Chipgigant setzt auf Software Defined Networking

Intel will Data Center und Netz verlinken

17.10.2013
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Die SDN- beziehungsweise SDx-Szene ist um einen mächtigen Player reicher: Intel. Mit dem Chipbauer betritt ein Konzern die Bühne, der gute Chancen hat auf dem Zukunftsmarkt erfolgreich mitzumischen. Denn er besitzt sowohl in Sachen Data Center als auch in Sachen Netzwerke die erforderliche Expertise.
John Woodget, Global Director Telecommunication Sector bei Intel, ist überzeugt, das mit SDN neue Player im Networking-Business mitmischen.
John Woodget, Global Director Telecommunication Sector bei Intel, ist überzeugt, das mit SDN neue Player im Networking-Business mitmischen.
Foto: Intel

Jahrzehntelang war der Netzwerkmarkt fast ein geschlossener Kreis. In einem eher proprietären Umfeld boten sich die Hersteller einen überschaubaren Wettbewerb, der böse gesprochen mehr oder weniger im Tuning vorhandener Technik und Protokolle bestand. Mehr war aber meist auch gar nicht notwendig, denn das Netz sollte als "dump pipe" lediglich Daten schnellstens von A nach B transportieren.

Doch mit dieser Ruhe könnte es nun vorbei sein, denn die Netze sehen sich mit immer komplexeren Aufgaben konfrontiert: Der Powergamer will im Echtzeitduell mit seinem Gegner möglichst geringe Latenzzeiten, der Geschäftsmann erwartet eine störungsfreie Videokonferenz mit seinem Partner auf der anderen Seite des Globus und der IT-Manager will mal kurz per Cloud neue Aufgaben auslagern oder Teile des Data Centers verschieben. Alleine diese Beispiele zeigen, dass die dump pipe nicht mehr den Anforderungen genügt und komplexere Steuerungsverfahren erforderlich sind, um allen Usern die gewünschten Anwendungen mit der erwarteten Performance über das Netz bereitzustellen. Gleichzeitig, so John Woodget, Global Director Telecommunication Sector bei Intel, werden die Netzwerk-Cloud und das Data Center weiter zusammenwachsen beziehungsweise miteinander verknüpft, da hier teilweise ähnliche Aufgaben und Anforderungen anfallen würden.

In der SDN-Welten sollen Appliances wie Firewalls verschwinden und nur noch virtuell existieren.
In der SDN-Welten sollen Appliances wie Firewalls verschwinden und nur noch virtuell existieren.
Foto: Intel

Eine Verknüpfung, die Woodget zufolge noch eine andere Konsequenz hat, "die Services werden innerhalb des Netzes arbeiten und darum braucht es eine orchestrierende Funktion aus der Cloud. Es ist eine Art von mash up our own service". Damit sind für den TK-Verantwortlichen die Tage der standalone Netze gezählt, auch wenn er einräumt, dass viele die Bedeutung der Services und der damit einhergehenden Veränderungen noch nicht verstanden hätten, "die Situation ist ähnlich wie beim Start von Google oder Facebook. Vor 15 Jahren haben viele die Auswirkungen auf ihr Business-Modell nicht erkannt". Neue Netz-Services kann sich Woodget dabei in Kategorien wie Orchestration, Network, Cloud, Media oder Security vorstellen.

Intels Referenzplattform zum Bua von SDN-Hardware.
Intels Referenzplattform zum Bua von SDN-Hardware.

Neu ist dabei Woodget zufolge, dass nicht mehr nur die Verbindung von einem Punkt zum nächsten betrachtet wird, sondern wie die Daten am schnellsten und effizientesten durch das Netz als Ganzes geleitet werden - das Netz also virtualisiert als nur noch ein Gerät betrachtet wird. Da hierzu auch Funktionen des Netzes selbst virtualisiert werden, ist im Carrier-Umfeld eher der Begriff einer Network Function Virtualization (NFV) anstelle von SDN gebräuchlich. Dabei sind Funktionen wie Firewall, VPN oder Intrusion Detection System angedacht, die im Zuge des Software Defined Networking virtualisiert werden.

Durch die Realisierung in Software sollen diese Komponenten dann flexibler sein als klassisches Netzequipment, das bislang das Gros seiner Performance aus spezifischen ASICs schöpfte. "Erst die breite Verfügbarkeit extrem schneller CPUs, die die entsprechenden Aufgaben mit der Geschwindigkeit einer Switch-Dataplane abarbeiten können, machte den Umstieg auf eine Software-Lösung möglich", erklärt Intel-Direktor Woodget. Darüber geredet und geträumt haben wir allerdings schon 1993, so der Telco-Spezialist weiter, doch damals fehlten noch die entsprechenden leistungsfähigen Chips.

Mit Partnern baut Intel ein komplettes SDx-Ecosystem auf.
Mit Partnern baut Intel ein komplettes SDx-Ecosystem auf.
Foto: Intel

Der letzte Punkt erklärt auch das aktuelle Interesse des Chipgiganten an SDN: Neue Absatzmärkte für seine CPUs, Blade-Server, Netzwerk-Interfaces sowie eine Verknüpfung mit dem eigenen Data-Center-Geschäft. Hierzu hat der Konzern mit der Intel Open Networking Platform Switch Reference Design sowie der Intel Open Networking Platform Server Reference Design (hier sollen die virtualisierten Funktionen wie Firewall etc. laufen) gleich zwei Referenzplattformen vorgestellt sowie mit dem Accelerated Open vSwitch das passende "Data Plane Development Kit" (DPDK) entwickelt. Wie weit diese Entwicklung geht, hat Intel erst kürzlich auf dem IDF (Intel Development Forum) gezeigt. Mit Partnern stellte das Unternehmen ein komplettes SDx-Ecosystem vor. Ein System, in dem laut Woodget künftig neue Serverkapazitäten innerhalb kürzester Zeit automatisiert im ganzen Netz verfügbar sind - im Gegensatz zu den bis zu 30 Tagen, die ein solcher Prozess (inklusive Netz-, Switch-Konfiguration etc.) heute dauert. Einen entsprechenden SDN-Ansatz fährt Intel bereits intern mit Verizon und HP. Andere Partner sind etwa NEC, Telefonica oder Nokia Siemens Networks.

Insgesamt, so ist Woodget überzeugt, werden SDN und NFV den Markt gehörig aufrütteln. "Neue Player werden erscheinen, da sie keine Hardwareexpertise benötigen, da etwa das Layer-2- und -3-Switching in SDN-Umgebungen per Software durchgeführt wird", wagt der Intel-Direktor einen Blick in die Zukunft. "Die Grenzen zwischen Zusammenarbeit und Konkurrenz verschwimmen. Wir nennen das Coopetition". Gleichzeitig schränkt er ein, dass der Netzmarkt nach Jahrzehnten der Geschlossenheit nach einer kurzen Zeit mit mehr Playern in eine Phase der Konsolidierung eintritt, wobei für Woodget noch nicht ausgemacht ist, wer überleben wird.

Darüber hinaus könnte SDN beziehungsweise NFV den Markt der Service Provider und Telcos gehörig durcheinanderwirbeln, wenn Services direkt im Netz bereitgestellt werden, um etwa die Server im Cloud Data Center aus dem Netz heraus zu orchestrieren. Des Weiteren eröffnet die Technik neue Möglichkeiten, um Medieninhalte effizienter und schneller als heute auszuliefern. So könnte ein SDN/NFV-Netz beispielsweise bereits im Edge-Bereich feststellen, welche Daten ein Anwender wünscht und diese Information an den SDN-Controller übermitteln. Dieser errechnet dann flexibel den schnellsten Übertragungsweg. Die Datenanalyse selbst, so Woodget, erfolge per Deep Packet Inspection: "Zusätzlich zu vielen "Over The Top" Cloud Service Providern die DPI schon heute verwenden, würden auch die Telcos mehr über den User und ihr Verhalten erfahren. Wenn den Telcos auch erlaubt werden würde, diese Informationen zu nutzen, um Dienstleistungen anzubieten, würde auch auf ihnen die Bürde liegen, Vertrauen und Sicherheit herzustellen".