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Deutschland bei "Smart Textiles" an vorderster Front

Intelligente Kleidung: Elektronik sorgt für Komfort

21.02.2008
Von Handelsblatt 
Jacke mit GPS, Schuhe mit Wärmgerät: Hersteller setzen zunehmend auf intelligente Textilien, um Komfort und Funktionalität ihrer Kleidung zu steigern. Deutsche Firmen spielen auf dem Weltmarkt der so genannten "Smart Textiles" eine führende Rolle.

Eisig klamme Finger, Wind pfeift um die Ohren und vor lauter Schnee kann der Skifahrer kaum noch den Abhang erkennen. Plötzlich spürt er Tiefschnee unter den Brettern - und kommt von der Piste ab. Sikfahreralltag? Von wegen. Die Forschung hat Wege gefunden, Wintersportlern derartige Situationen zu ersparen. Ausrüster wie Atomic haben beheizbare Skischuhe im Angebot, Reusch liefert dazu passende Handschuhe und die Unterwäsche von WarmX sorgt dank integriertem Akku für Wärme. Die GPS-Jacke von O'Neill weist Skifahrern den Weg. Und mit einem Helm mit Funkübertragungstechnik Bluetooth, wie ihn Burton auf den Markt gebracht hat, lässt sich telefonieren. Viele solcher Neuheiten werden auf der Computermesse CeBIT im März zu sehen sein.

Doch intelligente Textilien eignen sich nicht nur für Sportler. Auch in der Medizin ist Elektronik in Textilien gefragt. Aipermon aus München beispielsweise arbeitet an einem T-Shirt, das die Herzfrequenz misst und drahtlos überträgt. In Zukunft soll das Kleidungsstück in der Rehabilitations- oder der Weltraummedizin zum Einsatz kommen.

Für aussichtsreich halten die Firmen auch die Solartechnik. Der italienische Bekleidungshersteller Zegna stellt in seiner aktuellen Frühjahrs-/Sommerkollektion eine Jacke mit Solarpanel im Kragen vor. Ahlers, einer der größten Hersteller von Herrenmode in Europa, will unter der Marke Pierre Cardin auf der CeBIT ein ähnliches Modell präsentieren.

Das Berliner Unternehmen Sunload hat zudem eine Tasche mit integriertem Solarpanel auf dem Markt gebracht. Akkus von Handys und Notebooks lassen sich über einen USB-Zugang und eine 12-Volt-Buchse aufladen. "Eine Tasche hat man immer dabei, und jeder braucht irgendwann Strom", sagt Sunload-Sprecherin Filiz Yanc. Das Unternehmen arbeitet an weiteren Produkten, die Sonnenenergie liefern.

An Ideen für so genannte "intelligente Textilien" mangelt es den Herstellern nicht. "Der Innovationsschub in der Sportartikelindustrie ist enorm", sagt Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM). Er rechnet damit, dass der deutsche Markt für elektronische Sportartikel im Jahr 2015 ein Volumen von rund 1,8 Milliarden Euro haben wird. Die Hersteller sollen bis dahin etwa 20 Millionen Kunden erreichen. Schon heute hat nach einer BITKOM-Umfrage fast jeder dritte Deutsche ein Handy in der Tasche, wenn er Sport treibt. Bei den 14- bis 29-Jährigen sind es sogar 44 Prozent. Fast jeder Fünfte hört zudem beim Joggen oder Radfahren Musik über einen MP3-Player.

Einheimische Unternehmen wie Sunload und Aipermon haben sich in der Wachstumsbranche einen Namen gemacht. "Deutschland spielt im Marktsegment der ´Smart Textiles´ auf dem Weltmarkt eine führende Rolle", sagt Stefanie Engel vom Gesamtverband der Deutschen Textil- und Modeindustrie. Den Unternehmen winkt ein gutes Geschäft: Nach einer Studie des Marktforschungsinstituts Venture Development Corporation soll der weltweite Markt für intelligente Textilien von 370 Millionen. Euro im Jahr 2006 auf über eine Milliarde Euro im Jahr 2010 ansteigen.

Doch auch andere ausländische Unternehmen haben das Potenzial von Elektronik in der Kleidung entdeckt. Philips etwa fand einen Weg, Leuchtdioden in Textilien einzuarbeiten. Diese Technik lässt beispielsweise Firmenlogos auf der Kleidung von Messepersonal blinken. Boost Products aus den Niederlanden bringt die Leuchttextilien noch in diesem Jahr auf den Markt.

Die Textilforscher haben die Möglichkeiten der Technik noch längst nicht ausgeschöpft. "Kühlende Kleidung etwa ist eine große Herausforderung", sagt Martin Rupp, Direktor der Abteilung Bekleidungstechnik an den Hohensteiner Instituten. Auch bei den bislang erhältlichen Solarpanels für die mobile Energieversorgung gibt es Verbesserungspotenzial. "Die Energiemenge ist begrenzt, vor allem bei wenig Sonnenschein", sagt Rupp. Die Forscher arbeiten daher unter anderem an Textilien, die Bewegungsenergie speichern.

Zudem soll der Tragekomfort und die Haltbarkeit der Geräte - beispielsweise bei der Reinigung - weiter verbessert werden, sagt Rupp. Bislang lassen sich viele Kleidungsstücke nur waschen, wenn der Besitzer die elektronischen Bauteile vorher entfernt hat. Um mit tragbarer Elektronik in Serie zu gehen, müssen die Hersteller auch mit neuen Werkstoffen arbeiten. Nach Einschätzung von Rupp könnten die heutigen Probleme in drei Jahren bereits gelöst sein. Mit der Serienreife sinken die Preise - und tragbare Elektronik könnte zur Massenware werden.