Intelligente Maschinen verarbeiten menschliches Wissen

26.10.1984

BONN - Der Mensch bleibt das Maß aller Maschinen, prophezeit Professor Dr. Günter Spur von der Technischen Universität Berlin. Die Zukunft der Fabrik bestimme der Wandel industrieller Arbeitsstrukturen gleichermaßen wie der Mensch im Spannungsfeld von Automatisierung und Humanisierung. Datenverarbeitung erweitere sich zur Wissensserarbeitung und technische Virtuosen bestimmten den Leistungsgrad, zugleich bestehe jedoch die Gefahr von Computer-Analphabeten. In einem Vortrag zur Jahresversammlung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bonn, sieht der Autor die Fertigungsstätten von morgen integrativ aus der Wirtschaft von heute entstehen.

Der tiefgreifende technologische Wandlungsprozeß begann etwa 1950 mit der Entwicklung numerisch gesteuerter Werkzeugmaschinen am Massachusetts Institute of Technology (M.I.T.). Aus der Verknüpfung von Arbeitsmaschine und Computer, von Fertigungstechnik und Informationstechnik, entstand eine neue Produktionstechnologie mit intelligenten Maschinen, die Zahlen verstehen und mit Rechnerunterstützung programmiert werden können.

Die rechnergeführte Produktion ist nach dreißigjähriger Forschungs- und Entwicklungsarbeit sowohl aus technologischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht eine unverzichtbare Realität in unseren Fabriken. Aber dennoch ist dies erst der Beginn eines Wandels, der weit über das Wirkungsfeld der eigentlichen Fertigungstechnik hinausgeht und auch die anderen Bereiche industrieller Produktion bis zu den Dienstleistungen erfaßt.

Bausteine dieser rechnerorientierten Arbeitssysteme sind geeignet aufbereitete Informationssysteme, die durch spezifische Anwendungsprogramme geprägt sind. Wir sprechen von Rechnerunterstützung in Konstruktion, Planung, Fertigung Inspektion und Dienstleistung. Durch hierarchische Verknüpfung entsteht eine rechnerintegrierte Produkterzeugung, die weltweit mit dem Begriff "Computer Integrated Manufacturing" beschrieben wird.

In einer solchen Fabrik arbeiten die Menschen entkoppelt von der unmittelbaren Prozeßführungsfunktion. Bedienfunktionen wandeln sich in Programmierfunktionen und Überwachungsfunktionen. Der Betrieb materialbezogener Maschinensysteme erfolgt durch Rechnersysteme und setzt somit die funktionelle Wirksamkeit eingebundener Software voraus. In diesem Sinne wandelt sich der Maschinenbau: Software wird ein Maschinenelement.

In höheren Entwicklungsstufen können Maschinen als informationsverarbeitende Systeme lernfähig sein. Datenverarbeitung erweitert sich zu Wissensverarbeitung. Computer steuern und bedienen dann nicht nur Arbeitsmaschinen, sondern sie helfen dem Menschen auch sie zu programmieren. Die Verknüpfung von Datenverarbeitung und Wissensverarbeitung erzeugt Maschinenintelligenz und führt vom Rechnen zum Denken.

Ein geschichtlicher Rückblick auf die Entwicklung der Produktionstechnik zeigt, daß nach der zunächst dominierenden Energietechnik mit Erfindung der Kraftmaschinen und dem dann folgenden Aufschwung der Materialtechnik mit Ausbreitung der Arbeitsmaschinen nun die Informationstechnik mit Entwicklung der Informationsmaschinen den technologischen Fortschritt entscheidend beeinflußt. Ihr wird - in kühner Prognose - Anfang des nächsten Jahrhunderts die Biotechnik mit noch zu konzipierenden Biomaschinen folgen.

Im sogenannten Zeitalter der Entdeckungen und Erfindungen war die Technik das Mittel zur Nutzung der Naturkräfte: Die Technik verkörperte das Bemühen des Menschen, auf die Umgebung zu reagieren und sich nicht zufriedenzugeben mit dem, was Welt ist. Dieser frühe technologische Aufbruch, der schließlich zur Begründung einer Industriegesellschaft führte, wollte Kräfte ausnutzen, die die Welt bietet, wollte Schwierigkeiten, Hunger und Not beseitigen, wollte aus den Erkenntnissen der Naturwissenschaften Nützliches gestalten.

Mit dem Aufkommen der Naturwissenschaften kann das 18. Jahrhundert als Entstehungszeit der Ingenieurwissenschaften angesehen werden. Die Erkenntnisse der jungen Naturwissenschaften hatten jedoch zunächst nur geringen Einfluß auf die Weiterentwicklung der handwerklich betriebenen Fertigungstechnologie. Ein Grund hierfür mag auch in der schwerfälligen Kommunikation des vorindustriellen Europas zu suchen sein. Viele der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse blieben lange Zeit ungenutzt, weil der Handwerker, aber - wie in wissenschaftshistorischen Beiträgen ironisch vermerkt - manchmal auch die Besitzer von Manufakturen, nicht lesen konnten. Die Absperrung von Bildung und Wissen hat den Fortschritt der Technik verzögert. Dies gilt übrigens abgewandelt auch heute. Durch die große Entwicklungsgeschwindigkeit der Informationstechnik besteht neuerdings die Gefahr der Entstehung von Computer-Analphabeten.

Die zunächst noch qualitativ überlegene Handarbeit wurde durch Verfeinerung der Produktionsmittel an Genauigkeit und Zuverlässigkeit überboten. Mit Einführung von Normung und Austauschbau war der Weg frei zur Massenfertigung.

Automatisierung führte zu neuen Formen der Werkstattorganisation. Es war der erste Schritt in eine neue Arbeitswelt, in eine Arbeitswelt mit Automaten.

Eine echte Überwindung der traditionell aus der Gründerzeit gewachsenen Fabrikstrukturen konnte erst durch die elektronische Datenverarbeitung erreicht werden.

Dieser Wandlungsprozeß ist jedoch nicht abgeschlossen. Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, haben wir die Schwelle zur nächsten Generation von Fabriken übertreten. Produktivität, Produktionsgeschwindigkeit, Flexibilität, Qualität und Zuverlässigkeit werden ein Niveau erreichen, das auf der Grundlage konventioneller Produktionsstrukturen nicht realisierbar wäre.

Ihre Einführung wird die Ablaufbedingungen der traditionellen Stückfertigung und Montage langfristig so grundlegend verändern, daß auch die Vertriebsstrategien umgestaltet werden müssen. Eine größere Vielfalt von Produkten wird in kleineren Losen oder in beliebiger Reihenfolge wirtschaftlicher als heute hergestellt werden können. Die Vorlaufzeiten für die Einführung neuer Produkte werden stark verkleinert, Zwischenlagerbestände werden erheblich reduziert, eine Endlagerung von Fertigprodukten zur Anpassung an die kontinuierliche Marktnachfrage ist kaum noch erforderlich. Manuelle Fertigungsarbeiten werden weitgehend flexibel automatisiert, planende und steuernde Fertigungsaufgaben können in Mensch-Rechner-Interaktion ausgeführt werden.

Die Rechnerintegration stellt den Kern der zukünftigen Produktionserneuerung dar. Sie verfolgt das Ziel einer automatischen Fertigung von variablen Produktprogrammen, einer kontinuierlichen Optimierung der Ablaufsteuerung, einer direkten Regelung von Materialfluß und -bearbeitung sowie einer dynamischen Disposition aller Fertigungsmittel.

Durch die Verknüpfung von Energiefluß, Materialfluß und Informationsfluß entsteht gewissermaßen als konzertierte Aktion eine neue Produktionsstruktur, die, aus einzelnen Produktionszellen zusammengewachsen, als maschineller Organismus mit programmierter und damit gespeicherter Intelligenz zu automatischer Gütererzeugung fähig ist.

Die Planung und dynamische Führung solcher flexiblen Fertigungssysteme einschließlich ihrer Optimierung wird durch den Einsatz geeigneter Rechnersysteme der fünften Generation neue Gestaltungsmöglichkeiten erhalten. In dieser höheren Entwicklungsstufe wird die Fabrik Maschinenintelligenz benötigen, also intelligente Produktionsmittel in den Informationsfluß integrieren.

Automatisierung bedeutet die Befreiung des Menschen von der Bindung an den Arbeitstakt der Maschinen. Dies ist der Wandel vom Maschinenbediener zum Maschinenbeherrscher. Die in solchen Fertigungsstrukturen arbeitenden Beschäftigten werden eine veränderte Qualifikation haben, sie werden als Mannschaft arbeiten, ähnlich wie auf Schiffen und in Flugzeugen Dienst tun und, mit hohen technologischen Kenntnissen ausgestattet, die Produktion zuverlässig abfahren. Es wird darauf ankommen, daß diese Systeme der Exekutive ohne Störungen bei Erfüllung des Qualitätsanspruchs in ihrer Produktivität schrittweise optimiert werden können. Technologische Virtuosen werden gebraucht, sie bestimmen den Leistungsgrad im Orchester dieser kapitalintensiven Arbeitsmaschinen.

An dieser Stelle sei jedoch deutlich vermerkt, daß nicht alle Fabriken diesen Entwicklungsverlauf nehmen müssen. Er gilt vornehmlich für marktstarke, kapitalkräftige und vom Produktspektrum her geeignete Unternehmen.

Eine andere parallel verlaufende Entwicklung der Produktionstechnik zielt auf die Aufwärtsqualifizierung der handbedienten Einzelmaschinen zur flexibel automatisierten Einzelzelle. Derartige Systeme sind werkstattprogrammierbar und dialogfähig. Die Maschine läßt den Bediener nicht allein und führt ihn bei der Programmierung auf einem Wissensniveau, das die Arbeitsperson selbst bestimmt. Falsche Eingaben nimmt die Maschine nicht an. Durch Simulationsläufe wird das Risiko der Maschinenprogrammierung gemindert und die Zuverlässigkeit der Betriebsläufe erhöht. Eingebaute Diagnosesysteme können zusätzlich den Maschinenzustand überwachen und Wartungsanweisungen am Bildschirm anzeigen.

Aus der produktionstechnischen Forschung werden in naher Zukunft neue Impulse durch Innovationsschübe erwartet, die auch aus einer fachübergreifenden Wechselwirkung zwischen Maschinenbau, Informatik und Sozialwissenschaften entstehen.

Die Informationstechnik, die in den nächsten Jahrzehnten die technologische Entwicklung entscheidend beeinflussen wird, basiert auf Innovationen der Rechnertechnik der fünften Generation, beruht auf dem Durchbruch der künstlichen Intelligenz mit dem Schwerpunkt der Wissensverarbeitung und Entscheidungstechnik. Datenverarbeitungsmaschinen wandeln sich in Informationsmaschinen, deren Verknüpfung mit Bewegungsmaschinen führt zu intelligenten Maschinensystemen. Auf die industrielle Produktion übertragen bedeutet dies, daß die Entwicklung von intelligenten Arbeitsmaschinen mit Lernfähigkeit und Wissensverarbeitung möglich geworden ist.

Sie wird unter dem Gesichtspunkt einer sensorisch orientierten Prozeßführung unterschieden in materialbezogene, formbezogene, mengenbezogene, ortsbezogene und zeitbezogene Maschinenintelligenz.

Erste Schritte in eine solche Richtung sind adaptiv geregelte Maschinen, die sich unter Berücksichtigung der Forschungsergebnisse im Bereich der künstlichen Intelligenz zu wissensverarbeitenden Systemen entwickeln können. Eine solche Entwicklung rückt in greifbare Nähe: Dies würde bedeuten, daß rechnergeführte Maschinen nicht nur durch ein integriertes Programmiersystem zum flexibel automatisierten Arbeitsablauf fähig sind, sondern durch ein integriertes Simulations- und Expertensystem auch entwickelbares technologisches Fachwissen beinhalten. Es wird damit nicht das automatisierte Maschinensystem, sondern auch das technologische Wissen als eingespeichertes Expertensystem vom Hersteller geliefert. Folgerichtig wird es in Zukunft nicht nur auf hohe Qualität im materialbezogenen Anteil des komplexen Produktionssystems, sondern insbesondere auch auf die Qualität des technologiebezogenen Expertensystems ankommen.

Die Ausstattung von Produktionsmitteln mit intelligenten Eigenschaften muß sich am Anforderungsprofil der Aufgaben orientieren. Mit wachsender Komplexität des auszuführenden Fertigungsprozesses steigt auch der Grad der geforderten technischen Intelligenz. Für Maschinen ist sie im Sinne der gegebenen Definition zum einen Funktion ihrer sensorischen Intelligenz und zum anderen Funktion ihrer motorischen Intelligenz. Das Zusammenwirken beider Komponenten ergibt dann die fertigungsprozeßbezogene Maschinenintelligenz. Exemplarisch läßt sich dies am Beispiel der Robotertechnologie aufzeigen.

Die bisherige Entwicklung von Robotersystemen zeigt, daß die Ausbildung der Bewegungsfunktionen am weitesten fortgeschritten ist. Die Auslegung von Robotern der ersten Generation erfolgte für relativ einfache Aufgaben, wofür sich Punkt-zu-Punkt-Steuerungen als sinnvoll erwiesen.

Der Einsatz von Mikroprozessoren führte zur Weiterentwicklung der Robotertechnik in der zweiten Generation. Die damit erzielte Steigerung der Leistungsfähigkeit der Steuerungssysteme ermöglichte die bahngesteuerte Führung von Objekten. Während Roboter der ersten Generation überwiegend motorische Fähigkeiten aufweisen, verfügt die zweite Generation zusätzlich über sensorische Fähigkeiten. Die rechnergekoppelte Bestimmung und Überwachung kinematischer Größen, wie Bahngeschwindigkeit und Bahnbeschleunigung in Abhängigkeit von der Länge des Bahnsegments, erhöht die Arbeitsgenauigkeit. Algorithmen dieser Art weisen Verfahrensstrategien auf und besitzen damit intelligente Eigenschaften.

Der Trend zur Verfeinerung der Sensorik prägt die gegenwärtige Entwicklung. Komplexe Fertigungsaufgaben erfordern die Korrektur des im Steuerungsrechner gespeicherten Anwendungsprogramms.

Trotz dieser Fortschritte erleben wir zur Zeit eine gewisse Stagnation bei der Erweiterung der Einsatzbereiche von Robotern in Fertigungsprozessen. Ursache hierfür ist, daß eine stärkere Anpassungsfähigkeit des Robotersystems an den jeweiligen Fertigungsprozeß notwendig ist. Bezogen auf die angeführte Definition des Begriffs der Maschinenintelligenz bedeutet dies, daß für eine Erweiterung des Einsatzbereiches von Robotern in der Fabrik der Zukunft intelligentere Gesamtsysteme als derzeit benötigt werden.

Die Betonung liegt dabei auf dem Begriff Gesamtsystem, da sich mit einer getrennten Optimierung der Bereiche Sensorik und Motorik die genannten Zielsetzungen nicht erreichen lassen. Es ist vielmehr ein Forschungsansatz zugrunde zu legen, der von einer Einheit der sensorischen und motorischen Bereiche ausgeht und den Biosystemen näherkommt, da sensorische Informationen erst durch adäquate steuerungs-technische Strukturen ihre fertigungsprozeßbezogene Bedeutung erhalten. Umgekehrt benötigen adaptive Steuerungsstrukturen, die auf Veränderungen im Fertigungsprozeß reagieren sollen, dementsprechende sensorische

Informationen. Ein derartiger Ansatz erfordert auch die Entwicklung und Implementierung relevanter Modelle des Fertigungsprozesses in das Robotersystem, auf deren Grundlage die sensorischen und motorischen Verknüpfungen im Sinne eines adaptiven Verhaltens des Gesamtsystems erfolgen.

Intelligente Robotermaschinen bleiben Objektivationen des menschlichen Geistes, selbst wenn sehr fortgeschrittene, intelligente Programmstrukturen über die Fähigkeit verfügen, Bewegungsfunktionen unter Einbindung von Beziehungszusammenhängen auszulösen die aus menschlichem Denken und Handeln abgeleitet sind. Eine Fortentwicklung dieser Programme zu hoher Intelligenz könnte allerdings als externalisierter und formalisierter menschlicher Denkprozeß für Zwecke der Problemlösung gelten. Einen solchen Roboter gibt es heute noch nicht. Er gehört aber zu dem Bild von der zukünftigen Fabrik.

Die Fabrik der Zukunft wird viele Arbeitsinhalte verändern. Schrittweise und überschaubar werden Routinetätigkeiten und monotone Bedienfunktionen zugunsten planender, steuernder, kontrollierender sowie instandhaltender Tätigkeiten vermindert. Informationsnetze in Verbindung mit Datenbankverwaltungssystemen, vereinfachter Mensch-Maschine-Kommunikation und intelligenten Rechnerfunktionen bewirken, daß die organisatorische Zuordnung von Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsablauf aller nicht unmittelbar an materialtechnische Prozeßabläufe gebundenen Personen freier gestaltet werden kann.

Dies ermöglicht die Bildung von Modellen für neue Produktionsformen. Als alternative Strukturen zukünftiger Fabriken sind vorstellbar:

- die Einmaschinenfabrik, organisiert als kompakte Fertigungszelle,

- die Mehrmaschinenfabrik, organisiert in komplexer Zellenstruktur,

- die dezentral lokalisierte Satellitenfabrik, die über ein Kommunikationsnetz mit der Betriebszentrale verbunden ist,

- die transportierbare Containerfabrik in Fertigbauweise,

- die mobile Fabrik auf Schiffen, Eisenbahnzügen oder Kraftfahrzeugen,

- die infraterrestrische Fabrik unter der Erde oder im Meer sowie

- die extraterrestrische Fabrik auf Raumstationen.

Neben der zentralorientierten, hochautomatisierten Fabrik könnten Aufgaben der Fertigung, Montage oder Informationsverarbeitung dezentral entweder im eigenen Unternehmensverbund oder von spezialisierten externen Unternehmen abgewickelt werden.

Neue Strukturen ergeben sich durch eine Trennung der konventionellen Unternehmensform in zwei unabhängig operierende Teile. Auf der einen Seite verbleibt die rechnerintegrierte, hochflexible, automatisierte Produktionsfabrik, auf der anderen Seite entsteht eine Gruppe von Unternehmen ohne eigene Fertigung als Träger des Produkt- und Marktwissens. Produktionsorientierte Unternehmen übernehmen Aufträge von den produktorientierten Betrieben, die sich damit als Dienstleistungsunternehmen etablieren.

Dezentrale Fertigungsstrukturen erleichtern die Gründung von neuen Unternehmen, da personell nicht mehr die gesamte Tiefe der heute benötigten Unternehmensleistung erbracht werden muß. Insgesamt kann auch eine größere Flexibilität der Produktion durch die Anbindung dezentraler Fertigungsstationen an mehrere Kernbetriebe erreicht werden. Volkswirtschaftlich gesehen wird durch Arbeitnehmerbeteiligung oder Eigentum an dezentralen Unternehmen mehr Kapital aus dem bisherigen Konsumbereich für Investitionszwecke gewonnen. In der informationstechnisch geprägten Gesellschaft verliert Arbeit den Charakter der körperlichen und psychischen Last. Die Wertmaßstäbe der Industriegesellschaft werden sich verändern.

Durch den komplexen Verbund neuer Technologien wird der menschliche Geist in Zukunft Entfaltungsmöglichkeiten erhalten, die alle bisherigen Entwicklungen übertreffen. Die hierzu notwendige Kreativität wird aber auch zugleich der Engpaß für die Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts sein. Der Ingenieur benötigt die Kreativität des Künstlers. Technik und Kunst fließen zusammen.

Maschinen bleiben künstliche Gebilde. Sie sind entstanden aus einer umfassenden Akkumulation von theoretischem Wissen, praxisgeführten Erfahrungsprozessen, menschlichem Handlungsbedarf sowie einer empfindsamen Einfühlung in den inneren Zusammenhang der Natur und ihrer Bewußtwerdung in unserem Denken. Die Zukunft der Fabrik wird ihre notwendigen Strukturveränderungen nicht nur von der Technologie, sondern auch aus den natürlichen gesellschaftlichen Kräften erhalten. Als Fabrik mit Zukunft kann sie nur eine Fabrik des Menschen sein.

Gekürzte Fassung des Festvortrages von Prof. Dr. Ing. Günter Spur, Technische Universität Berlin Gehalten am 19. Juni 1984 in der Aula der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn anläßlich der Jahresversammlung 1984 der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bonn.