Informationsanalyse statt Organisations-Stukturuntersuchung

24.04.1981

Parallel zu den Vorhaben in den zwei Generalvikariaten hatte ich den Auftrag, in einer ARD-Rundfunkanstalt das Informationswesen zu verbessern. Beispielsweise brauchte man dort aktualisierte Adreßkarteien mit Verknüpfungsparametern zu aktuellen Themen für die Redakteure beziehungsweise Moderatoren von aktuellen Magazinsendungen. Die Aufgabenstellungen zur begrifflichen Dokumentation und den Verknüpfungen zu Quellen (Literatur, Periodica, Informationsdienste) waren ähnlich, als beide Institutionen - Kirche wie Rundfunk- vom Wort und durch das Wort leben. Die Informationskanäle galt es zu untersuchen, aber möglichst ohne Störung der Abläufe. Eine klassische Untersuchung der Organisationsstruktur kam schon gar nicht in Frage. Rundfunk- und Fernseh-Leute lassen sich nicht gerne in die Karten gucken, wenn sie auf Sendung sind. Und die Kirchenmänner scheuten vor einer soziologischen Befragung zurück; (das erlebte ich später ebenfalls in einer evangelischen Landeskirche, als dort die Organisationsstruktur verbessert werden sollte). Unverfänglicher für die Beteiligten ist es dagegen, wenn durchgängig alle Informationsbenutzer und -Produzenten nach ihrem speziellen und ihrem allgemeinen lnformationsbedarf gefragt werden. Auch der Hinweis, daß Fachwissen oder Hobbies, etwa zur außerdienstlichen Weiterbildung, durchaus nennenswert sind, obwohl sie bisher nicht dienstlich genutzt worden sind, führte zur Akzeptanz unserer schlichten Fragestellung nach Begriffen und wünschenswerten Informationseinheiten. Dadurch daß die Beteiligten sich selbst in ihren Bearbeitungsmodi und den Aktualitäten einstuften, entstanden im ersten Anlauf bereits strukturierte Begriffslisten.

Die Abfrage nach Begriffen und Quellen ergab zunächst alphabetisch sortierte Begriffe in Einzellisten, die auf Gesamtlisten nach einem Skalierungsprogramm editiert wurden. Die Gesamtlisten mußten redaktionell weiterbearbeitet werden. Bei den

Quellen- oder Bezugslisten bereitet die Zusammenführung verschiedener Schreibweisen der gleichen Quellenbezeichnung weniger Schwierigkeiten, wenn die Quellenarten Periodizitäten und die notierten Begriffsinhalte übereinstimmen zum Beispiel Kirchliches Amtsblatt, Amtsblatt der Diözese . . ., Kirchenamtsblatt und ähnliches. Dagegen ist bei mehreren tausend Einzelnennungen von Begriffen bereits eine vollständige Zusammenführung ungleicher Schreibweisen zum gleichen Begriff arbeitsaufwenig, wenn es redaktionell nur anhand von Schnelldruckerlisten geschieht. Noch mühsamer wird die Zusammenführung von Synonymen, das heißt verschiedene Begriffsnennungen mit gleicher Bedeutung, zum Beispiel Antennenmast, Funkantenne, Sendemast. Dagegen Homonyme - gleiche Schreibweisen verschiedener Bedeutungen - dürfen nicht zusammengeführt werden, denn die Begriffe werden unterschiedlich oder mehrdeutig verwendet. Für einen Baumeister ist "Kirche" ein sakrales Gebäude, für Organisatoren eine verfaßte Institution, dagegen umgangssprachlich eine Weltanschauungsgemeinschaft.

Die häufige Verwendung derartiger Begriffe wie Kirche, Staat, Kapital, Arbeit und auch Organisation, Verantwortung und der gleichen ist ohnehin tendenziell zu sehen. Bei Neufassungen der Begriffslisten haben wir auf den Umstand verwiesen, daß diese Tendenzbegriffe eigentlich trivial sind, zumal deren Gebrauch weiterer funktionaler Erklärungen bedarf. In der Großchemie habe ich darauf hingewiesen, daß "Chemie" allein trivial ist. Es gibt Betriebschemiker, Forschungs-Chemiker und Anwendungs-Chemiker. Auch der Begriff "Kunststoff" ist viel zu allgemein, um eine Aussage zur typischen Kennzeichnung des Stoffes ableiten zu können. Die obengenannten Chemiker und ihre Dokumentare wurden also gebeten, die trivialen Begriffe weiter zu facettieren. Bei der Redaktion der Gesamtbegriffslisten fällt diese semantische Sucharbeit nicht leicht, da die meisten der allzu allgemein verwendeten Begriffe nur aus dem Kontext heraus erklärt werden konnten.

Begriffs-Redaktion mühsam-aber faszinierend

Die Redaktion der Begriffslisten nach der maschinellen Verordnung bietet für Soziologen ein faszinierendes Spiel. Man sieht aus den Nennungen und aus der Einordnung in das Gesamtkonzept auf einen Blick die individuellen Verhaltensweisen auf dem Job. Gediegene juristische oder kaufmännische Ausbildung der Fragebogenausfüller kennt man sofort, und das maßlos übersteigende Aufzählen von Fachtermini, die sonst von den vergleichbaren Fachleuten nicht in Betracht gezogen worden sind, verrät oft Scharlatanerie oder eine hochgradige, gewollte Isolation in einem gemeinsam zu planenden Informationskonzept.