Mobile Computing/Mobile Computing besitzt bei vielen Anwendern geringe Priorität

Integrationsprobleme lassen Firmen zögern

18.06.2004
Nach dem Hype vor wenigen Jahren kommt das Geschäft mit mobilen Unternehmenslösungen nur schwer in Gang. Zwar sagen Marktforscher steigende Umsätze voraus. Andere Studien belegen jedoch ein Desinteresse der Anwender. Begrenzte Budgets, Sicherheitsbedenken und die nach wie vor schwierige Integration in das Backend lassen viele Kunden zögern. CW-Bericht, Martin Bayer

"Rund um das Thema mobile Computing hat sich bei deutschen Unternehmen eine realistische Erwartungshaltung breit gemacht. Der große Hype ist vorbei", zieht Klaus-Peter Scheer, Manager Consultant der Meta Group, Bilanz. Laut einer Studie, für die 158 Unternehmen in Deutschland befragt wurden, setzen derzeit 42 Prozent der befragten Firmen keine mobilen IT-Lösungen ein und planen auch künftig keinerlei Aktivitäten in diesem Umfeld. Trotz dieser ernüchternden Zahl geht der Marktforscher davon aus, dass das Thema mobile Computing künftig eine wichtigere Rolle in den IT-Abteilungen der Unternehmen spielen wird. 31 Prozent der befragten IT-Verantwortlichen hätten angegeben, derzeit Projekte in Sachen Mobility zu realisieren beziehungsweise zu planen.

Laut Lars Vestergaard, Analyst von International Data Corp. (IDC), lässt das Interesse an mobilen Lösungen weiter nach. Hatten 2002 noch 30 Prozent der im Rahmen einer Umfrage interviewten IT-Manager ihr Interesse an mobilen Projekten bekundet, waren es im vergangenen Jahr nur noch 15 Prozent. "Dieser Schwund ist auch auf leere Versprechungen der IT-Anbieter zurückzuführen", moniert der Marktforscher. Vielfach sei es nicht gelungen, die Vorteile mobiler Lösungen in der Praxis umzusetzen. Allerdings liege nicht alle Schuld auf Anbieterseite: Auch wegen der nach wie vor knappen IT-Budgets werde das Thema Mobility von den Anwendern oft nachrangig behandelt.

RoI bleibt eine Herausforderung

Scheer führt die Zurückhaltung gegenüber IT-Projekten im mobilen Umfeld auf die in den vergangenen Jahren allgemein herrschende Verunsicherung im Markt zurück. Er gehe davon aus, dass, sobald die IT-Investitionen wieder fließen, auch vermehrt Geld in Vorhaben zur Mobilisierung der Firmen gesteckt werde. "Die RoI-Argumentation bleibt allerdings eine wesentliche Herausforderung", erläutert Scheer das Dilemma vieler IT-Verantwortlicher. Einerseits forderten die Anwender im Unternehmen zunehmend der Einsatz mobiler Techniken. Andererseits stagnierten die IT-Budgets.

Außerdem sei die technologische Entwicklung im Bereich des mobile Computing noch vielen Veränderungen unterworfen, ergänzt Scheers Kollege Wolfram Funk, Senior Consultant der Meta Group. Firmen müssten davon ausgehen, dass die jetzt eingesetzten Technologien in zirka drei Jahren das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben und dann ersetzt werden müssten. "Daher sollte heute zwar ein strategischer Ansatz verfolgt werden, die Projekte sollten aber zunächst selektiv angegangen werden, wobei die Realisierung des RoI innerhalb von 18 bis 24 Monaten anzustreben ist", rät Funk den Anwendern.

Hersteller profitieren von kurzen Zyklen

Von den rasch aufeinander folgenden Technologiezyklen profitieren in erster Linie die IT-Anbieter. So wurden im ersten Quartal 2004 laut IDC-Zahlen in Deutschland 45 Prozent mehr Notebooks verkauft als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Mittlerweile gehen hierzulande mehr als 40 Prozent des gesamten PC-Marktes auf das Konto von mobilen Systemen. Das Wachstum wird sich nach Einschätzung der Marktforscher auch in den nächsten Jahren fortsetzen.

Steigende Absatzzahlen verzeichnen auch die Handy-Hersteller. So legte der weltweite Markt für Mobiltelefone laut IDC im ersten Quartal 2004 um 29,3 Prozent auf insgesamt 152,7 Millionen verkaufte Geräte zu. Auch hier dürfte sich an den steil nach oben weisenden Wachstumskurven so schnell nichts ändern. Für das laufende Jahr gehen die Marktforscher von weltweit 1,5 Milliarden Handy-Nutzern und knapp 600 Millionen verkauften Mobiltelefonen aus.

Doch nicht alle Branchen können von der starken Nachfrage nach mobilen Rechnern profitieren. So verzeichnete beispielsweise der weltweite Handheld-Markt IDC zufolge im ersten Quartal 2004 mit 2,2 Millionen verkauften Geräten einen Rückgang gegenüber dem Vorjahresquartal um 11,7 Prozent. Die Analysten gehen davon aus, dass Kunden künftig weniger reine Personal Digital Assistants (PDAs) kaufen werden, sondern vermehrt dazu übergehen, sich Smartphones beziehungsweise Handhelds mit Funkschnittstelle anzuschaffen.

Die Vorlieben der Anwender für bestimmte Gerätekategorien scheint den Herstellern zumindest teilweise Probleme zu bereiten. Die Bandbreite der zur Verfügung stehenden Technologien sowie die verschiedensten Funktionen lassen zumindest theoretisch eine Vielzahl unterschiedlicher Geräte zu. Welcher Kombinationstyp letzten Endes von den Nutzern akzeptiert wird, darüber tappt so mancher Anbieter noch im Dunklen. Erfolg und Misserfolg liegen hier nah beieinander.

Blackberry erfüllt Manager-Träume

Die Wünsche der Manager scheint Research in Motion (RIM) genau getroffen zu haben. Das kanadische Unternehmen vertreibt mit dem "Blackberry" einen mobilen Westentaschenrechner, der sich sowohl als E-Mail-Client und Handy nutzen lässt als auch Personal-Information-Management (PIM)-Funktionen wie Terminkalender oder elektronisches Notizbuch übernimmt. In Management-Kreisen genießt der Blackberry mit seiner Mini-Tastatur fast schon Kult-Status. Kaum ein Meeting oder eine Vorstandssitzung vergeht, ohne dass zwischendurch schnell ein paar E-Mails über die elektronische "Brombeere" verschickt oder gelesen werden.

Dagegen tut sich Microsoft mit seinem Tablet-PC-Konzept nach wie vor schwer. Nachdem Microsoft-Gründer Bill Gates die für handschriftliche Eingaben auf einem berührungssensitiven Display konzipierten Mobilrechner im November 2002 noch als Revolution des Mobile Computing vorgestellt hatte, müssen die Verantwortlichen mittlerweile ihre hochgeschraubten Erwartungen deutlich zurückdrehen. Nicht einmal ein Prozent beträgt IDC zufolge der Anteil der Tablet-PCs am europäischen Notebook-Markt.

Trotzdem will der Softwarekonzern aus Redmond an seinem Konzept festhalten. Viele Unternehmen hätten 2003 die neue Produktkategorie mit einigen wenigen Testgeräten evaluiert, wiegeln die verantwortlichen Manager ab. Größere Roll-outs seien daher erst im laufenden Jahr zu erwarten. Zusätzlichen Schub verspricht sich Microsoft durch verbesserte Hardware der Partner sowie ein überarbeitetes Betriebssystem, das unter dem Codenamen "Lonestar" seit Jahresbeginn verfügbar ist.

Für die IT-Administratoren in den Unternehmen wird das Leben mit den sich ständig wandelnden Techniken nicht gerade einfacher. Ihnen fällt die undankbare Aufgabe zu, den mobilen Wildwuchs, der sich in Form verschiedenster Geräte wie Notebooks, Handhelds und Smartphones in der Firmen-IT breit macht, zu bändigen und in die Backend-Systeme zu integrieren. Neben den unterschiedlichen Gerätentypen gilt es dabei auch, verschiedenste Kommunikationsstandards wie GSM, GPRS, UMTS und WLAN-Techniken zu berücksichtigen.

Gerade im WLAN-Umfeld bereiten die rasch aufeinander folgenden Technologieschritte den IT-Verantwortlichen Kopfzerbrechen. So gibt es beispielsweise für die etwa ein Jahr alten 54 Mbit/s schnellen IEEE-Standards 802.11a und g schon die ersten Modifikationen, die unter den Kürzeln "Super A" und "Super G" eine doppelt so hohe Datentransferrate versprechen. Einziger Wermutstropfen: Die Technik ist nicht als Standard definiert. Wer die schnellere Technik nutzen will, muss sowohl im Access Point als auch auf der Client-Seite Geräte eines Herstellers einsetzen.

Viele Anwender haben in den vergangenen Jahren wegen der Anlaufschwierigkeiten von UMTS und der noch in den Kinderschuhen steckenden WLAN-Technik ihre mobilen Endgeräte mit Hilfe der herkömmlichen GSM-Technik an die Backend-Systeme angebunden. Die notwendigen Applikationen wurden mit großem Aufwand an die schmalbandige Datenübertragung angepasst. Der Großteil der Anwender ist mit den auf dem Wireless Application Protocol (WAP) basierenden Lösungen zufrieden. Zusätzliche Investitionen, um die mobile Infrastruktur nach relativ kurzer Zeit für einen neuen Übertragungsstandard umzukrempeln, dürften die wenigsten ihren Finanzvorständen entlocken können.

Viele mobile Devices sind schlecht gesichert

Neben den unterschiedlichen Techniken in Sachen Geräte und Übertragungsstandards besitzt das Thema Sicherheit oberste Priorität. Laut einer Untersuchung des Marktforschungsinstituts Gartner vom März dieses Jahres sind rund 90 Prozent der im Umlauf befindlichen mobilen Endgeräte nur unzureichend geschützt. Die zunehmende Mobilisierung bedeute den größten Wandel der vergangenen zehn Jahre, wie mit Unternehmensdaten umgegangen werde, erläutert John Girard, Research Vice President von Gartner. "Mit diesem Wandel kommen aber auch neue Bedrohungen." Unternehmen müssten die Strategien entwickeln, um dieser Probleme Herr zu werden. Dazu gehöre beispielsweise, alle mobilen Endgeräte in das zentrale IT-Management zu integrieren. Ferner müssten Anwender entsprechende Tools für die Absicherung und Verwaltung sowohl auf der Client-Seite als auch im Backend implementieren.

Sicherheitsbedenken blockieren Anwender

Auch für die Meta-Group-Analysten bleibt das Thema Security eine große Herausforderung. Erst wenn die Bedenken der Anwender ausgeräumt seien, würden auch verstärkt geschäftskritische Applikationen und Daten mobilisiert. Derzeit liege der Hauptfokus vieler mobiler Initiativen auf dem Personal Information Management (PIM), analysiert Funk. Lediglich in einzelnen Bereichen wie Vertrieb und Außendienst existierten punktuelle Anbindungen von Unternehmensanwendungen wie Enterprise Resource Planning (ERP), Customer Relationship Management (CRM) und Business Intelligence (BI).

Derzeit werde die Anwendungsintegration noch ein wenig stiefmütterlich behandelt, monieren die Mets-Group-Analysten. Rund 65 bis 80 Prozent der Projektressourcen für mobile Vorhaben wendeten die IT-Verantwortlichen für die Integration der verschiedenen Komponenten auf. Dabei müssten in aller Regel auch die Dienste teurer externer Serviceanbieter in Anspruch genommen werden.

Integrationsaufwand ist immer noch zu hoch

Auch IDC-Analyst Vestergaard kritisiert den nach wie vor hohen Integrationsaufwand für vertikale Anwendungen in die Backend-Systeme. "Bei solchen Projekten liegen die Hürden wesentlich höher als bei horizontalen Lösungen." Außerdem hätten die großen Applikationsanbieter wie SAP, Oracle oder Peoplesoft bislang zu wenig getan, um ihre Anwendungen zu mobilisieren. Vestergaard empfiehlt den Anwendern, ihre Anforderungen im Vorfeld genau zu sondieren und die gewünschte Effizienz mobiler Anwendungen zu prüfen.

Obwohl sich die Situation in Sachen Integration laut den Meta-Group-Analysten in den nächsten Jahren verbessern wird, werden Anwender erst ab 2007 mobile Techniken routinemäßig in ihre Firmenstrategie integrieren. Die Meta Group empfiehlt den Nutzern dabei, frühzeitig "Mobility Policies" zu entwickeln und im täglichen Firmengeschäft zu verankern. Treffen die Prognosen der Marktforscher ein, könnte der deutsche Markt für mobile Lösungen und Dienstleistungen in den nächsten Jahren deutlich zulegen. Nach einem Umsatz von etwa 2,9 Milliarden Euro im vergangenen Jahr versprechen die Analysten für das Jahr 2006 Einnahmen von rund 4,4 Milliarden Euro. Das entspricht einem jährlichen Wachstum von immerhin 15 Prozent.

Abb: Einsatz mobiler Lösungen in Deutschland

Laut einer Umfrage der Meta Group unter 158 deutschen Unternehmen haben 42 Prozent der Befragten weder eine mobile Lösung im Einsatz, noch planen sie entsprechende Projekte. Quelle: Meta Group