Installationen beim Anwender werden komplexer Der Profimarkt verlangt von PC-Haendlern Neuorientierung

27.05.1994

SANKT AUGUSTIN - Seit mehr als einem Jahr teilt sich der PC-Markt mit zunehmender Geschwindigkeit in zwei Segmente. Auf der einen Seite verzeichnen die Low-price-Direktvertreiber ein rasantes Wachstum. Auf der anderen Seite nimmt die Komplexitaet der PC- Installationen bei den Anwendern stetig zu. Das bietet Chancen fuer serviceorientierte Systemhaeuser.

Immer wieder konnte man in den letzten Monaten lesen: "Die Haendler zwischen den Fronten", "Der Direktkanal wird schneller wachsen", "Ohne Vertrieb und Marketing laeuft nichts". Die daraus folgende Empfehlung an die Haendler, sich auf die chancenreichen Markt- und Anwendungsbereiche zu konzentrieren, wird zwar haeufig mit Kopfnicken quittiert, aber nur sehr selten in die Tat umgesetzt. Die zur Zeit hohe Insolvenzquote der PC-Haendler (etwa zwei pro Tag) resultiert aus der Tatsache, dass der Vertrieb von Hardware und Standardsoftware ueber den normalen Handel (jedenfalls in hoeheren Stueckzahlen) zu teuer ist. Die konkurrierenden Direktvertreiber werden weiterhin stark expandieren koennen.

Andererseits waechst die Zahl der in Unternehmen eingesetzten PCs immer noch und mit ihr die Komplexitaet der Installationen. Das schafft Chancen fuer die marktorientierten Unternehmen der Branche. Man muss immer wieder daran erinnern, dass nur etwa 14 Prozent der PC-Investitionen in Hardware und Standardsoftware fliessen. Der ueberwiegende Aufwand wird durch Anwendungs- und Komplexitaetsprobleme verursacht, etwa in den Bereichen:

- Organisation,

- Projektmanagement,

- Wartung,

- Netzinstallation und -management,

- Benutzerservice,

- Schulung sowie

- Programmierung und Software-Anpassung.

Hier liegt schon seit laengerem der eigentliche Markt fuer PC-Handel und Systemhaeuser. PC-Haendler, die den Wandel in Richtung Systemhaus eingeleitet oder schon vollzogen haben, wachsen mit Serviceangeboten in den genannten Bereichen noch sehr profitabel. Fuer alle anderen Haendler ist Eile geboten. Die haeufig beschworene Marktbereinigung wird auf absehbare Zeit nicht eintreten. Der Nachschub an hoffnungsvollen, technikglaeubigen und -orientierten Jungunternehmern scheint endlos zu sein.

Der Wettbewerb um den Profimarkt wird seit einem Jahr zunehmend haerter, weil fest im Markt etablierte Haendler wie Vobis und Escom, nachdem sie sich im Low-price-Bereich ein glaenzendes Entree, ein phantastisches Wachstum und einen unglaublichen Bekanntheitsgrad verschafft haben, nun systematisch den komplexen Profimarkt angehen. Dies nicht nur mit eigenen PCs, sondern auch mit den Produkten bisheriger Marktfuehrer wie Apple, Compaq und IBM.

Eine solche Neuausrichtung allein garantiert natuerlich noch lange nicht den Erfolg. Der Lehrsatz "All business is local" gilt ganz besonders fuer das Geschaeft rund um den PC-Service. Das haben alle "Remote-Versuche" - zum Beispiel von Dell - klar gezeigt. Vor Ort spielt die Musik. Deshalb ist der Schritt von Vobis und Escom nur folgerichtig und rechtzeitig, denn der Konkurrenzdruck der Markenhersteller durch preiswerte PCs in allen anderen Vertriebskanaelen steigt gewaltig.

Escom begann mit der Gruendung seiner Servicetochter Cube schon Anfang 1993 die Entwicklung zum Systemhaus und machte im Herbst mit der Uebernahme der Firma Laserprint einen weiteren Schritt in diese Richtung. Weitere Vorort-Aktivitaeten (zum Beispiel ueber Franchising) sind nur konsequent. Vobis entwickelte die Systemhausaktivitaeten erst relativ spaet. Noch Mitte 1993 setzte man voll auf Preisfuehrerschaft und den Erfolgsfaktor Logistik. Auf der letztjaehrigen Systems warb man die ersten Systemhauspartner. Das Interesse und der Zulauf waren sofort relativ gross.

Systemhaeuser koennen kaum auf Preisfuehrerschaft setzen. Sie muessen Service und Qualitaet in den Markt tragen. Aehnliche Erfahrungen haben im uebrigen die Ketten Computerland und HOC machen muessen. Gute Partner im Systemhausgeschaeft sind nicht leicht zu finden. Die Zahl derer, die nach dem letzten Strohhalm greifen, ist gross. Der Qualitaetsmassstab ist jedoch bei der Autorisierung von entscheidender Bedeutung, weil die Qualitaet der einzelnen Ketten- (Mit)glieder das Gesamtniveau wesentlich beeinflusst.

Zusaetzlich haben viele etablierte Systemhaeuser ausgepraegte Vorbehalte vor der Kooperation mit einem bisherigen Discounter. Systemhaus und Niedrigstpreise passen nun einmal nicht zusammen. Es kommt also wesentlich darauf an, neben strengen Qualitaetskriterien Anreize zu bieten und das Konzept zu verkaufen. Die straffe Einbindung der Partner (mit Verpflichtungen) in ein einheitliches Marketing- und Servicekonzept ist die Grundvoraussetzung fuer eine dauerhafte, erfolgreiche Etablierung im DV-Markt. Grosskunden wollen starke Partner, die kundenorientiert sind und Projekte realisieren koennen.

PC-Haendler, die Kunden immer noch ueber den Preis gewinnen wollen, haben jetzt ihre letzte Chance, ihre Unternehmen zu Dienstleistern zu entwickeln und mit Services profitable Geschaefte zu machen.