Stonebraker: Neue Rolle für objektrelationale Technologie

Informix sucht Wachstum in den vertikalen Märkten

02.10.1998

Neuen Mut schöpfen die Datenbanker aus Menlo Park, Kalifornien. Nach langer Durststrecke, in der Informix Quartal für Quartal rote Zahlen schreiben mußte, konnte der Anbieter im ersten Halbjahr 1998 wieder 14 Millionen Dollar Reingewinn bei einem Umsatz von 308 Millionen Dollar erwirtschaften. Entwarnung kann der neue Chef Robert Finocchio allerdings noch keineswegs geben, zumal sich der Aktienkurs des Anbieters erst vor wenigen Tagen wieder von einer langen Talfahrt erholen konnte. Kein Vergleich freilich mit Zeiten wie dem Frühjahr 1996, als die Aktie der Kalifornier noch zwischen 30 und 40 Dollar pendelte.

Das soll sich jetzt, geht es nach Michael Stonebraker, Vice-President und "technischer Kopf" des Unternehmens, bald ändern. Die objektrelationale Technologie genießt in der strategischen Ausrichtung von Informix dabei jedoch nicht mehr den Status vergangener Tage. Während Stonebraker noch 1996, als Informix für 400 Millionen Dollar Illustra übernahm, das Hohelied der objektrelationalen Datenbanktechnik für sämtliche DV-Anforderungen moderner Unternehmen angestimmt hatte, erwartet er nun, daß sie "hauptsächlich im Multimedia-Geschäft Einzug halten wird", so der Manager.

Mit der Einführung des "Universal Server" und der Integra- tionstechnologie für nicht-relationale Dateiformate "Datablades" werde ein neues Kapitel der Datenbank-Geschichte aufgeschlagen, hatte Stonebraker noch vor zwei Jahren behauptet. Der große Erfolg war allerdings bis heute ausgeblieben. Nicht nur Datablades will das Unternehmen mit seiner Paradedatenbank "Dynamic Server" künftig unterstützen: "Wir müssen alle Datentypen in unserer Engine laufen lassen", so der Ex-Illustra-Chef. Darüber hinaus will das Unternehmen auch Komponententechnologien wie OLE-Automation, Active-X-Controls, DCOM, Corba, Enterprise Javabeans und Suns Jini unterstützen. Stonebraker: "Datablades sind nur ein Komponentenmodell von vielen."

Objektrelationale Datenbanken würden, so der Universitätsprofessor, "künftig beispielsweise mit Global Positioning Systems (GPS) gekoppelt". GPS und das weltweit stark wachsende Geschäft mit Mobiltelefonen will Stonebraker als Einsatzgebiete par excellence für objektrelationale Datenbanken ausgemacht haben. Vorstellbar sei, daß Handys in Zukunft mit Hilfe von objektrelationaler Technologie sogar komplexe Suchabfragen ermöglichen.

Echte Wachstumschancen für die kommenden Monate sieht Stonebraker mit dem Geschäft rund um das Data-Warehousing: "Warehousing ist bereits heute ein sehr großer Markt für relationale Technik." Ein Grund, weshalb es dem relationalen Datenbankmarkt allen Unkenrufen zum Trotz nach wie vor gut gehe. "Mit Ausnahme von Sybase können weder wir noch die IBM oder andere sich beklagen", so der Manager. Fest stehe jedoch auch, daß der Markt mit relationalen Produkten nicht mehr mit einstigen Zuwachsraten von 30 oder 40 Prozent mithalten könne, "sondern nur noch um 20 Prozent wächst".

In nächster Zeit würden Data-Warehouses allerdings zunehmend auch auf objektrelationaler Technologie basieren. Dafür sieht sich Informix bestens gerüstet: "Wir waren Vorreiter in diesem Bereich und werden auch in Zukunft der führende Anbieter im objektrelationalen Geschäft mit Data-Warehouses sein", verdeutlicht Stonebraker. Aktuelle Prognosen des Analystenteams Aberdeen Group geben Stonebraker recht: Die Auguren rechnen damit, daß bis zum Jahr 2003 der Weltmarkt für objektrelationale Produkte 14 Milliarden Dollar stark sein wird.

Zweites Standbein mit Entwicklungs-Tools

Doch im Eiltempo wird Informix dieses Segment wohl kaum für sich beanspruchen können. Laut Aberdeen Group ist der Markt für Datenbanken jeglicher Art relativ gesättigt. War der Verkauf an Datenbanken 1996 noch um 30 Prozent gestiegen, konnten die Hersteller im vergangenen Jahr nur noch zehn Prozent Zuwachsrate unter sich aufteilen. Hinzu kommt, daß sich Informix auch in Zukunft mit finanzkräftigen Playern wie Oracle und Microsoft messen lassen muß.

Mögliche Wachstumsbremsen dieser Art versucht Informix mit einem zweiten Standbein im Bereich der Entwicklungs-Tools zu kompensieren. Mit "Visionary" möchte der Anbieter noch in diesem Jahr ein Front-end für die "Universal Data Option" zur Verfügung stellen, nachdem der Hersteller die Weiterentwicklung des objektorientierten Werkzeugs "New Era" aufgrund von Kompatibilitätsproblemen zu existierenden 4GL-Programmiertechniken einstellen mußte. Das derzeit im Betastadium befindliche Tool Visionary soll die On-the-fly-Entwicklung multimedialer Anwendungen ermöglichen und unter anderem Drill-down-Fähigkeiten besitzen. So könne der Anwender Stonebraker zufolge beispielsweise immer detailliertere Informationen einer Stadtkarte per Drill down erhalten.

Mit Middleware hat Informix, anders als seine Konkurrenten, laut Stonebraker jedoch nichts im Sinn. Informix werde keinen TP-Monitor ê la CICS, Tuxedo oder Microsoft Transaction Server anbieten: "Das letzte, was die Welt braucht", so der Informix-Manager, "ist ein x-ter TP-Monitor.