"Intel kontrolliert die technologische Entwicklung"

25.06.1995

CW: Es faellt auf, dass andere PC-Unternehmen wie Dell oder Gateway sehr viel eher als Compaq auf den Pentium-Zug aufgesprungen sind. Das hat einige Beobachter zu der Aussage veranlasst, Compaq wolle den Pentium-Ball gar nicht erst aufnehmen. Stimmt das?

Pfeiffer: Das ist absolut nicht richtig. Wir haben Intels Strategie im Vorfeld der Pentium-Ankuendigung mehr als jeder andere unterstuetzt. Die von Ihnen zitierte Einschaetzung ruehrt daher, dass wir im vierten Quartal 1994 kein Consumer-Produkt auf Pentium- Basis parat hatten. Fuer uns stellte sich fuer das zweite Halbjahr 1994 die Frage: Sollten wir eine ausgereifte 486-Produktpalette unterstuetzen oder entsprechende Ressourcen auf die Entwicklung von Pentium-Systemen umlagern? Unsere Analyse der zu erwartenden Preisstrukturen und auch der Volumina, die sich mit Pentium- beziehungsweise 486-Rechnern erzielen lassen wuerden, fuehrten uns dann zu der Entscheidung, zunaechst auf 486-Maschinen zu setzen.

CW: Jahrelang liess sich Compaq als Unternehmen feiern, das wegen seiner Ingenieurleistungen und technologischen Fuehrerschaft anderen PC-Herstellern ueberlegen ist. Mittlerweile vergibt Ihre Firma aber Produktionsaufgaben an Dritte, an taiwanische Subunternehmen wie die Inventec-Gruppe oder die Mitac International Corp. Woher ruehrt der Stimmungsumschwung?

Pfeiffer: Nun, wir leben heute in einer anderen Welt, die Industrie hat sich gewandelt. Compaq konnte in der Vergangenheit ueber fast zehn Jahre hinweg Erfolgsgeschichten schreiben. Aber ploetzlich funktionierte das bewaehrte Modell nicht mehr. Warum? Alles um uns herum hatte sich geaendert, nur wir uns nicht. Heute verfolgen wir eben die Industrietrends, von denen wir annehmen, dass sie wichtig sind.

CW: Welche Ziele wird Compaq speziell im Produktbereich Server- Systeme fuer die unternehmensweite DV anpeilen?

Pfeiffer: Zunaechst einmal haben wir gerade erst unsere gesamte weltweite Firmenorganisation neu ausgerichtet, und zwar auf eine kundenspezifische Segmentierung. Unsere Top-Accounts konzentrieren sich beispielsweise auf die groessten 50 Unternehmen. Andere Geschaeftssegmente sind der kommerzielle Bereich, die US-Regierung sowie Erziehung und Bildung. Wir sind gerade dabei, fuer jedes Terrain eine Strategie und Ressourcen aufzubauen. In vielen dieser Umfelder gibt es DV-Verantwortliche, die im hohen Masse fuer Kostenfragen sensibilisiert sind und fuer Ueberlegungen, wie sie konkurrenzfaehig bleiben, wie sie flexibler werden, wie sie - allgemein gesprochen - das Beste aus ihrer DV herausholen koennen. Dabei kommen sie mehr oder weniger zwangslaeufig auf Client-Server- Loesungen. Die bieten ihnen naemlich auf lange Sicht das guenstigste Preis-Leistungs-Verhaeltnis.

CW: Welches sind denn Ihrer Meinung nach wichtige Aufgaben, die Compaq loesen muss auf dem Weg von einer reinen PC-Firma zu einem Unternehmen, das sein Hardware-Angebot auf eine breitere Basis stellt?

Pfeiffer: Diese Mutation setzt voraus, dass wir das Thema zentrale DV auf ganz neue Weise angehen. Die Fortschritte bei der Leistungsfaehigkeit von Hardware- und Betriebssystem-Komponenten sowie anderer zugehoeriger Mosaikstuecke vollziehen sich immer rascher - Compaq nimmt dabei eine Spitzenposition ein. Der genannte Trend fuehrt dazu, dass sich die unternehmensweite DV langsam, aber sicher auf PC-basierte Client-Server-Umgebungen ausrichtet. Wir muessen allerdings noch ausloten und testen, welches das Zukunftsmodell ist.

CW: Der Consumer-Bereich ist ein Segment, wo Compaq Nachholbedarf zu haben scheint.

Pfeiffer: Dieses Betaetigungsfeld, auf dem wir absolute Neulinge sind, ist in der Tat eine grosse Herausforderung. Momentan ist nur wichtig, dass wir hier unsere Hausaufgaben richtig erledigen.

CW: Intel integriert auf seinen Prozessoren mehr und mehr von den Funktionen, die bisher als Einzelkomponenten auf der Systemplatine aufgebracht waren. Wo sehen Sie da noch Moeglichkeiten, sich von Ihrer Konkurrenz abzuheben?

Pfeiffer: Da vollzieht sich in der Tat ein fundamentaler Wandel. Je hoeher die Integrationsebene angesiedelt ist, desto haeufiger haben Sie es nur mehr mit Fragen der Prozessortechnologie zu tun. Damit gewinnt Intel natuerlich auch zunehmend Kontrolle ueber die Geschwindigkeit, in der sich Technologie entwickelt.

Der Deutsche Eckhard Pfeiffer uebernahm im Oktober 1991 das Ruder bei dem texanischen PC-Hersteller Compaq.

Ueber veraenderte Maerkte und die neue Firmenstrategie unterhielten sich mit dem CEO die "Computerworld"-Redakteure Paul Gillin und Jaikumar Vijayan.