Gleiche Hardware-Plattform, aber mehr Applikationen:

Intel-Flaggschiff macht den PC zur Workstation

22.04.1988

Durch die neuen Intel 80386-Prozessoren scheinen die Grenzen zwischen herkömmlichen Workstations und "PCs" mehr und mehr zu verschwimmen. Zwar ähnelt die Hardware und die AT-Busstruktur der 386-Rechner stark der "PC-Welt", doch sind sie keineswegs auf diesen Level beschränkt. Im Gegenteil: Auf der gleichen Hardware-Plattform lassen sich eine Fülle unterschiedlichster Applikationen nutzen.

Die Besonderheit der 80386-Computer besteht darin, daß sie nicht auf MS-DOS beschränkt sind, sondern verschiedene Betriebssysteme zur Verfügung haben. Es ist möglich, direkt den Industriestandard MS-DOS mit all seinen Soft- und Hardware-Applikationen zu benutzen. Zudem kann auf der gleichen Festplatte ein Bereich für das System Unix System V reserviert werden. Dies erlaubt dem Benutzer, in einer Multi-User/ Multi-Tasking-Umgebung zu arbeiten. Bis zu acht Schnittstellen werden dabei unterstützt. Darüber hinaus läßt sich die gesamte Station an ein lokales Netz anschließen.

Essentiell: Grafikkarte

Das auf dem 80386-Mikroprozessor basierende Unix-Betriebssystem schafft dabei die Möglichkeit, die MS-DOS-Applikations-Software als einen Prozeß zu starten. Das bedeutet, daß hier eine Vereinigung der "MS-DOS-Welt" und der "Unix-Welt" realisiert ist. So läßt sich also auch unter Unix System V aus dem reichen Software-Angebot des Industriestandards MS-DOS schöpfen. Diese Workstations können unter Benutzung von leistungsfähigen Grafikkarten (beispielsweise Kontrast 7000 CB) mit hochauflösenden Monitoren bestückt werden, die bis 1280 x 1024 Bildpunkte und 60 Hertz "non interlaced" Bildwiederholfrequenz bieten. Standardpakete wie X-Windows oder MS-Windows schaffen die typische Workstation-Umgebung.

Spätestens hier stellt sich die Frage, was eine Workstation ausmacht. Ein Workstation-Konzept beinhaltet eine Multi-Window-Umgebung mit Multi-Tasking-Eigenschaften. Dieser Schritt wird eigentlich erst durch die Betriebssysteme relevant. Die Leistungsfähigkeit heutiger 32-Bit-Mikroprozessoren, die unglaubliche Mengen an Speicherplätzen ansprechen können, die zunehmende Integration von Speicher-Chips, die eine sehr große Speicherkapazität auf geringstem Raum realisieren, sowie die oben erwähnten leistungsfähigen Multi-Tasking-Betriebssysteme ermöglichen eine Arbeitsumgebung, die den Benutzern eine ungeahnte Flexibilität an die Hand geben. Für die "MS-DOS-Welt" bedeutet dies, daß erst mit dem Eintritt des neuen Multi-Tasking-Betriebssystems (OS/2) die Schwelle zur Workstation-Leistungsfähigkeit überschritten wird.

Mit dem Betriebssystem Unix präsentiert sich der 80386 als sehr leistungsfähige Workstation. Standardpakete wie etwa X-Windows oder Desktop Publishing, lauffähig auf hochauflösenden Monitoren bis zu 20 Zoll Bildschirmdiagonale, stellen eine Software-Schnittstelle zur Verfügung, die von vielen Softwarehäusern akzeptiert und unterstützt wird. Damit erhält der Benutzer die Möglichkeit, die schier unüberschaubare Fülle von Hardware-Boards für den AT-Bus auch unter einem Multi-Tasking/Multi-User-System vollständig nutzen zu können. Eine komfortable Benutzerumgebung sorgt dabei für hohe Bedienerfreundlichkeit.

Prozessor-Takte bis zu 20 Megahertz leistungsfähige Floating-Point Coprozessoren wie der 80387 oder Weitek Chip-Satz, und ein Speicherausbau bis zu 8 Megabyte RAM Memory on Board, zeigen die Leistungsfähigkeit eines solchen Computers. So kann man zum Beispiel auch sehr rechenintensive und auf künstlicher Intelligenz basierende Programme - wie automatische Entflechtungssysteme für Leiterplatten (Autorouting) inklusive grafischer Ausgaben der Ergebnisse - auf solchen 32-Bit-Workstations ablaufen lassen. Zudem kommen diese Computer an die Leistungsfähigkeit von Mainframes ohne weiteres heran und übertreffen sie zum Teil sogar. Durch die Integration von Workstations in ein Netz bieten sich dem Anwender weitere Nutzungsmöglichkeiten. Dadurch hat der einzelne User Zugriff auf ein nahezu unbegrenztes Software-Reservoir. Darüber hinaus wird die Plattenkapazität der einzelnen Workstations extrem gesteigert, indem über das Netz auch andere Festplatten benutzt werden können. Die Kommunikation zwischen den einzelnen Benutzern eines lokalen Netzwerkes, die räumlich getrennt sein können, vereinfacht sich erheblich.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß den besprochenen 32-Bit-Workstations die Zukunft gehört, da sie auch preislich sehr interessant sind. Die Hard- und Software-Voraussetzungen sind heute schon akzeptiert, so daß sich der Trend zu diesen Workstations verstärken wird.

Ludger Mintrop ist Mitarbeiter der Kontron Meßtechnik, Eching.