Informationsautomatisierung in der Fertigungsorganisation:Deutliche Anstrengungen zum strategischen Einsatz

12.04.1979

In der industriellen Fertigungsorganisation mit im Vergleich geringem administrativem Aufwand ist gegenwärtig eine eindeutige Verschiebung von der reinen Rationalisierungsmaßnahme hin zur EDV als notwendiges Mittel zur Entscheidungsfindung zu erkennen. Durch die verstärkte Integration der EDV in der Fertigungsorganisation ist einerseits vielfach erst die breite Anwendung von betriebswirtschaftlichen Optimierungsmethoden in tragbaren Verarbeitungszeiten möglich, und andererseits wird durch die geeignete Hardware-Gestaltung eine Integration der einzelnen Funktionsbereiche ermöglicht. Welche Anstrengungen auf dem komplexen Gebiet der Informationsflußautomatisierung in der Fertigung in der österreichischen Industrie unternommen werden, versuchte das Institut für Industriebetriebslehre und Wirtschaftstechnik an der Technischen Universität Graz in einer im Spätherbst 1977 durchgeführten Untersuchung zu ermitteln. Bei dieser Erhebung über Art und Umfang sowie über bestehende Planungstendenzen des Rechnereinsatzes in der Fertigungsorganisation haben sich 110 Industriebetriebe beteiligt.

Grundsätzlich kann daraus der Schluß gezogen werden, daß sich die Informationsverarbeitung bisher weitgehend auf den administrativ-operativen Bereich konzentriert hat (Stand) und nun deutliche Anstrengungen zum strategisch-entscheidungsrelevanten Einsatz zu erkennen sind.

Das Hauptgewicht der befragten Unternehmungen stellte die Maschinen-, Elektro-, Metallwaren-, Fahrzeugbau- und die chemische Industrie (Abb. 1). Die Verteilung der Unternehmungsgrößen (Mitarbeiterzahlen) entspricht weitgehend der EDV-Verbreitung in der heimischen Industrie. Der Anteil der Klein- und Mittelbetriebe bezüglich EDV-Einsatzes in der Fertigungsorganisation ist dabei beachtlich.

Der derzeitige EDV-Einsatz-Stand ist gekennzeichnet von der routinemäßigen Massendatenverarbeitung in den klassischen administrativen Bereichen: Finanzbuchhaltung in 65 Prozent, Fakturierung in 70 Prozent, Lohn- und Gehaltsabrechnung in 91 Prozent der untersuchten Betriebe.

Die Informationsverarbeitung in der Fertigungsorganisation (als Entscheidungshilfe) auf der dispositiven und strategischen Ebene setzt neben komplexer Software und in der Regel großer Hardware auch eine besondere Parallelität zwischen Material- und Informationsfluß voraus.

Der Einsatz dialogfähiger Datenstationen ermöglicht hier vorteilhaft, den kurzfristigen Bereich der Fertigungsorganisation zu bewältigen. Dazu gehören die Betriebsdatenerfassung und die Steuerung mit einem relativ kurzen Planungshorizont und einem hohen Detaillierungsgrad. Dementsprechend ist das Bild des bestehenden sowie kurz- und langfristig geplanten Dialogeinsatzes (siehe Abb. 2)

Der Dialog kommt dabei einem der Hauptziele des EDV-Einsatzes, nämlich der Erhöhung des Informationsstandes, besonders entgegen. Dies zeigen auch die Zielsetzungen für den Dialogeinsatz. Datenaktualität mit leichtem Zugriff zu großen Datenbeständen (Grunddatenverwaltung) stehen gegenüber Personaleinsparung und vermindertem Papierausdruck im Vordergrund.

Rationalisierung durch DB-Vorbereitung

Die Fertigungsgrunddatenverwaltung über den Aufbau von Fertigungsdatenbanken verursacht in der Regel einen hohen Aufwand, auch dann, wenn dazu Modularprogramme der Hardware-Hersteller kostenoptimal eingesetzt werden können. Unmittelbar ist dabei für eine Datenbank noch keine Wirtschaftlichkeit gegeben. Die organisatorischen Vorbereitungen zu ihrer Erstellung als Grundlage für die Material- und Zeitwirtschaft haben jedoch in vielen Betrieben zu einer eingehenden Durchleuchtung des Informationsflußes und des Arbeitsablaufes geführt und manche Rationalisierung ermöglicht, noch bevor die EDV überhaupt verwendet wurde (siehe Abb. 3).

Die Fertigungsplanung erfordert mit ihren Aufgaben - die Arbeitsplanerstellung und die Erzeugnisgliederung - ständig einen gezielten Rückgriff auf vorhandene Daten der Erzeugnisse, Einzelteile und Materialien sowie auf Maschinen-, Werkzeug und Vorrichtungsdaten.

Klassifizierende Schlüssel und Fertigungsdatenbanken bieten hier bedeutende Hilfestellung. Der Anteil der EDV-Unterstützung an der Arbeitsplanerstellung beträgt in der Verwaltung und in Verwaltung und in der Ausgabe von Arbeitsplänen (Erstellen der Werkstattpapiere) 69 Prozent beziehungsweise 71 Prozent.

Neben nachweisbaren Reduzierungen der Gesamtzahl der Arbeitspläne ergibt sich in zunehmendem Maße eine Verschiebung der Methoden der Arbeitsplanerzeugung von weitgehender Neuplanung zu einer wesentlich verstärkten Ähnlichkeitsplanung und Standardisierung.

Die Fertigungssteuerung hat als grundsätzliche ZieIsetzung gemäß der, langfristigen Planung die einzelnen Fertigungsaufträge kurzfristig zu veranlassen und mit der richtigen Menge zum vorgesehenen Termin mit der gewünschten Qualität und den niedrigsten Kosten durch die Fertigung zu steuern (Micros-Logistik).

Der dabei auftretende Informationsfluß ist durch zahlreiche korrigierende Eingriffe sehr umfangreich. Eine Automatisierung der Informationsverarbeitung durch EDV-Einsatz führt in der Regel zu besseren Steuerungsergebnissen, da beim manuellen System zahlreiche Vereinfachungen bei der dispositiven Abwicklung zu ungunsten der Veranlassung und Überwachung vorgenommen werden. Ein besonderes Beispiel ist dazu die deutliche Methodenverschiebung von der verbrauchs- zur bedarfsgesteuerten Materialdisposition durch den EDV-Einsatz und die dadurch erzielbare Verbesserung der Kapitalbindungssituation (siehe Abb. 4). Der Dialogeinsatz garantiert in diesem Zusammenhang die Aktualität und Zuverlässigkeit der Daten. Mit derselben Zielrichtung erhöht die verbesserte Bedarfsermittlung (brutto und netto) mit Hilfe der Stücklistenauflösung die Wirtschaftlichkeit des EDV-Einsatzes. Die im Anschluß an die Bedarfsermittlung eingesetzte EDV-gestützte Bestelldisposition und -überwachung vergrößern die Freiheiten und verbessern die Transparenz des Einkaufes.

Die frühzeitige terminliche Erfassung und Steuerung des Materialflußes bereits auf Lieferantenebene gewährleistet eine lückenlose Termin- und Mengenplanung. Ein wesentlicher Einsatzbereich der EDV ist die Bestandsführung. Hier liegen auch zumeist die größten Rationalisierungschancen, den wertmäßigen Bestand mit geeigneten Bestandsstrategien zu verringern. Die erforderlich hohe Zuverlässigkeit und Aktualität der Daten für die Folgeverarbeitung wird durch den Dialogeinsatz ermöglicht.

In der Zeitwirtschaft gelten vor allem die eingangs erwähnten Planungs- und Dispositionsstufen. Für die Grobplanung besteht durch den Einsatz der EDV die Möglichkeit, realitätsnahe Grobdurchlauf- und -belastungskurven für die Angebots- und Auftragsplanung zu verwenden. Damit können Kapazitätsengpässe frühzeitig erkannt, freie Kapazität ermittelt und anderweitig angeboten sowie wirklichkeitsnahe Lieferterminzusagen gemacht werden.

Zur mittelfristigen Terminplanung mit EDV ist der Aufbau von Terminnetzen und Auftragsverbindungssätzen im Rahmen der Durchlaufterminierung erforderlich. Dazu sind größere Hardware und umfangreichere Software notwendig. Der Kapazitätsabgleich wird zwar als notwendig erachtet, die dazu bekannten Programmpakete haben aber noch keinen überwiegend positiven Einsatznutzen gebracht, so daß hier die manuelle Abwicklung noch länger im Vordergrund stehen wird.

Die termingerechte Auftragsveranlassung mit Verfügbarkeitskontrolle und datensicherer Arbeitsbelegerstellung verringert die Durchlaufzeit und garantiert im Zusammenhang mit einer konsequenten Fertigungsüberwachung eine hohe Termintreue. Die starken Dialogisierungsbemühungen in diesen Bereichen sind in den eingangs erwähnten Einsatzzielen begründet. Mit der Erstellung von Fertigungs- und Betriebsmittelstatistiken können die betrieblichen Planungsfunktionen realitätsnahe erfüllt werden, was besonders für die Fristenplanung und die Planung der nutzbaren Kapazität erforderlich ist.

Lange Laufzeiten, starre Laubhythmen

Die eingesetzten Programme sind zu 67 Prozent Eigenentwicklungen, was auf die Einfachheit der Adreßtechnik und der Verarbeitungsalgorithmen in den bisher realisierten Funktionen, insbesondere in der Materialwirtschaft, zurückzuführen ist.

Darüber hinaus läßt sich erkennen daß Modularprogramme (simulative Planungsprogramme) durch ihre langen Laufzeiten, starren Laufrhythmen und langen Wartezeiten auf Auswertungen in den erhobenen Betriebsgrößen noch nicht wirtschaftlich eingesetzt werden können.

Vielmehr kann durch die systematische Entwicklung von anwenderspezifischer Software zur Abwicklung operativer und dispositiver Aufgaben in erster Linie Wirtschaftlichkeit erzielt werden. Dabei müssen durch die starke Interdependenz der Teilaufgaben zueinander und zu den angrenzenden Bereichen eine bewußte systemtechnische Vorgangsweise gewählt und die Funktionen und Aufgaben der Planungs- und Steuerungssysteme im Unternehmungsprozeß den Informationsmedien angepaßt werden. Darauf aufbauende Informationssysteme zur Optimierung und Berechnung von taktisch und strategisch entscheidungsrelevanten Daten für die Unternehmungsleitung werden dabei der nächsten Zukunft vorbehalten bleiben.

*Dipl.-Ing. Reinhard Busch, Technische Universität Graz, Institut für Industriebetriebslehre und Wirtsehaftstechnik.