Fachkräftemangel

Ingenieure verzweifelt gesucht

27.05.2011
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Überall fehlt es an Ingenieuren - auch bei den Anbietern einschlägiger Dienstleistungen für Industrieunternehmen. Dabei sind die Verdienstmöglichkeiten bestens.
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Der sehr guten Auftragslage in der deutschen Wirtschaft können viele Unternehmen kaum noch mit eigenen Fachkräften Herr werden. "Der Wettbewerb um Talente ist heftiger als zu Zeiten des letzten Wirtschaftsbooms in den Jahren 2007 und 2008", beschreibt Hartmut Lüerßen, Partner bei der Lünendonk GmbH und Autor der Studie "Zukunft der Ingenieursdienstleistungen in Deutschland", die Lage am Arbeitsmarkt. Folgerichtig wächst der Bedarf an externen Ingenieuren. Gefragt sind insbesondere Unterstützungsleistungen in der Materialfertigung sowie in Bereichen wie moderne Fertigungsverfahren, Energieeffizienz und Elektromobilität. Da Maschinen, Autos, Produkte und Prozesse immer tiefer von Standard-IT durchdrungen sind, besteht hier eine hohe Nachfrage nach klassischem IT-Know-how. Eine Umfrage der Lünendonk GmbH unter 150 Managern aus Forschung, Produktion, Geschäftsleitungen und Einkauf in Anwenderunternehmen ergab, dass die Firmen in den kommenden drei Jahren im Mittel 9,3 Prozent mehr Hilfe von externen Ingenieursdienstleistern beziehen wollen.

Standard-IT hält Einzug

Befragt nach den wichtigsten Auswahlkriterien für Anbieter von Technologieservices nennen die Industrieunternehmen "Lieferfähigkeit" und "Technologiekompetenz". Erst an dritter Stelle reiht sich das Preis-Leistungs-Verhältnis ein. Wichtiger als die Frage nach Kosten scheint den Abnehmern derzeit, dass die externen Partner überhaupt in der Lage sind, zu helfen.

Die Skepsis ist berechtigt, denn Ingenieurdienstleister wie Altran, Alten, Industriehansa und Yacht Teccon stehen wie die Unternehmen selbst vor der Herausforderung, qualifizierte Leute zu finden. Im Zweifel entscheiden sich die Bewerber eher für einen Job direkt beim Autohersteller, Maschinenbauer oder Chemiekonzern. Die Branche der Service-Provider wird oft mit den Personaldienstleistern in einen Topf geworfen. Zu Unrecht, beschwerten sich Vertreter der Ingenieurdienstleister im Rahmen einer Veranstaltung zur Präsentation der Studie. Sie verwiesen auf die Projektvielfalt, hohe Mitarbeiterzufriedenheit und bessere Aufstiegschancen.

Gute Möglichkeiten, den Bedarf ihrer Kunden zu decken, ergeben sich derzeit dadurch, dass die klassischen Hürden zwischen den Branchen schwinden und Ingenieure dadurch flexibler vermittelbar sind. Beispielsweise können die Dienstleister Experten mit Erfahrung im Leichtbau von Flugzeugkarossen seit geraumer Zeit gut in der Automobilbranche unterbringen. Immer stärker nachgefragt werden zudem IT-Experten, weil Maschinen und Produkte künftig IP-fähig und Entwicklungsprozesse digitalisiert sind. "Die Verschmelzung von klassischem Ingenieurwissen mit IT-Know-how ist der wichtigste Trend", zitiert Lüerßen ein Ergebnis der Studie.

Entwicklung bleibt in Deutschland

Weder die Anbieter von Ingenieurdienstleistungen noch deren Abnehmer in den Anwenderunternehmen erwägen derzeit ernsthaft, dem Fachkräftemangel mit Offshoring und Nearshoring zu begegnen. Sie folgen damit nicht dem Beispiel der IT-Industrie, die seit Jahren vor allem in Asien Know-how-Zentren aufbaut. "Wir haben in Deutschland eine lange Ingenieurtradition - das gibt es beispielsweise in China noch nicht", betont Lüerßen. Strategische Projekte werden auf absehbare Zeit daher auch zukünftig in Deutschland entwickelt. Allenfalls weniger innovative Ingenieursaufgaben verlagert die Branche bis dato ins Ausland.

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Viele Unternehmen umwerben derzeit Hochschulabsolventen und Young Professionals. Auch berufserfahrene Experten bekommen ihre Chancen, aber längst nicht alle. Wer mit über 50 seinen Job verliert, muss sich auf eine anstrengende Suche und finanzielle Einbußen gefasst machen. Wie ist Ihre Meinung zum Fachkräftemangel? Wäre das Problem lösbar, wenn mehr Ältere eingestellt würden? Brauchen wir mehr Zuwanderung? Wir freuen uns auf Ihre Meinung - in unserem Online-Forum unter

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