Geheimnisträger wechseln das Unternehmen

Informix verdächtigt Oracle der Spionage

31.01.1997

"Wir gehen davon aus, daß Oracle mit Hilfe unserer Entwickler in den Besitz von Betriebsgeheimnissen kommen will", entrüstet sich Informix-Chairman und CEO Phil White. Mehr als 100 Millionen Dollar und Jahre an Entwicklungsarbeit seien in die neuen Informix-Produkte geflossen - diese Investition, die seinem Unternehmen zur Technologieführerschaft verholfen habe, werde man um jeden Preis schützen. Oracle hinke bei der Produktentwicklung hinterher und sei offenkundig darauf angewiesen, Entwickler von Informix abzuwerben.

Oracle wehrt sich vehement gegen die Vorwürfe. "Wir haben absolut kein Interesse an Geschäftsgeheimnissen von Informix", beteuert Jerry Held, Senior Vice-President der Technologieabteilung. Man habe die üblichen Schritte getan, um zu verhindern, daß die neuen Mitarbeiter Informationen mitbrächten. Die ehemaligen Informix-Entwickler hätten das Unternehmen gemeinsam verlassen und seien nicht nur bei Oracle, sondern auch bei anderen Herstellern vorstellig geworden. Oracle habe keine Informix-Technik nötig: In Punkten wie Parallelverarbeitung, Replikation oder Objekttechnik sei man dem Konkurrenzprodukt ohnehin weit überlegen.

Held erklärte, die Entwickler seien frustriert gewesen, weil es dem Informix-Management an Visionen und einer klaren Strategie gemangelt habe.

Der Gedanke, ihre Technologie mit der objektrelationalen Datenbanktechnik der Illustra Information Technologies Inc. verschmelzen zu müssen, habe ihnen nicht gerade gefallen. Informix hatte Illustra im Dezember 1995 für rund 400 Millionen Dollar übernommen.

Im Gegensatz zu den offiziellen Aussagen des Oracle-Managements, das die Verschmelzung der beiden Systeme in einem Produkt für unmöglich hält, sind Marktforscher von den technologischen Fortschritten im Hause Informix angetan. Der Hersteller habe im Produktbereich rasante Fortschritte gemacht; beim "Universal Server" handelt es sich laut Gartner Group um ein "Produkt für das 21. Jahrhundert". Es sei nur logisch, daß Oracle an bestimmten Entwicklungsressourcen von Informix interessiert sei, urteilt auch Don DePalma, Senior-Analyst bei Forrester Research in Cambridge, Massachusetts.

Unter den Mitarbeitern, die die Seiten wechselten, befand sich auch Gary Kelley, einer von mehreren Vice-Presidents in der Produktentwicklung von Informix. Er wird von seinem Ex-Arbeitgeber nun unter anderem des Vertragsbruchs sowie der Veruntreuung von Geschäftsgeheimnissen bezichtigt.

Maulkorb für Ex-Entwickler

Mit einer einstweiligen Verfügung gegen Oracle und die ehemaligen Mitarbeiter will Informix vorerst unterbinden, daß die Entwickler ihr Wissen an der neuen Wirkungsstätte einbringen können.

Oracle-Chef Larry Ellison hatte die Lawine selbst losgetreten, als er in Hongkong ausgerechnet anläßlich einer Diskussion über die Informix-Technik "Datablades" sagte: "Ich weiß nicht, ob Sie es schon gehört haben, aber wir haben soeben bekanntgegeben, daß die Informix-Entwicklungsmannschaft in Portland jetzt bei uns unter Vertrag ist." Offenbar plant Oracle, rund um diese Kerntruppe ein neues Entwicklungszentrum in Portland zu errichten.

Im Gespräch mit der CW-Schwesterpublikation "Computerworld Hong Kong" führte Ellison aus: "Die Informix-Mitarbeiter waren im Entwicklungszentrum von Portland für Replika- tion und Paralleltechniken zuständig. Wir haben dieses Team schon immer für sehr gut gehalten. Allerdings haben wir es nicht abgeworben, die Leute suchten einen neuen Job." Die Strategie von Informix, verschiedene Produkte zu verschmelzen, ist nach Ansicht des Oracle-Chefs schlicht unsinnig. Die Datablade-Technik funktioniere bis heute nicht.