Große Hoffnungen in den neuen Markt

Informix: Einstieg in die objekt-relationale Technik

20.09.1996

Bei dem System handelt es sich um ein Konglomerat aus der relationalen Informix-Datenbank "Online" und dem objekt- relationalen Zukauf "Illustra". Abgefragt wird die Datenbank ähnlich wie mit SQL 92 allerdings lassen sich nun auch benutzerdefinierte und komplexe, abstrakte Datentypen extrahieren (siehe Beispiel). So ist es nun beispielsweise möglich, gespeicherte Bilder aufgrund ihrer Inhalte - Farben oder Umrisse - wiederzufinden. Nach Herstellerangaben sind aber auch Online- und Illustra-Anwendungen ohne Modifikation auf dem Universal Server lauffähig.

Erreicht wird der Mix aus strukturierter Abfrage und objektorientierter Technik durch eine neue Art der Indizierung (siehe Beispiel). Dabei können Datentypen Teile ihrer Struktur oder ihres Verhaltens von anderen Typen erben. Außerdem lassen sich die durch Vererbung generierten Funktionen unter gleichem Namen, aber mit unterschiedlicher Signatur ablegen.

Ein Novum in der Datentechnik sind auch die "Data Blades": Hierbei handelt es sich um SQL-basierte Erweiterungen - um Plug-in- Komponenten beziehungsweise um eine Art Klassenbibliothek für den Server. Zu den Data Blades, die Informix anbietet, gehören ein Web-Modul für die Gestaltung von Web-Sites, ein Image-Modul, das gebräuchliche Verfahren zur Bildmanipulation bereitstellt, ein Spatial-Modul für das Management geografischer Daten sowie ein Text-Modul zur Erstellung von Dokumenten. Ein Time Series Data Blade ist gedacht für Anwendungen, in denen Zeitreihen eine Rolle spielen, wie bei Aktien- und Preisanalysen. Darüber hinaus stellt Informix Fremdanbietern entsprechende Schnittstellen zur Verfügung. Inzwischen gibt es laut Hersteller bereits 120 Firmen, die solche Plug-ins, beispielsweise für betriebswirtschaftliche Software, offerierten.

Laut Gartner Group ist das Informix-Timing perfekt und wird den Marktführer Oracle in den kommenden Jahren unter Druck setzen. Denn während die Oracle-Datenbank seit Jahren auf derselben Engine basiere, habe Informix die Engine der Online-Datenbank rechtzeitig erneuert. So werde nun unter anderem die parallele Verarbeitung von Abfragen ermöglicht. Den Zukauf von Illustra wertet Gartner als Investition für das 21. Jahrhundert.

Wie Informix-Cheftechniker Michael Stonebraker, Mitbegründer der Ingres Corp. sowie der Illustra Technologies Inc., erläutert, mußten etwa eine Million Code-Zeilen der Informix-Datenbanken ausgetauscht werden. Dabei entstand ein Mix aus Illustra- und Online-Modulen. Probleme gab es laut Stonebraker lediglich beim Optimizer, da jede Datenbank naturgemäß über einen sehr spezifischen eigenen verfügte.

Der Grund für den Illustra-Gründer, sich mit Informix zusammenzutun, liege in der Skalierbarkeit relationaler Systeme - eine Eigenschaft, über die seine Datenbank nicht verfügt habe. Der größte Illustra-Kunde ist die Nasa mit ihrem Projekt "Mission to Planet Earth", in dessen Rahmen aus dem All Daten über die ökologischen Zukunftschancen der Erde gesammelt werden sollen. Das Projekt, das 1989 begann und eine Laufzeit von zehn Jahren hat, setzt eine Datenbank mit einem Volumen von zehn Petabytes voraus, die einige Tausend Online-Benutzer bedienen kann. Das vermochte Illustra auf keinen Fall zu leisten, ob der Universal Server das vermag, wird sich erweisen.

Doch auch in Deutschland gibt es bereits Interessenten für diese Datenbank. Darunter befindet sich der Deutsche Genossenschaftsverlag e.G., Wiesbaden. Die Genossenschaft fungiert als zentrales Einkaufsinstitut und Verlag für die Genossenschaftsbanken. Zum Produktumfang gehören neben Literatur das Formulargeschäft, das derzeit auf elektronische Anwendungen umgestellt wird, Kredit- und Debitkarten, Werbegeschenke und - drucksachen sowie Büroaustattung - der Verlag beschäftigt sogar Architekten, die die Innenausstattung der Banken übernehmen. Außerdem ist das Unternehmen IBM-Mittelstandshändler. Für Arno Hatzmann, DV-Spezialist des Verlags, steht fest, daß die Unternehmensdatenbank, an der die IT-Abteilung bastelt, auf dem Universal Server basieren wird. Hier sollen sämtliche Datenbestände zusammengefaßt und mit SAP-R/3-Daten verquickt, über das Internet oder T-Online verteilt und wieder in R/3 zurückgeführt werden können. "Die komplexen Anforderungen, die wir in einer Ausschreibung auch formuliert haben, zielen eindeutig auf eine objekt-relationale Datenbank", so Hatzmann. Noch läuft die Umstellung von R/2 auf R/3, doch schon im November soll die Testanwendung lauffähig sein. Ab dem 1. Januar 1997 soll R/3 im produktiven Einsatz sein und im April die gesamte auf Universal Server basierte Anwendung. Dann können die Bankkunden via Internet bestellen, ohne daß verlagsseitig beim Übergang in das R/3-System ein manueller Aufwand entsteht.

Auch das High-Tech-Center Babelsberg setzt auf Informix-Technik. Es handelt sich um ein mit 100 Millionen Mark gefördetes EU- Projekt, bei dem ein Infrastrukturzentrum für digitale Produktion und Postproduktion entstehen soll, das von kleineren Film- und Fernsehproduzenten genutzt werden kann. Das Center auf dem ehemaligen Defa-Gelände verfügt über einen Rendering-Service, ein virtuelles Studio, computergesteuerte Kamerastative für Motion Control und künftig auch über Technik für das sogenannte Digital Compositing, mit dem sich Filmbilder zusammensetzen lassen. Zum einen fallen hier neben strukturierten auch multimediale Daten an, zum anderen in großen Mengen. Wie Martin Richartz, Bereichsleiter Networks und Communications, darlegt, wird das Festival für Interaktive Medien "Aktiva", das in diesem Jahr vom 17. bis 19. Oktober stattfindet, zum Testfall für die objekt-relationale Technik. Informix sponsert die Veranstaltung mit "Illustra". Die Anmeldungen der Teilnehmer und Besucher werden mit Hilfe der Datenbank über das Internet abgewickelt.

Hewlett-Packard (HP), Böblingen, plant mit Hilfe der Informix- Datentechnik eine Intranet-Lösung für die Peripherals Group Europe. Dahinter verbirgt sich ein Information-Warehouse-Projekt für eine Marketing-Abteilung. Auf den Universal Server setzt HP laut Projekt-Manager David Tattersall, weil mit Illustra bisher keine Transaktionsverarbeitung möglich war und Online sich als nicht hinreichend geeignet für unstrukturierte Datentypen erwies. Seiner Meinung nach ist das neue Zugpferd von Informix zwar immer noch eine relationale Datenbank - wenn auch mit sehr guten Ideen und neuen Datentypen. HP will nicht sofort die Version 1.0 des Universal Server einsetzen, jedoch vermutlich das 1.1-Release, mit dem im Januar des kommenden Jahres zu rechnen ist.

Abfrage-Beispiel: Sonnenuntergang

Queries an die objekt-relationale Datenbank sehen zwar auf den ersten Blick wie Standard-SQL aus, beziehen sich jedoch auch auf komplexe Daten und enthalten benutzerdefinierte Methoden. Dazu ein Beispiel:

Das kalifornische Departement of Water Resources (DWR) verfügt über ein Archiv mit rund 500000 Karten und Aufnahmen verschiedensten Charakters. Eines von vielen Motiven ist beispielsweise der "Sonnenuntergang über Sacramento". Daran lassen sich etwa Beobachtungen hinsichtlich der Wetterentwicklungen machen. Außerdem gibt auch technische Zeichnungen und Fotos mit Bodenstrukturen. Das Problem, die Bilder nach Inhalt auffinden und katalogisieren zu können, hat das DWR mittels Beschreibungen und durch Schlüsselwörter gelöst.

Inzwischen ist die Organisation dazu übergegangen, die Fotos digitalisiert zu speichern. Neben den Bildern und bisherigen Informationen will sie nun auch den genauen kartografischen Ort und die geografischen Koordinaten registrieren. Eine Query, die Sonnenuntergänge in Sacramento suchen soll, sieht dann beispielsweise wie folgt aus:

select id

from slides P, landmarks L, landmarks S

where sunset (P.picture) and

contains (P.caption, L.name) and

L.location || S.location and

S.name = 'Sacramento'

Die Abfrage gliedert sich in folgende Schritte: Zunächst wird Sacramento (S.location) in einer Landschaftstabelle gesucht. Danach wird der Raum (L.location) um Sacramento auf 20 Meilen eingegrenzt. Dabei ist das Sonderzeichen || ein User-definierter Operand. Jeder der beiden Striche bewirkt, daß ein Schalter auf "wahr" gesetzt wird, wenn die beiden Punkte (L.location und S.location) nicht mehr als 20 Meilen voneinander entfernt liegen.

Die Funktion "contains" ist wie "sunset" ebenfalls benutzerdefiniert und akzeptiert zwei Argumente: ein Textdokument und einen Schlüsselbegriff. Sunset untersucht die Bilder bitweise daraufhin, ob sie in der oberen Hälfte orangefarben sind. Nach Angaben von Informix funktionieren zum Beispiel auch Abfragen durch Bildvergleiche, etwa nach skizzierten Vorlagen.