Negative Bilanz zwingt zur Kürzung der Ausgaben

Informix: Neue Umsatzbewertung kostet 200 Mitarbeiter den Job

25.01.1991

MÜNCHEN (qua) - "Bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist", so der deutsche Marketingdirektor Werner Niebel, hat sich die Informix Software Inc. zu einer konservativeren Umsatzbewertung entschlossen. Gleichzeitig entließ der Software-Anbieter mit Sitz in Menlo Park/Kalifornien 200 seiner bislang 1300 Mitarbeiter.

Auch die Münchener Informix Software GmbH ist von der Personalkürzung betroffen: Geplante Neueinstellungen wurden verschoben und kürzlich geschlossene Arbeitsverträge annulliert; außerdem müssen voraussichtlich drei oder vier der 40 deutschen Informix-Mitarbeiter ihre Schreibtische räumen. Laut Niebel sind vor allem Verwaltungsangestellte betroffen; im technischen Bereich, so der Marketingleiter, werde es keine personellen Veränderungen geben.

Die geplanten Einsparungsmaßnahmen stehen in direktem Zusammenhang mit der bevorstehenden Änderung der Buchungspolitik. Wie andere Unternehmen der Softwarebranche ging auch Informix bis zum Ende des vergangenen Jahres bei der Umsatzbewertung von abgeschlossenen Verträgen aus. Diese Praxis steht zwar im Einklang mit den Generally Accepted Accounting Principles (GAAP) der US-Finanzbehörden, wird von den Investoren jedoch zunehmend als realitätsfern betrachtet. Für Informix gilt das um so mehr, als das Software-Unternehmen seine Produkte kaum direkt vertreibt.

Die von den insgesamt etwa 2000 Distributoren, OEM- und VAR-Partnern geschlossenen Verträge wurden bis dato wie Umsätze behandelt - auch wenn die Ware noch gar nicht geliefert war. Laut Niebel kam es dabei immer wieder vor, daß Abnahmeverpflichtungen nicht eingehalten wurden.

Seit Anfang des Jahres will Informix nur noch einige wenige Verträge auf diese Weise bewerten. Nach Angaben des Software-Anbieters handelt es sich bei diesen Ausnahmefällen um eine ausgewählte Gruppe von Hardwareherstellern und um bestimmte Lizenznehmer aus dem Kreis der Anwenderunternehmen. Alle anderen Umsätze, namentlich von seiten der Wiederverkäufer, sollen erst dann verbucht werden, wenn entweder eine Zahlung geleistet oder zumindest ein Produkt ausgeliefert wurde.

Gemäß den Bestimmungen der GAAP muß Informix die Ergebnisse des Geschäftsjahres 1990 neu bewerten. Infolgedessen erwarten die Kalifornier nicht nur für das letzte Quartal, sondern auch für den Gesamtzeitraum von Januar bis Dezember vergangenen Jahres ein negatives Geschäftsergebnis. Konkrete Zahlen liegen voraussichtlich erst Ende Februar vor. Ohne die Änderung der Umsatzbewertung, so beteuerte das deutsche Informix-Management, wäre das vergangene Geschäftsjahr mit Gewinn abgeschlossen worden.

Bleibt zu fragen, warum die Änderung gerade jetzt beschlossen wurde. Wie Informix-Mitarbeiter andeuten, machen sich zum einen die Anleger Sorgen um den Cash-flow. Nach Angaben des deutschen Informix-Geschäftsführers Frank Sempert belaufen sich die flüssigen Mittel des Gesamtunternehmens derzeit auf 20 Millionen Dollar; ein Bankkredit in gleicher Höhe sei bislang noch nicht angetastet worden.

Zum anderen hatten das erste negative Quartalsergebnis des Informix-Konkurrenten und einstigen Börsenlieblings Oracle sowie die Übernahmen der Ingres Corp. durch die Ask Computer Systems Inc. in der Branche Nachdenklichkeit ausgelöst. "Früher oder später wäre uns dasselbe passiert wie Oracle", bestätigt Sempert, beeilt sich jedoch hinzuzufügen: "Niemand hat uns zu dieser Aktion gezwungen."

Chief Executive Officer Phil White räumte gegenüber der amerikanischen IDG-Schwesterpublikation "Computerworld" ein, daß wohl auch die beiden ersten Quartalsergebnisse des laufenden Geschäftsjahres negativ von der neuen Buchungspraxis beeinflußt würden. Nach ungeschriebenen Gesetzen des amerikanischen Börsenmarktes mußten deshalb drastische Ausgabenkürzungen angekündigt werden.

Neben den Entlassungen plant das Unternehmen denn auch Beschränkungen bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten wie der Portierung des Datenbank-Management-Systems Informix auf das Betriebssystems VMS von Digital Equipment. Allerdings kosten auch die Sparmaßnahmen Geld: Sechs Millionen Dollar muß Informix allein für Abfindungssummen und ähnliche Gebühren bereitstellen - zuzüglich der 13 Millionen Dollar, die voraussichtlich nötig sind, um die Ergebnisse des vergangenen Geschäftsjahres auszugleichen.

Vor rund zwei Jahren hatte der Software-Anbieter schon einmal für negative Schlagzeilen gesorgt, als er ein Zehntel seiner damaligen Belegschaft entließ. Als Ursache nannte das Unternehmen damals seine Anfang 1988 erfolgte Fusion mit der Innovative Software Inc., Lenexa/Kansas.