Innovation braucht ein solides Fundament

25.10.2007
Kein Unternehmen würde die Innovationsvorschläge einer IT-Organisation annehmen, die keinen funktionierenden IT-Betrieb gewährleisten kann. In Teil 2 unserer Serie geht es um die "Hausaufgaben" der IT.

Mindestens 80 Prozent der IT-Budgets fließen bei den Unternehmen in laufende Tätigkeiten, allen voran in das professionelle Abarbeiten von Projekten. Anlässlich der Veranstaltung "CIO-Agenda 2008: Innovation" beratschlagte ein CIO-Team darüber, wie das Tagesgeschäft effektiver und effizienter abgewickelt werden kann, damit sich mehr Freiräume für Innovationsbeiträge der IT öffnen.

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DIE CIO >>AGENDA 2008<<

Kein Luxus, sondern eine Kernaufgabe: Der Stellenwert der Innovation ist in den IT-Abteilungen rasant gestiegen, wie der gemeinsam von der computerwoche und dem Malik Management Zentrum, St. Gallen, veranstaltete Intensiv-Workshop "CIO-Agenda 2008: Innovation" zeigte. Zweieinhalb Tage nahmen sich IT-Manager aus Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branchen Zeit, um gemeinsam alle Facetten der Innovation durch IT zu erarbeiten und ganz konkrete Handlungsempfehlungen zu geben. Wir haben die Ergebnisse in dieser Serie zusammengefasst.

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"Stabile IT-Prozesse und Kosteneffizienz sind Kernaufgaben", betonte Klaus Straub, CIO von Audi. "Die Projekte müssen ins Ziel gebracht werden." Soll die IT also eine Rolle als Innovator wahrnehmen, müssen zunächst die Hausaufgaben erledigt sein. Dabei reicht aber die Kontrolle des laufenden Betriebs allein nicht aus, wie Manfred Klunk, Bereichsleiter IT bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB), feststellte: "Wir müssen unseren Blick auch nach vorne richten. Wie sieht unser Unternehmen im Jahr 2010 aus? Auch darauf müssen wir Antworten haben."

Audi-Manager Straub sieht genügend Potenzial, um Budget für Innovationen freizuschlagen. "In den Bereichen Netzwerke, Telefone, Desktops müssen wir knallhart standardisieren. Wir können da noch jede Menge Komplexität herausnehmen." Hans-Joachim Popp, CIO des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), setzte noch eins drauf: "Die Frage ist, worauf fokussieren wir uns? Wir sollten nicht die Neueinführung eines Systems feiern, sondern die Abschaltung eines alten."

In ihrer Diskussion erarbeiteten die CIOs Empfehlungen, wie ein sauberer IT-Betrieb die Grundlage für die Beschäftigung mit Innovation in Produkten und Prozessen erreichbar ist. Audi-CIO Straub drückte die Anforderung so aus: "Wir brauchen angesichts knapper Ressourcen Freiräume, um Ideen ins Unternehmen tragen. Dazu ist es nötig zu standardisieren, die Komplexität zu reduzieren, eine Sourcing-Strategie zu entwickeln und die IT-Prozesse zu professionalisieren - etwa auf Itil-Basis."

Die Empfehlungen der CIOs

Nach intensiver Diskussion einigten sich die CIOs auf folgende Empfehlungen, wie sich die Voraussetzungen im IT-Betrieb schaffen lassen, damit Innovation möglich wird:

Governance: Im Sinne eines Bebauungsplans ist eine "glasklare Governance" unerlässlich. Das Bewusstsein bei den Entscheidern im Konzern muss nach Ansicht der CIOs in dieser Hinsicht geschärft werden. "Nutzen Sie die IT-Governance, um Varianten und Komplexität zu reduzieren. Seien Sie konsequent bei ihrer Einhaltung", riet das Team. Um das Thema intern durchzusetzen, sei es nützlich, auch Negativbeispiele zu wählen, nach dem Motto: Was passiert ohne Governance?

Sourcing: Die IT muss vom Vertragsnehmer zum "Generalunternehmer" mutieren. Als zentrale Instanz, die alle Fäden zu internen und externen Lieferanten in der Hand hält, kann sie die Sourcing-Beziehungen steuern und die Zahl der Anbieter auf ein vernünftiges Maß begrenzen. Voraussetzung dafür ist eine explizite Sourcing-Strategie, in die Überlegungen eingeflossen sind wie: Was ist Kernfunktionalität, und was ist Commodity? Welche Risiken und Kosten sind mit bestimmten Systemen verbunden? Und: Wie lassen sich Zulieferer steuern?

Fokussieren und Konsolidieren sind zwingend, um die IT-Budgets zu entlasten. "Wir müssen die Nutzung vorhandener Systeme regelmäßig überwachen und veraltete Anwendungen konsequent ausmustern", forderte DLR-Manager Popp. Die IT müsse aktiver Promotor solcher "Beerdigungen" sein. Die Neueinführungen trieben die Fachabteilungen ganz von allein voran. Schon beim Going-Live einer Anwendung sollten sich CIOs mit der Fachabteilung über den Termin der Abschaltung verständigen. Life-Cycle-Management für Applikationen sei von größter Bedeutung. Popp empfahl, die vorhandenen Systeme immer wieder bezüglich einer angepassten Sourcing-Strategie zu bewerten. "Je reifer eine Technologie ist, umso weniger können wir uns damit im Wettbewerb differenzieren. Und dann wird sie zum typischen Kandidaten für eine Auslagerung."

n Flexible Strukturen und Variabilität wissen Anwender zu schätzen. Hier kann die IT-Organisation punkten und die Zufriedenheit verbessern. Nach Ansicht der CIOs lassen sich damit auch Defizite kompensieren, die möglicherweise durch Standardisierung an anderer Stelle entstanden sind. Flexibel und schnell wird die IT dann, wenn sie Entwicklungen und Veränderungen vorwegnimmt. Der Status quo in Sachen Flexibilität lasse sich am besten ermitteln, wenn man die Anpassungsfähigkeit der IT in Zeiten der Veränderung, also etwa während Restrukturierungsphasen oder Fusionen, misst.

Kommunikation, die den Fachbereichen deutlich macht, was die IT leistet, gehört schon lange zu den Kernaufgaben der IT. Die Herausforderung besteht darin, die Kunden auf der Fachabteilungsseite für die eigenen Vorschläge zu interessieren. Voraussetzung ist es, Transparenz für die Leistungen der IT herzustellen. Die Anwender müssen wissen: Was kosten Leistungen? Welchen Aufwand verursachen Incidents? Die Arbeitsgruppe empfahl einen Trick: "Schalten Sie doch einmal den Spam-Filter aus Wartungsgründen - ab und machen Sie damit deutlich, dass der gesamte E-Mail-Verkehr zu 94 Prozent aus Spam besteht!" Zur Kommunikation gehört auch die Analyse der Kundenzufriedenheit sowie die offene Risikobewertung im Gespräch mit den Anwendern, nach dem Motto: "Du wirst in zwei Monaten ein Problem bekommen!"

Nähe zum Business gehört zu den Kernanforderungen an die IT. Je stärker sich die IT-Organisation in die Prozessgestaltung einmischt, desto wichtiger wird das Business-Know-how. "Die Key-Leute müssen das Business verstehen", forderte DLR-Manager Popp. Sie sollten, gestuft nach ihren Funktionen, wissen, was in den Fachbereichen läuft. Dem Team zufolge brauchen sie Dienstleistungs-, Kunden-, Service- und Qualitätsorientierung.

Funktionierende IT-Prozesse für das Projekt- und Portfolio-Management sind der letzte und vielleicht wichtigste Aspekt in Sachen Hausaufgaben. Als De-facto-Standard für das IT-Service-Management ist die IT Infrastructure Library (Itil) akzeptiert. "Powerpoint-Visionen" identifizierte das Team in diesem Zusammenhang als schädlich, vielmehr komme es auf konkrete Umsetzung und Beispiele an. Um besser zu werden, sei es ratsam, regelmäßig "Maturity-Audits" der IT-Prozesse vorzunehmen, also herauszufinden, wo die Qualität schon stimmt und wo Verbesserungspotenzial ist.

Hausaufgaben, und dann?

All diese Maßnahmen bedeuten jedoch noch nicht, dass nun die Innovation mit der Tür ins Haus fällt. "Mein Kollegen hätten genügend Freiräume", sagte ein CIO, "aber ich muss alles selbst anschieben. Ob Xen, Ajax oder Open Source, bislang lief alles über mich." Die Haltung seiner IT-Mitarbeiter sei eher reaktiv, es werde keine Verantwortung übernommen, und das Interesse gelte der vorhandenen Umgebung, nicht den neuen Dingen, die sich Horizont abzeichneten.

Ein Weg aus diesem Dilemma, so zeigte die Diskussion, könnte das Incentivieren von neuen Ideen und das Sanktionieren von fehlender Innovation sein. "Es gehört zu den Aufgaben der Manager, Innovation einzuklagen", sagte Karl Pomschar, CIO des Chipherstellers Qimonda. Seiner Ansicht nach kann man niemanden zu Ideen zwingen, allerdings ließen sich Mitarbeiter durchaus "bewegen". Bei Qimonda sei mit der unternehmensweiten Initiative "Ideas for Qimonda" (IQ) eine ganze Menge erreicht worden. Richtig sei aber auch, dass eine "kreative Idee" in manchen Unternehmen als etwas Gefährliches gesehen werde nach dem Motto: Sie haben die Realität aus den Augen verloren.

Dietmar Schröder, CIO der Hamburger Techniker Krankenkasse, hat die Erfahrung gemacht: "Innovationen kann man nicht anweisen. Aber sie lassen sich beispielsweise in den persönliche Zielvereinbarungen einfordern." Denkbar seien auch Maßnahmen mit einem spielerischen Charakter, etwa eine "Ideenolympiade": Vorschläge für Prozessverbesserungen und andere gute Ideen hätten die Hanseaten auf diese Weise heben können. Mehr dazu, wie die IT zum Initiator für Veränderungen werden kann, lesen Sie in der nächsten Ausgabe.