Kosteninformationen im CIM-Konzept (Teil 1)

Integration: Datentransfer mit Rückfahrkarte

24.10.1986

Der Konstrukteur weiß häufig nicht, welche Kostenwirkung sein Handeln zeitigt. Die Folge: Vieles wird zu teuer. Deshalb sollten gerade technische Entscheidungen CAD/CAM-Daten-durch betriebswirtschaftliche PPS-Informationen unterstützt werden, meint Petra Karnbrock in ihren Überlegungen zu einem gewandelten Kostenbewußtsein.

Wechselnde Absatzmärkte, sich verschärfender Wettbewerb, rasch fortschreitende Entwicklungen der Technologie, kundenspezifische Produktanforderungen und Kostensteigerungen zwingen zu Maßnamen der Produktivitätssteigerung, Erhöhung und Flexibilität und der Qualitätsverbesserung von Produkten. In der Konsequenz bedeutet dies: steigende Nachfrage nach hochwertigen und auf spezifische Aufgaben optimierte Produkte zu niedrigen Preisen. Wo aber liegen die Hindernisse, um diese Ziele zu erreichen?

In der Vergangenheit erzielte Produktivitätssteigerungen wurden vornehmlich durch Verbesserungen der Fertigungstechnologie erreicht. Eine Weiterentwicklung dieser Technik bringt bei hohem Aufwand nur geringen Nutzen. Die Rationalisierungsreserven der Fertigung liegen künftig in der Verbesserung der Fertigungsorganisation. Die mangelhafte Nutzung des Produktionsfaktors Information verhindert, daß Flexibilität und Transparenz des Betriebsgeschehens erzielt werden.

Die heutige Situation in der Industrie ist dadurch gekennzeichnet, daß einige Funktionsbereiche keine DV-Unterstützung erfahren oder nur durch "Insellösungen" DV-mäßig abgedeckt sind. Wirkliche Erfolge sind aber erst dann zu erzielen, wenn ein entsprechendes innerbetriebliches

Informations- und Lenkungssystem geschaffen wird, in dem der Informationsfluß uneingeschränkt und ohne Engpaß möglich ist.

Der Schlüssel zu einer höheren Produktivität liegt hier im Netzverbund einzelner Insellösungen und führt unter Berücksichtigung der Bereiche Entwicklung, Konstruktion, Fertigungsplanung und -steuerung sowie Disposition zu CIM (Computer Integrated Manufacturing)

CIM ist ein strategisches Langzeitkonzept und kein Produkt, das man kaufen kann. Der philosophische Streit um eine einheitliche CIM-Definition indes führt zu nichts. CIM ist in einem arbeitsintensiven Prozeß individuell in jedem Unternehmen zu entwickeln.

CIM muß aufbauen auf dem gewachsenen Stand der DV-Anwendungen. Mit Hilfe von Integrationswerkzeugen und vorhandenen oder neuartigen CIM-Bausteinen kann CEM Stück für Stück realisiert werden.

Die einzelnen Elemente des CIM-Systems sind die DV-unterstützten Verfahren zum Entwurf (CAD), zur Fertigung (CAP), zur Produktionsplanung und -steuerung (PPS), zur Herstellung von Produkten (CAM) und zur Planung und Durchführung der Qualitätskontrolle (CAQ) (vergleiche Bild 1). Der Baustein Computer Aided Engineering (CAE) ist in diesem Zusammenhang der Oberbegriff für die Komponenten CAD und CAP.

Kristallisationskerne zukünftiger CIM-Systeme

CIM auf der grünen Wiese ist die seltene Ausnahme. Normalerweise sind in jedem Unternehmen bereits Kristallisationskerne für CIM vorhanden. Oft findet man im Produktionsbereich- ein technisches und im kaufmännischen Bereich ein betriebswirtschaftliches DV-System, die sich gegenüberstehen mit CAD/ CAM auf der einen und PPS auf der anderen Seite. Das CIM-Konzept muß folglich diese beiden Hauptkomponenten integrieren.

Mit CAD wird die rechnergestützte Herstellung technischer Zeichnungen, Konstruktionsberechnungen, Simulationen, Arbeitsplänen, Stücklisten und NC-Steuerinformationen möglich. Neben der Entlastung des Konstrukteurs durch Routinetätigkeiten, bessere Kontrolle technischer Änderungen und Kostensenkung für Zeichnungserstellung und

-aufbewahrung stellt insbesondere die Verkürzung der

Auftragsdurchlaufzeit eine erhebliche Rationalisierung dar, die durch CAD erreicht werden kann.

Mit der Entwicklung von CAD-Systemen steht der Konstruktionsbereich heute an einem Wendepunkt von der manuellen zur maschinellen Bearbeitung seiner Aufgaben. Von vielen Neuanwendern wird der Fehler gemacht, CAD als ein reines Konstruktionshilfsmittel im Sinne eines elektronischen, intelligenten und modernen Reißbrettes anzusehen. Es ist aber ein DV-System, das die Möglichkeiten zum Datenaustausch bietet. Wenn beispielsweise die Arbeitsvorbereitung ein mit CAD konstruiertes Werkstück als Plotterbezeichnung erhält, um daran die weiteren Planungen vorzunehmen, so ist dies schlichtweg die Verhinderung möglicher weiterer Effizienzverbesserung.

Stücklistendaten und Daten der NC-Programmierung bilden die Grundlage für die automatische Fertigung mit automatischem Transport, das Lager mit automatischen Be- und Entladeeinrichtungen, die Vorfertigung mit numerisch gesteuerten Maschinen und automatisierten Fertigungseinrichtungen, die Montage mit Robotereinsatz von CAD und CAM zu CAD/CAM wird vielfach als Vollzug des CIM-Gedankens verkauft. Es ist aber nur ein erster Schritt in die richtige Richtung.

PPS bildet die organisatorische Basis der technischen Auftragsabwicklung nach Art, Menge, Terminen und Kosten. Als betriebswirtschaftliches Informationssystem umfaßt es die Stammdatenverwaltung, die Vorkalkulation, die Fertigungsauftragsverwaltung, die Arbeitspapiererstellung, die Nachkalkulation etc..

PPS ist ein echtes Planungs- und Steuerungsinstrument. Es unterstützt den Arbeitsvorbereiter und liefert ihm Entscheidungsgrundlagen und umfassende Informationen. Auf Basis von Stücklisten und Arbeitsplänen werden vom PPS der Primärbedarf, die Kalkulationsdaten, die Kapazitätsterminierung oder auch die Lagerbestände ermittelt. In der heutigen Unternehmenspraxis hat in denjenigen Teilbereichen, die dem PPS zugeordnet sind, der Einsatz von DV die größte Verbreitung gefunden. Zentrale DV-gestützte PPS-Systeme sind aber dadurch gekennzeichnet, daß die gesamte Software zur Abwicklung der PPS-Funktionen und die zugehörigen Daten auf einem Rechnersystem implementiert sind, das jedoch CAD meist nicht mit umfaßt.

Die im CAD erstellte Stückliste spielt in diesem Zusammenhang jedoch eine entscheidende Rolle. Die heute übliche manuelle Eingabe der Stückliste in ein PPS-System ist zukünftig durch eine gemeinsame Datenbasis mit dem CAD/CAM-System abzulösen.

Hierdurch wird die CAD/CAM-Kopplung zumindest in einer Richtung geschaffen. Der weitaus wichtigere Datenfluß in der Gegenrichtung bleibt unberücksichtigt. Doch gerade hier sind durch die verzugslose Bereitstellung von Kosteninformationen am Konstruktionsarbeitsplatz Kostensenkungseffekte in beträchtlichem Umfang möglich.

Der Konstrukteur oder Entwickler weiß heutzutage meist nicht, welche Kostenwirkung sein Handeln hat. Mit der Folge, daß vieles viel zu teuer ist.

Die bisherigen Ausführungen zeigen den engen Beziehungszusammenhang zwischen dem primär betriebswirtschaftlich ausgerichteten System zur Produktionsplanung und -steuerung und dem technisch-orientierten CAD/CAM-System. Gerade in einer Integration beider Systeme auf Basis der gemeinsamen Nutzung von Grunddaten für Stücklisten, Arbeitsplänen und Betriebsmitteln liegen erhebliche Produktivitätsreserven.

Um aber diese erreichen zu können, sind schon in der Entwurfsphase eines Produktes die folgenden Zugriffe auf Daten notwendig:

- Zugriff auf die vom PSu verwendeten Grunddaten des Fertigungsbereiches,

- Zugriff auf Betriebsmittel und Werkzeugdaten;

- Zugriff auf Kapazitätsdaten und Lagerbestände;

- Zugriff auf Kosten und Beschaffungsinformationen.

Doch heute steht in der Computerindustrie die Kopplung der technischen Bereiche im Vordergrund. So ist in einigen am Markt angebotenen Softwarepaketen die Übertragung der Stammdaten vom CAD/CAM zum PPS realisiert.

Probleme dagegen bereitet die Unterstützung der technischen durch betriebswirtschaftliche Entscheidungen, das heißt der Rückfluß der PPS-Daten zum CAD/CAM. Versuche in dieser Richtung erfolgen nur sehr verhalten, da die Bedeutung der Unterstützung technischer Entscheidungen durch betriebswirtschaftliche Informationen nicht erkannt wird.

Aber insbesondere die Kosteninformationen bilden eine wichtige Entscheidungsbasis, -um die gesamten Produktkosten zu beeinflussen. Die Abbildung 2 verdeutlicht, daß Kosteninformationen im Mittelpunkt des Betriebsgeschehens stehen. Insbesondere die Bereiche der Projektierung und Angebotserstellung, die Produktplanung und die Konstruktion und Entwicklung beeinflussen die Kostenauswirkungen.

Es ist gerade die starke DV-Unterstützung im Bereich der Konstruktion, die die Möglichkeit zur Berechnung einer Vielzahl von Konstruktionsalternativen und damit zur Optimierung der zu treffenden Entscheidungen über Materialeinsatz und Fertigungsverfahren bietet. Aber erst durch die Kostendaten (zum Beispiel über Material oder Arbeitsverfahren) wird eine effektive Beurteilung der möglichen Konstruktionsvarianten gewährleistet.

Grundgedanke ist, durch eine gezielte Beeinflussung der Kostenfestlegung in der Konstruktion, Produktionskosten zu bewirken. Denn der Anteil der in der Konstruktion festgelegten Kosten beträgt 70 bis 80 Prozent der gesamten Produktkosten. Dieser Sachverhalt ist vielen Unternehmen zwar bekannt, doch fehlten bislang konkrete Ansatzpunkte, wie Kostensenkungsmaßnahmen am Produkt durch den Konstrukteur durchgeführt werden können, sieht man einmal von der Verwendung der Wertanalyse oder sogenannter Relativkostenkataloge ab.

Die Integration von PPS-Daten in ein CAD/CAM-System, wie sie durch das CIM-Konzept angestrebt wird, ist ein geeigneter Ansatzpunkt für Produktkostensenkungen durch gezielte Kostenfestlegung und führt zu mehr Kostenbewußtsein beim Konstrukteur. Grundidee ist, daß der Konstrukteur durch leicht verfügbare Kosteninformationen in die Lage versetzt wird, eine gezielte Kostenbeeinflussung vorzunehmen. Aus diesem Grund ist es erforderlich, Kosten bei den Gestaltungsvorgängen zu nutzen.

Bild 3 zeigt beispielhaft (nach Prof. August-Wilhelm Scheer, Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik des Saarlandes in Saarbrücken), wie der Dialogablauf einer Konstruktion funktionieren kann. Die Kalkulation ist hier in den Entscheidungs prozeß eingebettet. Gleichzeitig können Ergebnisse der Materialwirtschaft mit hinzugezogen werden.

Gerade im Hinblick auf die Bedeutung der Konstruktion als relativ größter Kostenverursacher kommt den Kostendaten im Datenfluß von PPS zu CAD/CAM eine entscheidende Funktion zu. An die CAD/CAM-Funktionen sind betriebswirtschaftliche Entscheidungen heranzutragen, die in diesen Bereichen üblicherweise zumeist faktisch getroffen werden, ohne daß sich die Verantwortlichen der betriebwirtschaftlichen Konsequenzen bewußt sind.

In der Fortsetzung zu diesem Thema wird an einem Beispiel die Möglichkeit für eine Integration der Kosteninformationen in eine CAD/ CAM-PPS-Kopplung erläutert.

Diplom-Ökonomin Petra Karnbrock fertigte zu dem Thema Kosteninformationen im CIM-Konzept eine Diplomarbeit an und ist bei der Scientific Consulting Dr. Schulte-Hillen BDU in Köln tätig.