Der nächstgrößere Computer ist seiten eine gute Lösung:

Informationstechnik strategisch nutzen

18.09.1987

Strategisch verkaufen ist sicher keine neue Wunderwaffe Im Verkauf von Hard- und Software der Informationstechnologie. Bedenkt man jedoch, daß die heute in den Unternehmen realisierten Anwendungen erst ein Anfang sind, könnte ein strategisch ausgerichteter Beratungs- und Verkaufsansatz Anwendern und Herstellern vielfältige Vorteile bringen.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung des Gesagten: Mit Just-in-Time, der Anlieferung von Zulieferteilen für die Automobilproduktion, möglichst zum Produktionszeitpunkt, konnten in erheblichem Umfang Lagerkosten beim Kfz-Hersteller gesenkt werden. Informationstechnik meint in diesem Zusammenhang Informationssysteme für die Durchdringung des Gesamtunternehmens einschließlich seiner Außenaktivitäten mit Informationstechnologie.

Dies bedeutet, daß der Begriff "Informationstechnik" die Daten, die Unternehmen erfassen, verarbeiten und benutzen, umfaßt und auch die in zunehmendem Maße vernetzten Technologien, die die Daten verarbeiten. Das sind Computer einschließlich jedweder Peripherie, andere Kommunikationstechnologien, Technologien der Fabrikautomation sowie andere Hard- und Software.

Breiter Strom von Aktivitäten

Der amerikanische Betriebswirtschaftler M. E. Porter spricht in seinem Buch "Competitive Advantage" von der Wertschöpfungskette des Unternehmens und versteht darunter die technischen und ökonomischen Aktivitäten, die ein Unternehmen ausführt. Die Wertschöpfungskette eines einzelnen, in einer bestimmten Branche tätigen Unternehmens - so Porter - , ist eingebettet in einen breiteren Strom von Aktivitäten, den er "Wertschöpfungssystem" nennt. Zu diesem System gehören auch die Wertschöpfungsketten der Lieferanten sowie die Wertschöpfungsketten der Abnehmer.

Die Wertschöpfungskette des Unternehmens gliedert sich nach Porter in neun Kategorien und wurde vom Verfasser zur Vereinfachung auf sechs Hauptkategorien reduziert.

Das Unternehmen, seine Zulieferer und Abnehmer können von der besseren Erkennung und Nutzung solcher Verkettungen profitieren. Durch die Informationstechnik werden Wertschöpfungssysteme, Wettbewerbsmöglichkeiten sowie Produktnutzen verändert. Diese tiefgreifenden Auswirkungen erklären die strategische Bedeutung der Informationstechnik.

Auf welchen Gebieten können sich Wettbewerbsvorteile ergeben, die mit Hilfe der Informationstechnik hervorgerufen beziehungweise genutzt werden können? Dies sind beispielsweise:

- Verkürzung von Entwicklungszeiten durch Einsatz von CAD,

- Erhöhen der Modell-/Typenvielfalt durch CIM,

- Lieferantenanbindung durch Online-Vorgabe von Konstruktionsvorgaben,

- Koordinierte Wettbewerbs-Strategien durch Marketing-Informationssysteme,

- Zielgruppen-/ Produktdifferenzierung durch Informationsdatenbanken.

Verkäufer handelt nicht im Sinne des Kunden

Wie können nun in der Herstellung und dem Vertrieb von Informationssystemen tätige Unternehmen die sich aus der Informationstechnik für ihre Kunden ergebenden Vorteile und Möglichkeiten selbst geschäftlich nutzen?

In der Vergangenheit wurde häufig versucht, den nächstgrößeren Computer zu verkaufen, weil das installierte System zu klein geworden war, Selten besaß der Verkäufer die notwendige Vor-Information, um in Gesprächen auf die strategische Bedeutung der Informationstechnik zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen hinzuweisen. Das heißt, bei all seinen Überlegungen hatte der Verkäufer zwar das Kundenunternehmen vor Augen, nicht aber außerhalb des Unternehmens liegende Möglichkeiten für zukünftige Anwendungen der Informationstechnik.

Dies bedeutet, daß der Verkäufer im Sinne des Kundenunternehmens den Einsatz der Informationstechnik nicht strategisch betrachtet hat. Und genau hier liegt der Ansatz.

In Zukunft wird der IS Verkäufer erfolgreich sein, der es versteht, seinem Kunden strategische Wettbewerbsvorteile mit Hilfe der Informationstechnik glaubhaft darzustellen.

Dies bedeutet, daß der Verkäufer von Informationssystemen bereit und in der Lage sein muß, gemeinsam mit dem Kunden dessen unternehmerische Tätigkeit unter strategischen Gesichtspunkten zu analysieren, zu bewerten und hieraus Rückschlüsse für die zukünftige Gestaltung der Informationsverarbeitung im Kundenunternehmen zu ziehen.

Für die Unternehmen wird diese Betrachtung der Informationstechnik wettbewerbspolitisch unumgänglich. Wichtig ist also der Blick gemeinsam mit dem Kunden in dessen Marktgeschehen. Von dort aus müssen Ansätze zur strategischen Nutzung der Informationstechnik gefunden werden:

Kunden und Interessenten

Welche Innovationen werden erwartet, welche Substitutionen sind zu vermuten, was bedeutet dies für Produktentwicklung, Produktgestaltung und Herstellung? Wie müssen zukünftige Absatzwege aussehen, damit Kundenbetreuung und Service sichergestellt, andererseits die Kosten vertretbar sind?

Bestehende und potentielle Konkurrenten

Welche Produkt- und Marktstrategien haben die etablierten Mitbewerber, was bedeutet dies für das eigene Unternehmen? Welche neuen Konkurrenten, zum Beispiel aus Drittländern, werden versuchen, in die angestammten Märkte einzudringen? Welche Verhinderungsstrategien gibt es? Müssen die Entwicklungszeiten verkürzt, die Produktzyklen verändert werden, oder mit welchen Marketingstrategien kann der Markteintritt der Konkurrenz erschwert werden?

Lieferanten

Wie kann die Macht als Abnehmer verstärkt werden? Welche Informationsdatenbanken können genutzt werden? Wie können Produktspezifikationen per Datenkommunikation den Entwicklungsabteilungen der Zulieferer zur Verfügung gestellt werden? Welche Voraussetzungen müssen für "Just-in-Time"-Lieferungen geschaffen werden?

Lehre und Forschung

Welche innovativen Technologien befinden sich in der Entwicklung, die für das eigene Unternehmen interessant werden könnten? Was bedeuten diese für die eigene Produktgestaltung der Zukunft? Inwieweit müssen heute schon Voraussetzungen in der Informationstechnik geschaffen werden, um neue Technologien, Verfahren, Werkstoffe einsetzen zu können?

Nur wenn der IS-Verkäufer das Marktgeschehen seines Kunden begreift, er mit Hilfe der Informationstechnik einen Beitrag zum Markterfolg seines Kunden leistet, wird Informationstechnik zum strategischen Marketing-Instrument. Er kann sich der Akzeptanz seiner Vorschläge sicher sein, erreicht er doch zwei entscheidende Dinge: Zum einen setzt er die Informationstechnik zur Stärkung der Wettbewerbsposition seines Kunden ein, zum anderen werden häufig Verbesserungen des Wertschöpfungssystems des Unternehmens erreicht. Versucht jedoch der Verkäufer, zusätzliche Anwendungen aus dem Unternehmen heraus ohne Marktbetrachtung zu verkaufen, fehlt trotz Verbesserung des Wertschöpfungssystems die Kundenakzeptanz, weil die Verbindung zur Marktnotwendigkeit fehlt.

Gelingt es andererseits, dem Kunden die strategische Bedeutung der Informationsverarbeitung für sein Unternehmen bewußt zu machen, bekommt die Informationsverarbeitung eine neue Dimension im Kundenunternehmen. Anwendungs- und Systemerweiterungen werden nachvollziehbar und als unternehmerische Notwendigkeit empfunden.

Wettbewerbsvorteile durch Informationsverarbeitung:

Ausschöpfung der Marktpotentiale

Die Bündelung der Marktinformationen, der Kundeninformationen der Außendienstinformationen sowie externer Einflüsse (z.B. Gesetzesänderungen) werden zu Akquisitionsstrategien und -informationen verarbeitet.

- Höhere Effizienz der Vertriebskapazitäten:

- geringere Streuverluste.

Schnellere, bessere Management-Entscheidungen

Für Entscheidungen spielen Qualität, Quantität sowie der Zeitpunkt der Verfügbarkeit der Information eine wesentliche Rolle.

- Bei der Frage über den Markteintritt entscheidet der Zeitpunkt maßgeblich über Erfolg oder Mißerfolg.

- Für Investitionen ist die Qualität der Information (zum Beispiel Umsatzerwartung, Kosteneinsparung) entscheidend.

Kundenberatung, Service

Kundengerechte, schnelle Bearbeitung. Expertenwissen ist an den Stellen vorhanden, an denen Entscheidungen getroffen werden müssen (Banken, Versicherungen, Handel, Ingenieurbüros).

Entsprechend der Erfahrungskurve des Produktionsprozesses enthält die Information, die im Unternehmen latent vorhanden ist, Potentiale, die durch die Informationsverarbeitung zu nutzen sind. Dies bedeutet daß bereits durch den Zeitpunkt, zu dem die vorhandene Information genutzt wird, ein Wettbewerbsvorsprung entsteht.

*Gottfried Schmitz ist Geschäftsführender Gesellschafter der Universal Management Services GmbH, Frankfurt.