Rechtsforum für Freiberufler

Insolvenzantrag reicht nicht für Kündigungsrecht aus

10.04.2013

Kundenschutzklausel

Frage: Ich habe das vermittlete Projekt selbst gefunden und nur auf der Anforderung vom Kunden zum Lenroxx gegangen, somit hat Lenroxx nicht wirklich Vermittlungsdienst geleistet. Ist die
Kundenschutzklausel in meinem Vertrag mit Lenroxx, die sagt, dass ich innerhalb sechs Monate nicht über Dritte oder direkt Verträge mit dem Endkunde schließen darf, trotzdem wirksam?

Rechtsanwalt Oliver Stöckel: „Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kundenschutzklausel kommt es nicht in erster Linie darauf an, wie es zum Projektvertrag kam. Die Kundenschutzklausel ist m.E. nicht schon deshalb unwirksam, weil das Projekt nicht von Lenroxx für Sie aufgefunden wurde, sondern Sie umgekehrt das Projekt gefunden haben und der Kunde gefordert hat, dass das Projekt über Lenroxx abgewickelt wird.

Rechtsanwalt Oliver Stöckel hat selbst schon als IT-Freiberufler gearbeitet.
Rechtsanwalt Oliver Stöckel hat selbst schon als IT-Freiberufler gearbeitet.
Foto: Stöckel

Bei Kundenschutzklauseln muss man zwischen vertraglichem und nachvertraglichem Kundenschutz unterscheiden. Eine Klausel, wonach der Freie Mitarbeiter während des noch bestehenden Vertrags mit dem Vermittler nicht direkt "am Vermittler vorbei" einen eigenen Vertrag mit dem Kunden abschließen und auf dieser Grundlage für den Kunden tätig werden darf, ist im Allgemeinen ohne Weiteres wirksam.

Strengere Voraussetzungen gelten aber für eine nachvertragliche Kundenschutzklausel. Jedenfalls auf wirtschaftlich abhängige freie Mitarbeiter, die in ihrer Stellung insoweit mit kaufmännischen Angestellten vergleichbar sind, wendet der BGH in ständiger Rechtsprechung die §§ 74 ff. HGB analog an. Das bedeutet dann u.a., dass eine nachvertragliche Kundenschutzklausel, die jedenfalls im Regelfall als nachvertragliches Wettbewerbsverbot im Sinn von § 74 HGB darstellt, das nach dieser Norm nur wirksam ist, wenn es schriftlich vereinbart ist und der Vertrag außerdem als Gegenleistung für den nachvertraglichen Kundenschutz eine Karenzentschädigung in Höhe mindestens der Hälfte des üblichen monatlichen Honorars des freien Mitarbeiters pro Monat des nachvertraglichen Kundenschutzes vorsieht (siehe z.B. BGH, Urt. v. 10.04.2003, Az. III ZR 196/02).

Entscheidend ist dabei allerdings die wirtschaftliche Abhängigkeit, die "durch Beurteilung aller erkennbaren objektiven Umstände des Einzelfalls gerichtlich festzustellen ist" (OLG Dresden, Urt. v. 13.09.2011, Az. 5 U 236/11). Fehlt diese, kommt aber im Einzelfall immer noch eine Unwirksamkeit der nachvertraglichen Kundenschutzklausel nach § 1 GWB, § 138 BGB oder nach AGB-Recht in Betracht, was dann näher zu prüfen wäre (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 12.05.1998, KZR 18/97 - Subunternehmervertrag I; BGH, Urt. v. 10.12.2008, Az. KZR 54/08 - Subunternehmervertrag II). Im Rahmen dieser Prüfungen kann es dann auch eine Rolle spielen, dass Sie und nicht Lenroxx das Projekt "an Land gezogen" haben.

Frage: Die "Kundenschutzklausel" verbietet mir auch nach Vertragsende noch x Monate (bzw. verpflichtet mich zur Zahlung einer Vertragsstrafe), wenn ich im gleichen Projekt bzw. beim
gleichen Kunde direkt oder über einen anderen Dienstleister / Personalvermittler weiterarbeite. Ist unter dem Gesichtspunkt der Unsicherheit der Bezahlung auch nach dem Stichtag 21./22.03.2013
überhaupt zumutbar, noch länger bei der Reutax zu bleiben? Hat der Insolvenzverwalter hier überhaupt Chancen, solche Forderungen vor Gericht durchzusetzen?

Rechtsanwalt Oliver Stöckel: „Man wird hier zunächst einmal prüfen müssen, ob im konkreten Einzelfall die nachvertragliche Kundenschutzklausel überhaupt wirksam ist. Ist das nicht der Fall, kann Reutax/Lenroxx sich auch nicht auf diese berufen und auch keine Vertragsstrafe wegen Verletzung der nachvertraglichen Kundenschutzklausel verlangen. Wenn allerdings die nachvertragliche Kundenschutzklausel grundsätzlich wirksam ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Insolvenzverwalter bei einem Direktvertrag mit dem Kunden unter Verstoß gegen den nachvertraglichen Kundenschutz ggf. versuchen wird, eine Vertragsstrafe geltend zu machen, weil der Insolvenzverwalter grundsätzlich verpflichtet ist, alle (aus seiner Sicht bestehenden) Forderungen der Schuldnerin einzutreiben, um möglichst viel Masse für die anschließende Gläubigerbefriedigung zu generieren. Hier besteht meines Erachtens also durchaus ein gewisses Risiko.“