Personalisierung/Personalisiertes Intranet-Portal bei Carl Zeiss

Informationen nach Maß für Mitarbeiter

18.05.2001
Das Intranet des Optikspezialisten Carl Zeiss in Oberkochen enthält mehr als 10 000 Dokumente. In dieser Menge das Richtige zu finden verschlang zu viel Zeit. Außerdem wollte das Unternehmen seinen Mitarbeitern über eine Browser-Oberfläche externe Informationen anbieten. Daher hat sich die Firma für ein personalisierbares Web-Portal entschlossen. Von Ariane Rüdiger*

Die DV-Infrastruktur der Carl Zeiss Gruppe basiert auf der Groupware-Software "Lotus Notes". Alle Mitarbeiter empfangen E-Mails, führen Terminkalender und verwalten ihre Adressbücher über das Programm der IBM-Tochter. Die Navigation des Systems leistet zwar viel, aber nicht genug: Für den einzelnen Anwender ist jeweils nur ein Bruchteil der Dokumente relevant, und wegen der großen Anzahl gestaltet sich die Suche nach interessanten Informationen oft umständlich. Dies bewog die Abteilung IT-Kommunikation des Optikspezialisten dazu, eine Portalsoftware zu implementieren.

Das angepeilte System sollte die Informationsfülle einschränken, externe Inhalte einbeziehen und den Content nach dem individuellen Informationsbedarf jedes Mitarbeiters vorstrukturieren können. Natürlich spielte auch die Integration in die Lotus-Notes-Landschaft eine entscheidende Rolle bei der Produktauswahl. "Wir benutzen auf der ganzen Welt Lotus Notes. Daher können wir mit einem in diese Landschaft passenden System die vorhandene Hardware nutzen, statt hier noch einmal investieren zu müssen", erklärt Thomas Bullinger, Leiter der Abteilung IT-Kommunikation. Gleichzeitig wünschte sich Bullinger ein System, das spätere Migration auf andere Plattformen nicht ausschließt und deshalb in verschiedenen Varianten verfügbar ist. Schließlich war auch der Preis ein wichtiges Kriterium. Bullinger sah sich auf dem Markt um und begutachtete die Portalprodukte von Autonomy, "Jasmine ii Portal" von Computer Associates, "Raven"/"K-Station" von Lotus und "Net Portal" des französischen Anbieters Mediapps. Den Zuschlag erhielt schließlich Mediapps. "Die Lösung des Herstellers, die sich nahtlos in die bestehende Landschaft einfügte, steht zusätzlich auch in einer Microsoft- und einer Java-Variante zur Verfügung", begründet Bullinger die Entscheidung. Außerdem konnten die anderen Lösungen externen Content zwar integrieren, boten ihn aber selbst nicht an. Mediapps betreibt ein eigenes Extranet für Inhalte.

Externe InhalteNutzer der Software können diese Inhalte abonnieren. Vor allem das letztgenannte Kriterium spielte eine wichtige Rolle, wirft doch das Einbeziehen externer Inhalte in ein Intranet oft urheberrechtliche Fragen auf. "Niemand bei uns wusste, unter welchen Konditionen wir externe Nachrichtenquellen von Spiegel, Stern oder Computerwoche im Intranet ohne Rechtsrisiko intern publizieren dürfen", so Bullinger.

Nach dem Download und einer Probeinstallation von Net Portal nahm Bullinger Kontakt zu Mediapps auf, was sich anfangs etwas problematisch gestaltete, weil der französische Hersteller in Deutschland noch nicht mit Fachkräften vertreten war. Doch mittlerweile wird er direkt aus der Münchner Niederlassung von deutschsprachigen Spezialisten betreut. Nach der Erstinstallation reiste aus dem westlichen Nachbarland ein Mediapps-Mitarbeiter für einen zweitägigen Workshop an. Insbesondere lernten die Zuständigen bei Carl Zeiss, wie sich interne und externe Kanäle in das Portal integrieren lassen.

Abteilungsbezogene RollenZunächst implementierte das Unternehmen mit Version 1.5 von Net Portal eine Testversion, die noch immer läuft. Ungefähr 100 Mitarbeiter nutzen das Angebot in der Pilotumgebung. Die Portaladministration fasst verschiedene Kanäle zu "Bouquets" zusammen, die für bestimmte Abteilungen und Gruppen, etwa Mikroskopie, Führungskräfte oder die IT, maßgeschneidert sind. Die Personalisierung der Seiten greift, sobald der Mitarbeiter Kennung und Passwort eintippt. Sein persönliches Profil bestimmt dabei die Gestaltung des Informationsmenüs. Bullinger teilte die Bouquets in Pflicht- und Kürkanäle ein. Wie beim Eissport können auch die Anwender des Portals die Kür selbst gestalten. Pflichtdaten dagegen lassen sich nicht wegklicken und werden ihnen auf jeden Fall angezeigt, zum Beispiel die innerbetrieblichen Mitteilungen.

Mehr Möglichkeiten bietet die Version 2.0 von Net Portal. Mit ihr lässt sich die Informationsverteilung weiter optimieren. So gestattet sie das Definieren von Nutzergruppen, denen von vornherein nur bestimmte Informationsbouquets zur Verfügung gestellt werden: Mitarbeiter des Bereichs Industrielle Messtechnik erhalten eine andere Auswahl als die Geschäftsführung oder die IT. Zudem erweiterte der Hersteller die Suchmöglichkeiten: Bereits in Version 1.5 war es möglich, Suchbegriffe zu hinterlegen, die immer sämtliche gewählten Bouquets durchsuchten.

Zuspruch der AnwenderMit Version 2.0 können Anwender ihr individuelles Suchprofil ausschließlich auf den gewünschten Kanal anwenden und hinterlegen. Das System durchforstet den angegebenen Informationsfundus nach Neuigkeiten und stellt diese auf der persönlichen Einstiegsseite bereit. "Wer morgens ins Intranet schaut, findet dort sofort die nach seinen Suchworten vorstrukturierten Neuigkeiten", beschreibt Bullinger das neue Feature. Dadurch hat sich die Arbeitsweise grundlegend geändert: Während bei der herkömmlichen Navigation viel Zeit damit verging, nach wichtigen Daten zu suchen, wird jetzt eher gezielt auf News reagiert. "Mittlerweile nutzen die Pilotanwender nicht mehr die ursprüngliche Navigation über den Notes-Client, sondern verlassen sich voll auf das Portal", stellt Bullinger zufrieden fest. Demnächst möchte er auch die Terminkalender und E-Mail-Postfächer in Net Portal einbinden.

Regen Gebrauch macht der IT-Chef auch von den Konnektoren des Mediapps-Produkts, über die man externe Inhalte ins Firmenportal einklinken kann. Net Portal erstellt einen Link mit einer kurzen Inhaltsangabe der dahinter liegenden Nachricht. Klickt der Nutzer die Verbindung an, landet er auf den originalen Web-Seiten des Inhaltsanbieters. Die Verantwortung für die legale Content-Nutzung trägt nicht Carl Zeiss, sondern Mediapps.

Demnächst soll auch das Extranet von Carl Zeiss, das die Firma mit Kunden und Lieferanten verbindet, auf Net Portal umgestellt werden. Zu den zehn bereits vorhandenen Informationsbouquets sollen weitere kommen. Gerade wurden mit den Magazinen "Spiegel" und COMPUTERWOCHE sowie Wetterinformationen und Aktienkursen die ersten externen Kanäle integriert. Auch interne Informationen aus Datenbanken sind als Kanäle vorgesehen. Für sie will das Unternehmen selbst Konnektoren entwickeln. Das dafür nötige Formular von Mediapps ähnelt in seiner Struktur denen von Lotus-Notes-Dateien. "Damit einen Konnektor zu programmieren dauert oft nur rund eine halbe Stunde", sagt Bullinger.

Auch kostenpflichtiger Content wie zum Beispiel Patentdatenbanken oder Branchenmarktplätze will der Optikhersteller künftig in die Portaloberfläche einbinden - ob sich das Unternehmen hierzu direkt an Content-Lieferanten oder Mediapps wenden wird, steht noch nicht fest. Zudem denkt der Zeiss-Mann daran, Kanäle für das Computer Based Training zu implementieren. Weitere Nutzeffekte verspricht er sich von der Integration mit einem Dokumenten-Management-System. "Damit könnten wir den Anwendern zum Beispiel eine Favoritenliste bieten, in der sie die aktuellen Dokumente finden, die sie editiert haben", erklärt der DV-Manager.

Hohe Erwartungen setzt Bullinger in ein semantisches Suchsystem, an dem Mediapps derzeit arbeitet. Eigentlich war die Lieferung bereits für Anfang des Jahres vorgesehen, sie hat sich jedoch verzögert. Die Suchmaschine will der Hersteller bis Ende 2001 auf den Markt bringen. Das System erkennt aus der Fragestellung den Zusammenhang, in dem ein Wort gebraucht wurde, und liefert deshalb nur sinnvolle Fundstellen.

Auch andere Niederlassungen der Firma sollen Net Portal nutzen. Welche Wartungskosten auf Dauer anfallen, muss sich noch zeigen. Installation und Pflege des Portals sind bisher eher nebenbei gelaufen. "Derzeit ist besonders das Design aufwändig, weil wir die Informationen so nutzerfreundlich wie möglich darstellen wollen", so IT-Mann Bullinger. Der Nutzen der Implementierung lässt sich kaum beziffern. Mitarbeiter brauchen weniger Zeit, um nach Informationen zu suchen, und verpassen wichtige Neuigkeiten nicht mehr. "Das ist vielleicht mehr wert als ein paar Mark Einsparung hier oder da."

*Ariane Rüdiger ist freie Journalistin in München.

Carl ZeissCarl Zeiss, 1846 in Jena als Werkstatt für Feinmechanik und Optik gegründet, ist heute ein führendes Unternehmen für optische Technologien in Europa. Die zwei Kernstandorte des Hauses sind Oberkochen in Baden-Württemberg (Bereiche Halbleitertechnik, Medizintechnik, Industrielle Messtechnik sowie Markenoptik) und Jena in Thüringen (Bereiche Mikroskopie und Optisch-elektronische Systeme). In Nordamerika, dem größten Markt des Unternehmens, ist Carl Zeiss mit fünf Produktions- und zwei Vertriebsstandorten vertreten. Erfindungen und Errungenschaften aus dem Hause Carl Zeiss sind unter anderem das Prismen-Doppelfernglas (1894), der superglatte Spiegel des Röntgensatelliten Rosat sowie hochauflösende Objektive, wie sie bei der Fertigung von 256-Mbit-Speicherchips benötigt werden.