Halbleiterhersteller wagt neuen Versuch mit Speicherchips:

Intel verkauft künftig DRAMs von Micron

08.04.1988

SANTA CLARA (bk) - Nach knapp dreijähriger Abstinenz kehrt Intel in den DRAM-Chip-Markt zurück. Das zu den führenden Herstellern von Logik-Bauelementen zählende US-Unternehmen schloß mit dem Hersteller Micron Technology ein Abkommen über die Vermarktung von 256-DRAM-Chips unter Intel-Logo.

Anfang der siebziger Jahre hatte Intel begonnen, den Markt für Dynamic Random Access Memories (DRAM) zu erobern. Schon bald gehörte die Firma weltweit zu den ganz Großen der Branche. Doch Mitte der achtziger Jahre hatte die Herrlichkeit ein Ende. Die Japaner waren in den Markt der Speicherchips eingedrungen und brachten mit knallharten Wettbewerbspraktiken die US-Vorherrschaft immer mehr ins Wanken. Vor allem die wesentlich niedrigeren Preise der japanischen Konkurrenten führten bei den Amerikanern zu Überproduktion, Absatzproblemen, miserablen Jahresergebnissen und schließlich zu Massenentlassungen und Werksschließungen.

Die US-Marktführer, unter ihnen Intel, National Semiconductor, Motorola und Texas Instruments, zogen die Konsequenzen: Sie kehrten dem DRAM-Chip-Markt den Rücken und konzentrierten sich fortan auf die Entwicklung und Produktion anwendungsspezifischer Chips. Zuvor trugen sie allerdings noch dazu bei, den Nippon-Herstellern über die US-Regierung empfindliche Einfuhrrestriktionen aufzuerlegen, denen dann im August 1986 der amerikanisch-japanische Chip-Handelspakt folgte.

Dieses Abkommen, erst nach monatelangen heftigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Handelsministerien zustande gekommen, war von Anfang an umstritten. Den US-Herstellern waren die Vereinbarungen nicht protektionistisch genug, die Japaner fühlten sich zu Unrecht gegängelt. Die wenigen im DRAM-Chip-Markt verbliebenen US-Hersteller, unter ihnen Micron Technology, führten immer neue Attacken gegen ihre Konkurrenz aus dem Land der aufgehenden Sonne.

Eine Dumping-Klage folgte der anderen, die über die Japaner verhängten Sanktionen nahmen kein Ende. Die Amerikaner konnten einfach nicht glauben, daß die japanischen Hersteller NEC, Hitachi und Fujitsu trotz zunehmender Repressalien und mittlerweile auch schwindender Absatzzahlen im DRAM-Markt immer noch mehr Chips verkauften als sie selbst.

Mitte des vergangenen Jahres begannen die amerikanischen "Aussteiger", langsam wieder Land zu sehen. Die Quartalszahlen kletterten aus der Verlustzone; die Jahresbilanzen waren wieder vorzeigbar. Inzwischen jedoch zappelten sich auch die Speicher-Chip-Produzenten auf. Der massive Druck auf die Japaner, ihre Chip-Preise zu erhöhen sowie weniger DRAM-Erzeugnisse in die USA einzuführen, hatte endlich Wirkung gezeigt. Die Chip-Preise schnellten in die Höhe. Als IBM im vergangenen Jahr seine neue Baureihe PS/2 ankündigte, kam es zu einer wahren Nachfrageexplosion an DRAM-Chips, auf die kein US-Hersteller vorbereitet war.

Die neue Knappheit an Speicher-Chips lockt nun die Großen der US-Branche zur Rückkehr in den DRAM-Markt. Intel ist das erste Unternehmen, daß den Sprung zurück wagt - freilich nicht mit eigener Produktion. Vielmehr wird die in Santa Clara ansässige Gesellschaft zukünftig DRAMs von Micron Technology unter eigenem Label verkaufen. Vorerst handelt es sich dabei um 256-KB-Chips, die im Micron-Werk in Idaho gefertigt und ab dem dritten Quartal vertrieben werden. Das Abkommen ist auf einen Zeitraum von drei Jahren befristet.

NatSemi und Motorola sind auch wieder interessiert

Die Entscheidung, in den DRAM-Markt zurückzukehren, begründete Vice-President Robert Noyce damit, Intel wolle den Kunden ein breiter gefächertes Produktangebot offerieren. Darüber hinaus sei das Risiko, durch unfaire japanische Wettbewerbspraktiken erneut Schiffbruch zu erleiden, durch den Chip-Pakt weitgehend eingeschränkt worden. Auch amerikanische Semiconductor-Analysten befürworten diesen Schritt des Halbleiter-Giganten. "Intel ohne DRAMs war wie ein Supermarkt ohne Milchprodukte", erklärte Daniel Klesken, Analyst für Montgomery Securities in San Francisco.

Weitsicht wird Micron Technology von Richard Whittington, Semiconductor-Analyst in Diensten der Prudential-Bache Securities in New York bescheinigt. Mit der langfristigen Vereinbarung sichere sich das Unternehmen gegen einen neuerlichen Nachfrage-Einbruch bei DRAM-Chips ab. Micron-Chairman Joe Parkinson bestätigte denn auch, daß man durch den Kontrakt mit Intel nunmehr bedenkenlos die Produktionskapazität von DRAMs steigern könne; Micron will sogar ein neues Werk bauen und den "Output" verdoppeln. Als "Gegenleistung" für den Vertrieb der Halbleiter räumte Micron in dem Vertrag Intel ein Optionsrecht zum Kauf von 600 000 Micron-Aktien zum Preis von 19,38 Dollar pro Aktie ein.

Inzwischen haben auch National Semiconductor und Motorola angekündigt, wieder in den DRAM-Chip-Markt zurückkehren zu wollen.