HDS-Chef Gerd vom Bruch im Gespräch mit der CW

"Innerhalb eines Monats löst sich das Problem HDS-Comparex"

02.11.1990

NEU-ISENBURG (zek) - Seit 1. August 1990 ist Gerd vom Bruch Geschäftsführer bei der deutschen Hitachi-Data-Systems (HDS). Vorher war er Geschäftsführer bei der Computerleasing-Gesellschaft Meridian. Er steht jetzt vor der Aufgabe, die aus der NAS hervorgegangene HDS in Deutschland zu etablieren und im Wettbewerb mit dem anderen Hitachi-Distributor Comparex zu bestehen. Gegenüber der COMPUTERWOCHE erläuterte er, wie er das PCM-Geschäft sieht und was er von der Zukunft erwartet.

CW: Herr vom Bruch, im Mainframe-Sektor hat der Marktführer IBM vor wenigen Wochen neue Geräte angekündigt. Wie wird HDS auf dieses Announcement reagierten?

Gerd vom Bruch: Nun, das Announcement selbst wird vom Markt allseits begrüßt. Jetzt hat die IBM ihre Karten endlich aufgedeckt, das wird natürlich auch von uns als PCMer begrüßt. Technologisch hat die Ankündigung sicher niemanden überrascht. IBM vollzieht hier eher nache was andere Hersteller - allen voran die Japaner - ihr vorgemacht haben. So

hat HDS schon vorfahren ihre 90 CPU-Modelle auf einer gemeinsamen Plattform vereint. Auch den Second-Level-Cache-Speicher gibt es schon lange bei uns. Zudem kann der Hitachi-Data-Systems, Kunde schon seit Jahren sein System aus der Gesamtheit von Haupt- und Erweiterungsspeicher individuell konfigurieren, nur daß unser Erweiterungsspeicher mit 2 GB immer noch doppelt SO groß ist wie der von IBM. Das können IBM-Anwender jetzt auch. Von da her war die Ankündigung keine Überraschung für uns.

CW- Aber das Glasfaser-Kanalsystem Escon hat Sie doch sicher überrascht?

Gerd vom Bruch: Auch auf Glasfaserkanäle mußte" Markt nicht bis zur Ankündigung der IBM warten. Das hieten wir unseren Kunden schon seit drei Jahren an: in der MVS-Umgebung mit 6 MB Ubertragungsrate und in der originären Hitachi-Umgebung mit 18 MB im Gegensatz zu den 10 MB von IBM. Was wir jetzt machen müssen, ist, die Escon-Protokolle nachzuvollziehen. Aber das ist das Alltagshandwerk der PCMer.

CW: Sehen Sie in dem Announcement schon die lang erwartete"Summit"-Ankündigung oder rechnen Sie hier mit weiteren Announcements?

Gerd vom Bruch: Ich glaube daß das noch nicht die komplette Summit-Ankündigung war. Aus meiner Sicht mußte die IBM zunächst einmal auf unser Announcement vom Sommer reagieren. Ohne unsere zwei neuen Top-Modelle hätte die IBM ihre ESA-Modelle 1820 und 1900 wahrscheinlich noch nicht angekündigt, denn IBM hat ja seit einiger Zeit konsequent nur das angekündigt, was auch kurzfristig lieferbar war. Früher, also vor etwa zehn Jahren, war das noch anders. Da hat die IBM öfter schon mal lange im voraus Systeme angekündigt, um den Wettbewerb zu blockieren. In der letzten Zeit gab es hie und da Auslieferungsprobleme, wie bei den 3390-Platten. Aber im großen und ganzen waren die Neuankündigungen der IBM immer innerhalb eines Vierteljahres lieferbar.

CW: Das gilt aber nur im Mainframe-Bereich. Ich denke einmal an SAA...

Gerd vom Bruch: Das ist eine ganz andere Geschichte. Aber bei der Hardware hat die IBM immer nur kurzfristig verfügbare Maschinen angekündigt. Jetzt mußte sie auf den technologischen Vorsprung der Japaner reagieren und hat Systeme angekündigt, die erst spät im Jahre 1991 verfügbar sein werden. Bei uns kann der Anwender die Top-Maschinen schon im März/ April 1991 beziehen.

CW: Sie bieten jetzt also dem Anwender leistungsfähigere Maschinen als die IBM- Aber müssen Sie dabei nicht befürchten daß mökliche Kunden nicht doch erst abwarten wollen, was die IBM letztlich Neues bringen wird und wo neue Standards der Summit liegen, die eventuell von den PCMern nicht mehr erfüllt werden?

Gerd vom Bruch: Wenn wir zurückschauen, war Angst immer ein schlechter Berater. Das Bangemachen, die IBM könnte beim nächsten Mal etwas ankündigen, was die PCMer nicht nachvollziehen könnten, hat sich seit zehn Jahren als ungerechtfertigt erwiesen. Bisher gab es keinen einzigen Punkt, bei dem die PCMer hätten passen müssen. Inzwischen ist es eher umgekehrt, daß die Japanischeu Computerhersteller IBM technologisch aus der Reserve locken. Ich bin fest davon überzeugt, daß die PCM-Anbieter auch in den nächsten 20 Jahren keine Probleme haben werden, die volle Kompatibilität zur IBM-Welt zu garantieren. Viele Anwender haben zwar aus Angst eine Entscheidung zugunsten der IBM getroffen, aber am Unvermögen der PCMer liegt das sicher nicht.

CW: Zumal die IBM es sich ja gar nicht erlauben kann, große Änderungen zu bringen.

Gerd vom Bruch: Eben, die IBM bleibt, ihrer IBM-Welt verpflichtet, auch wenn sie diese jetzt in "System/390" umbenennt. Sie muß ganz einfach den alten Bestand schützen, sie kann diesen riesigen Kundenstamm nicht ungestraft zugunsten eines totalen Technologieumbruchs aufgeben.

CW: Und wie sieht Ihr persönlicher Ausblick Mainframe-Welt für die nächsten zwanzig Jahre aus?

Gerd vom Bruch: Ich glaube nicht, daß der Mainframe aussterben wird. Zwar wird es immer leistungsstärkere Arbeitsplatz- und Abteilungsrechner

mit heutiger Mainframe-Power geben, aber dadurch sind die Anforderungen an den Großrechner eher noch höher geworden. Kein Großrechner wird auf zentrale Steuerung, zentrale Datenbanken und zeittrage Auswertung verzichten, erst recht nicht in einem globalisierten Markt. Und dafür wird man auch in Zukunft den Mainframe brauchen. Mittlerweile kehren sogar Anwender, die unter Verzicht auf den Zentralcomputer dezentralisierte Rechnerkonzepte ausprobiert haben, wieder zum Mainframe zurück. Dabei müssen in Zukunft die Netzwerke noch weiter verbessert werden. Was wir heute bei den Netzwerken sehen, das ist alles noch in den Kinderschuhen. Da müssen große Schritte gemacht werden. Aber dazu brauchen wir ein flächendeckendes Glasfasernetz von der Post oder gutfunktionierende Satellitenfunkstrecken.

CW: Seit dem 1. August 1990 sind Sie bei HDS, vorher waren Sie im Leasinggeschäft. Warum haben Sie das Leasingunternehmen Meridian verlassen?

Gerd vom Bruch: Nun, meine Arbeit dort hat mir Spaß gemacht: Immerhin war ich für die Fusion mehrerer Unternelimen zu einer der größten Leasinggesellschaften verantwortlich. Aber das Angebot von HDS hat mich gereizt. Ich stelle reich gerne der Herausforderung,

HDS zu der Marktgeltung zu verhelfen, die das Unternehmen aufgrund der Qualität seiner Produkte verdient. Dabei ist für mich angenehm, daß meine Kontakte erhalten bleiben, denn meine Kunden sind weiterhin die IBM-Großanwender.

CW: Man sagt ja allgemein, daß das Leasinggeschäft immr härter wird.

Gerd vom Bruch: Noch härter?

CW: War das für Sie ein weiterer Grund, Meridian zu verlassen?

Gerd vom Bruch: Nein, keineswegs. Bangemachen zählt bei mir nicht. Richtig ist, daß die Margen im Leasingbereich enorm geschrumpft sind. Die IBM ist hier so aggressiv wie nie zuvor. Sie hat es geschickt verstanden, ihre Kunden in langfristige Leasingverträge einzubinden. Viele Kunden können sich damit nicht mehr am Mark orientieren, manche mögen e jetzt bedauern, ihre Flexibilität aufgegeben zu haben. Darunter leiden auch die Leasinggesellschaften. Aber die großen Unternehmen in der Leasingszene werden aus meiner Sicht überleben, weil sie dem IBM-Ariwen der auf Dauer die unabhängigere Alternative bieten.

CW: Sehen Sie große Unterschiede zwischen einem Groß-DV-Hersteller europäisch-amerikanischer Prägung und einem japanischen Unternehmen wie HDS?

Gerd vom Bruch: Die meiste amerikanischen Unternehmen leiden unter kurzsichtiger Quartalsclenken. Meine Vorgänger bei NAS, dem Vorläufer von HDS, hatten nie die Chance, einlangfristiges Konzept durchzuziehen. Da war eben der Druck alle drei Monate bessere Quartalszahlen vorlegen zu müssen. Die Geschäftspolitik von HD dagegen ist auf einen weite Zeithorizont ausgelegt. Dab unterliege ich als deutscher Geschäftsführer keinerlei Einschränkungen seitens der japanischen Konzernzentrale von Hitachi. Die japanische Konzernleitung will jetzt die Kundenbasis weiter zufriedenzustellen und langfristig ausbauen.

CW: Wie groß ist denn Ihre Kundenbasis?

Gerd vom Bruch: Noch härter-@

CW: War das für Sie ein weiterer Grund, iweridian zu verlassen?

Gerd vom Bruch: Nein, keineswegs. Bangemaclien zählt bei mir nicht. Richtig ist, daß die Margen im 1,easingbei-eich enorm geschrumpft sind Die IBM ist hier so aggressiv wie nie zuvor. Sie hat es geschickt verstanden, ihre Kunden in laiigfristige Leasingverträge eiiizubinden. Viele Kunden können sich damit nicht iiiehi- am Markt orientieren, manche mögen es ,jetzt bedauern, ihre Flexibilität aufgegeben zu haben. Darunter leiden 2iucli die Leasiiiggesellscliafteii. Aber die großen Unteriieliiiieii in der Leasirigszeiie werden ans meiner Sicht überleben, weil sie dein IBM-Atiweiider auf'Dauer die unabhängigere Alternative bieten.

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Gerd vom Bruch: Die meisten amerikanischen t3iitertielitneii leiden unter kurzsichtigem Qii2ii-talsdeiikeii. Meine Vorgäiigei- bei NAS, dein Voi-läufer von HDS, hatten nie die Chance, ein langfristiges Konzept dut-chzuziehen. Da war eben der Druck, alle drei Monate bessere Quai-talszahleii vorlegen zu iiiiisseii. Die Gescliäftspolitik von HDS dagegen ist auf einen weiten Zeitliorizont ausgelegt. Dabei unterliege icl-1 als deutscher Gescliäftsführei- keinerlei Einschräiikliiigen seitens dei- japanischeii Koiizeriizetitrale von Hitachi. Die japanische Konzerlileitung will jetzt die Ktiiideiibasis weiter zuifriedenzutstellen und langfristig ausbauen.

CW: Wie grg13 ist denn Ihre Kuitdenbasis?

Gerd vom Bruch: Der derzeitige Kundenstamm ist aus meiner Sicht noch kleiner, als es das Produktspektrum von HDS verdient. Er setzt sich aus den bekannten früheren NAS-Kunden und einer erfreulichen Anzahl von Neukunden zusammen. Die Neuabscl-ilüsse ziehen seit dein IBM-Aiiiiouncement bemerkeiiswert an. Offensichtlich hat die Ankündigung den Entscheidungsstati beendet. jetzt liegen die Karten aller Mainframe-Aii. bieter auf dein Tisch"der Anwendet kann ol)jektiv wählen,

was häufiger als fi-üher zu unse-

ren Giiiisten ausgeht.

CW: Sie müssen hier in Deutsch-

laiid ?nit einem großen Hitachi-Distributor, der BASF-Siemens-Tochle)- (,omParex, konkurrieren. Die Geräte sind praktisch gleich. Ans der Sicht von Hitachi sind zahlreiche Ressourcezi hierzulande doppelt vorha?id,en, um die gleichen Systeme züi verka,ufe7z. Wird der japanische Miitterkonzer?i das noch lange mitmachen?

Gerd vom Bruch: Zwei Vertriebskanäle für das gleiche Produkt sind auf Dauer sicher nicht optimal. Das sieht HDS nicht anders als meines Wissens auch C@()inparex. Hil,achi hat sich mit der (;rüiiduiig von HDS für größere Kuiidentiähe entschieden und deshalb seinen froheren Hatiptdistributor, NAS, im vergangenen Jahr übertioiiimen. Die Nähe zum Kunden ist fÜi, die mai-ktgerechte Weiterentwicklung von Hochteclinologie heute ein uiiabdingbares Muß. Gerade japanische Unteriiehmeii bekennen sich konsequent züi diesem Grundsatz, was wir auch anderweitig beobachten können. Ich denke etwa an die ' 'bernahme von ICL durch Fu.

iitsti.

Ans meiner Sicht ist für japaiiische (',orriputerhersteller die Zeit angebrochen, in Europa

und den USA Flagge zu zeigen Da13 die Zweiteilung des euro päischen Vertriebskanals voi Hitachi auch unnötige Ressour cen verschleudert, wird auch i Tokio nicht übersehen. Sowei ich das heute beurteilen kann arbeitet man an diesem Pro blem. Ich kann mir durchau eine Lösung in den nächste zwölf Monaten vorstellen.

CW: Wie könnte so eine Läsu aussehen? Es sind da ja Inhalte ei ?ier Beraterstudie von McKinsey a die britische Presse lanciert worde wonach Hitachi-Deutschland Com parex angegliedert und (,omparex Großbritan?iien der britischen HD itnle"g ordnet wird.

Gerd vom Bruch: Genau wei ich das auch nicht. Ich möclit auch nicht zu weiteren Gerüch teii beitragen, die es- zu diese 1-hema ohnehin schon im Über maß gibt. Sicher scheint mir daß die meisten Berichte hier über auf Spekulationen beru hen.

CW: Branchenbeobachter sage da ,ß Siemens sich bereits entschl sen habe, sein Comparex-Drittel die BASF abzugeben. Sieme scheint also nicht mehr daran int essiert zu sein, diesen Anteil zu h len. Die BASF soll aber dieses Dr tel gar nicht wollen. Ein schwebe der Zustand istjedochfür beide Vernehmen schlecht. Ü@erall, wo b de Anbieter auftreten, geht die G winnniarge gegen Vull. Den i\Iutz hat der Anwender, der beide Anbi ler gegeneinander ausspielen un giinstigste Preise aushandeln kann.

Gerd vom Bruch: Nicht nur d Anwender ist Nutznießer, auc die IBM.

CW: Was geschieht mit den Anw dern von Comparex und HDS-Syst men, wenn die Lösung da ist?

Gerd vom Bruch: Wie auch i mer die Lösung aussehen nia die Kundenbasis beider Ve triebskanäle wird von Hitach auch zukünftig unterstützt.

CW: Gibt es ähnliche Überleg-unge auch im Bereich Olivetti, dem Hila, chi-Distributor in Italien?

Gerd vom Bruch: Auch da weiß ich derzeit nicht genau aber ich denke schon.

CW: Wann gibt es die nächste .N'euankündig-u,tigen von HDS?

Gerd vom Bruch: Wir werde zunächst unsere Rechnerfamili im unteren Bereich erweitern.

CW: Das ist dann die gleiche Frweileru,rw, die Comparex in den letzten Wochen angekündigt hat.

Gerd vom Bruch: Genau die Gleiche. Was das Top-end utiserer EX-Serie betrifft, haben wir derzeit keinerlei Handlungsbedarf' ' Unsere EX 310 und 410, die Top-Modelle der HDS-Familie, werden rund sechs Monate vor den IBM-Modellen zur Auslieferuiig kommen und etwa zwölf Monate vor Amdahls Rechnern. Ein Grund I'ür eine Ankündigungshektik besteht deshalb nicht. Der Markt weiß, daß Hitachi seine High-end-Systeiiie auf Erweiterung ausgelegt hat. Wenn die Zeit reif ist, wird HDS diese Expansionsmöglichkeiten freigeben. Vor dem Frühsomnier 1991 scheint mir das aber nicht notwendi zu s '