paket: Mit dem Pentium-M-Prozessor liefert Intel den Chipsatz "855 PM", die sowohl mit als auch ohne integrierte Grafikfunktionen angeboten werden, die aber jeweils mit eingebauter Wifi-Drahtlostechnik nach dem Standard IEEE 802.11 ausgestattet sind.

Centrino unterstützt momentan die Standards 802.11b (Singleband) und 802.11a/b (Dualband). Damit sich Anwender mit ihren Wifi-befähigten Geräten (Notebooks, Palms etc.) überhaupt in das Internet einloggen können, brauchen sie zudem Zugänge, so genannte Hotspots und im privaten Bereich Access Points. Tragbare Rechner können sich, sofern sie mit dem Centrino-Chip ausgestattet sind, drahtlos und ohne zusätzliche Ausrüstung über Hotspots oder Access Points ins Internet einwählen.

John Davies, Vice President and General Manager von Intels Solutions Market Development Group, sagte, es sei die Aufgabe - und die Chance - der Industrie, Applikationen und Geschäftsprozesse an das neue Paradigma Mobilität anzupassen. Mobilität der Geschäftsprozesse und der Applikationen ist seiner Meinung nach künftig ein treibender Faktor für die gesamte IT-Industrie.

Lufthansa, Glaxo Smith Kline, United Parcel Service (UPS), Novell und Cisco gehören, so Davies, zu den Unternehmen, die ihre Geschäftsprozesse zunehmend an die Option kompletter Mobilität anzupassen beginnen - das bedeutet, Befugte sollen immer und von überall auf Geschäftsanwendungen zugreifen zu können. Das heißt - nur ein Beispiel -, entsprechende Sicherheitsvorkehrungen wie etwa den Aufbau eines Virtual Private Network (VPN) in Geschäftsprozesse und IT-Topologien einzubauen.

Ein Muster an Mobilität

Davies beschrieb auf dem IDF Intel selbst als Vorreiter der Mobilitätsbewegung. 65 Prozent aller Intel-Angestellten nutzten heute Notebooks, weltweit habe das Unternehmen 59 WLAN-Sites installiert, eine Virtual-Private-Network-(VPN-)Architektur garantiere die Sicherheit dieses weltumspannenden Netzes. Mit dieser Topologie unterstützt Intel 10000 Handhelds, 65000 Notebooks, 35000 stationäre PCs und mehr als 800 so genannte Produktivitäts- und 300 Server-Applikationen auf insgesamt 25 000 Servern in einem LAN mit 180 000 Knoten.

Perlmutter, Chef von Intels Mobile Platform Group, wies darauf hin, dass nach eigenen Untersuchungen weltweit bis zum Jahr 2005 rund 90 Prozent aller Notebooks WLAN-fähig sein werden, also über Hotspots und drahtlos von zu Hause oder vom Unternehmen aus über Access Points ins Internet gelangen können.

Die Unternehmensberater von Gartner erwarten zwar "nur" eine WLAN-Konformität von 80 Prozent - klar ist trotzdem, dass drahtlose Mobilität die Zukunft der Computer darstellt. Welche Technik allerdings dabei zur Anwendung kommt, das war auf dem IDF-Forum ein strittiges Thema.

Lässt Intel-Technik keine Wünsche offen?

Natürlich vertritt Intel die These, mit seiner Centrino-Technik für Anwender keine Wünsche offen zu lassen in Bezug auf ubiquitäre Kommunikation. Dies sehen Branchenexperten allerdings anders.

So diskutierten Vertreter aus Wissenschaft und Industrie sowie Analysten darüber, ob WLANs die 3G-Technik überflüssig machen würden. Ian Keene von Gartner stellte die Frage, ob WLANs 3G in naher Zukunft kannibalisieren würde. Für die Mobilfunktechnik der dritten Generation spreche, dass sie "einfach stattfindet". Unternehmen wie T-Mobile, Siemens oder Sony Ericsson seien dabei, die Infrastruktur aufzubauen und Endgeräte in Massen auf den Markt zu werfen. Allerdings prognostiziert Keene, dass bis zum kommenden Jahr WLAN-Benutzer in Europa schon auf rund 36 000 Hotspots zugreifen könnten. Bis zum Jahr 2008 sieht Gartner in Europa 20 Millionen Anwender, die sich über öffentliche WLAN-Hotspots ins WWW einwählen. Keene zeigte sich denn auch der These zugeneigt, WLANs könnten sich gegenüber der 3G-Technik durchsetzen.

Geoff Haigh von British Telecom (BT) hielt dem entgegen, 3G lasse sich vor allem auch mit Geräten wie Handys nutzen. Das gelte nicht für die WLAN-Technik: "Wifi wird nicht in vielen Geräten funktionieren." Um bewerten zu können, welche Technik sich durchsetze, sei aber dieser Aspekt von großer Bedeutung. Haigh sagte ferner, dass der UMTS-Vorläufer GPRS eine ungleich höhere Verbreitung habe als Wifi. Allerdings konzedierte der BT-Mann, dass im Sendebereich von Wifi die Übertragungsraten sehr hoch seien.

Etwas polarisierend äußerte sich Hans Geyer, Intels Vice President and General Manager der PCA Components Group. Er behauptete, die Deutsche Telekom wäre gut beraten gewesen, hätte sie einen Großteil ihrer 3G-Investitionen - gemeint waren die sieben Milliarden Dollar für die UMTS-Lizenz im Jahr 2000 und noch einmal der gleiche Betrag für die nötige Infrastruktur - gleich in ein landesweites Netz von 802.11-Hotspots gesteckt. Der deutsche Netzbetreiber würde sich so sieben Milliarden Dollar gespart haben, und Millionen deutscher Haushalte wären auf einen Schlag drahtlos im Netz gewesen.

Dieses Argument konterte Berthold Butscher vom Fraunhofer Fokus Institut in Berlin allerdings ziemlich kühl. Richtig sei zwar, dass in Deutschland insgesamt rund 40 Millionen PCs benutzt würden. Nur ein Bruchteil davon verfüge aber über einen drahtlosen Netzanschluss. "Wir bräuchten also zuerst mal alle neue Notebooks."

Schwachpunkt WLAN

Die generelle Schwäche der WLAN-Technik machte Butscher an seinem eigenen Beispiel deutlich: Er habe sich auf Reisen in vier Wochen 20-mal via Wifi ins WWW eingeloggt, um seine E-Mails zu lesen. Genauso oft musste er dazu seine Kreditkartennummer ihm nicht bekannten Providern von Abrechnungsunternehmen (Billing and Accounting) übertragen, und "das will ich einfach nicht". GPRS sei da sehr viel anwenderfreundlicher. Zudem seien die Abrechnungsmodalitäten von Hotspot-Providern momentan noch eher abschreckend. Um sich für zehn Minuten etwa am Flughafen einzuloggen, müsse er eine Festgebühr für drei Nutzungsstunden zahlen.

Wichtig für Intels Überleben: Das Ende von Moore''s Law ist noch lange nicht erreicht

Sean Maloney, Vice President der Communications Group bei Intel, wie auch andere Sprecher auf dem IDF verwiesen immer wieder auf Moore''s Law, wonach sich alle 18 Monate die Anzahl der Transistoren auf einem Chip verdoppele. (Anm. d.Red.: Gordon Moore hatte 1968 gemeinsam mit Robert Noyce Intel gegründet). Von dieser Aussage müsse auch heute trotz der extremen Miniaturisierung und damit der hohen technischen Anforderungen an die Wafer-Produktion nichts zurück genommen werden.

Intel betonte diesen Umstand auf dem IDF wieder und wieder. Das hat seinen Grund, denn gerade die Möglichkeit, immer mehr Funktionalität auf ein Stück Silizium zu zwingen, berührt ganz wesentlich das Geschäftsmodell des Prozessoroligopolisten. Intel beschreibt die Geschäftsmöglichkeiten denn auch mit dem Slogan "Konvergenz von Computing und Communication", also dem Zusammenfließen von reinen Rechenleistungsaufgaben mit Funktionen für die Unterstützung von Video-, Audio- und Telefonanwendungen.

Alle diese Operationen lassen sich auf einem einzigen Chip zusammenführen. Maloney wies in seinem Vortrag darauf hin, dass ungefähr 2005 auf einem Intel-Chip rund eine Milliarde (zehn hoch neun) Transistoren vereint sein werden. Ein Itanium-Prozessor integriert immerhin schon 100 Millionen Transistoren. Zum Vergleich: Intels erster Prozessor, der "4004", verfügte Anfang der 70er Jahre über 1000 Transistoren.

Analog bewegt sich der Prozessorhersteller wegen dieser extremen Verdichtungen auf dem Chip bei der Wafer-Produktion nicht mehr im Mikrometer-, sondern im Nano-Bereich. Das birgt erhebliche technische Herausforderungen, wie Sunline Chou, Senior Vice President und General Manager der Technology and Manufacturing Group bei Intel, erörterte. Chou verwies auf Intels neuestes Produkt, den "PXA800F"-Prozessor (Codename: Manitoba), der hausintern auch als "Internet on a Chip" bezeichnet wird und der durch die Integration unterschiedlichster Funktionen paradigmatisch die Forschungs- und Entwicklungsrichtung von Intel demonstriert. Heutige State-of-the-Art-Handys unterstützten WAP-Dienste, MP3-Decoding, Fotos via MMS und gewisse Spielefunktionen. Auf einem einzigen PXA800F-Prozessor seien aber darüber hinaus auch Funktionen für das Ent- und -Verschlüsseln von Videosequenzen, zudem hoch entwickelte Spiele auf Java-Basis und Internet-Dienste integriert.

Die Verdichtung von Transistoren und damit die Ansammlung von Funktionen auf diesem Stück Silizium ist so hoch, dass die Wellenlänge herkömmlicher Lithografieverfahren bei der Produktion von Wafern mit 157 Nanometer viel größer ist als die Größe der Transistoren des Chips (90 Nanometer). Die Lösung für dieses produktionstechnische Problem ist ein neues Produktionsverfahren, das "Extreme Ultraviolet Lithography" (EUVL) genannt wird. Im Jahr 2011, so Chou, werde Intel Transistoren herstellen, die nur noch zehn Nanometer Ausdehnung besitzen. Zur Veranschaulichung: Ein Grippevirus ist mit 100 Nanometer größer als ein heute aktueller Transistor.

Intel arbeitet zudem an Verfahren, um drei und mehr Schichten (Englisch: die) auf einem Prozessor zu stapeln. Hierdurch ließe sich die Vielfalt unterschiedlichster Funktionen, die auf einem einzigen Chip eingebunden sind, erheblich vergrößern.

Abb: 1 000 000 000 Transistoren auf ein paar Quadratzentimetern

Anfang der 70er Jahre stellte Intel den "4004"-Prozessor vor. Auf ihn zwängte der Hersteller 1000 Transistoren. Gut 30 Jahre später passen fast eine Milliarde Transistoren auf ein Stück Silizium. Quelle: Intel