Informationen muessen als Ressourcen gemanagt werden IT entspricht meist nicht mehr den Unternehmenszielen

29.07.1994

Informationen sind Ressourcen, von deren richtiger Behandlung der Erfolg eines Unternehmens unmittelbar abhaengt. Die Informationsverarbeitung (IV) muss sich daher permanent mit den Geschaeftszielen wandeln. Rolf Lauser* unterbreitet Vorschlaege fuer ein zukunftsgerichtetes Informations-Management.

Die Struktur und die Funktionaliaet der heute in Unternehmen eingesetzten Informationstechnik (IT) ist an den Unternehmenszielen orientiert, die aktuell waren, als Systeme der IV erstmalig installiert wurden. Die seitherigen Markt- und Geschaeftsveraenderungen hat die IV in der Regel nicht nachvollzogen, so dass sie den aktuellen Anforderungen vielfach nicht mehr entspricht 1).

Die derzeit in industriellen Organisationen uebliche IV stellt lediglich eine vergangenheitsorientierte, maschinell gestuetzte Verwaltung und Verarbeitung von operativen Massendaten dar 2). Mit dieser Art IV lassen sich die aktuellen und historischen Geschaeftsvorfaelle dokumentieren. Sie unterstuetzt also neue Aktionen lediglich, insofern diese Reaktionen auf bereits eingetretene Umweltaenderungen darstellen. Massendatenverarbeitung dieses Typs hat innerhalb einer Organisation eine Funktion, die der der Buchhaltung aehnelt.

Aktuelle Hardware, Software und Kommunikationstechnik koennen aber erheblich mehr, als nur alte operative Massendaten speichern, verwalten, verarbeiten und den Anwendern zur Verfuegung stellen. IT ist heute sehr wohl in der Lage, Unternehmen bei einer aktiven, zukunftsorientierten Datenakquisition und

-verwaltung zu unterstuetzen.

Beispiele sind der Uebergang von zentralen Rechenzentren, bei denen im Master-Slave-Betrieb dezentrale Terminals ohne eigene Intelligenz eingesetzt wurden, zum Client-Server-Konzept sowie der Einsatz von vernetzten Arbeitsplatzsystemen. Mit Hilfe dieser Systeme koennen IV-Werkzeuge in Arbeitsgebiete eingefuehrt werden, wo die Beschaeftigten unter den Bedingungen der zentralen DV aus Gruenden der Verarbeitungskapazitaet, der Systemarchitektur und auch der Bedienungsfreundlichkeit ohne diese Unterstuetzung auskommen mussten.

Waehrend bei der heute noch vorherrschenden Massen-DV zukunftsgerichtete Informationen meist das Produkt eines mehr oder weniger gluecklichen Zufalls sind, muesste eine aktive, zukunftsgerichtete IV hier zur Erarbeitung und Umsetzung geeigneter Strategien beitragen 3).

Was Informationen fuer

Organisationen bedeuten

Auf der Basis einer empirischen Untersuchung, die in den USA durchgefuehrt wurde, kann festgestellt werden, dass der Wohlstand einer Gesellschaft heute nicht mehr durch den Grad der industriellen Entwicklung bestimmt wird, sondern durch die Faehigkeit, Informationsressourcen zu akquirieren, zu verarbeiten, sie schnell und breitenwirksam zu diffundieren und in zweckorientiertes Wissen umzuset-

zen 4). Diese eher volkswirtschaftlich orientierte Aussage zum Wert von Informationen 5) und Informationsverarbeitung laesst sich problemlos auf industrielle Organisationen uebertragen. Danach waere der Erfolg eines Unternehmens im wesentlichen durch ihre Faehigkeit bestimmt, Informationen zu gewinnen (extern zu akquirieren), zielgerichtet zu verarbeiten und anzuwenden.

Die betriebswirtschaftliche Theorie geht klassischerweise von drei Produktionsfaktoren aus:

- Arbeit in ihrer dispositiven und objektbezogenen Auspraegung,

- Betriebsmittel vom Grundstueck bis zur Vorrichtung sowie

- Werkstoffe (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe).

Akzeptiert man die bisherigen Ueberlegungen, so kommt ein weiteres Element hinzu: die Information 6). Anders als bei den drei klassischen Faktoren lassen sich ihre Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg allerdings derzeit nicht quantifizieren. Daher ist der Faktor Information sehr viel schwerer operationalisierbar als die anderen. Trotz dieser Probleme stehen heute die qualitativen Auswirkungen der Information und der IV auf den Erfolg eines Unternehmens ausser Zweifel.

Kein Unternehmen ist in der Lage, eine Marktprognose oder eine Produktplanung durchzufuehren, ohne dabei auf Informa-tionen ueber Zielmaerkte und Konkurrenzprodukte zurueckzugreifen. Dabei haengt die Qualitaet dieser Planungen immer von der Qualitaet der Informationsbasis ab. Je zukunftsorientierter diese Basis ist, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass Prognosen eintreffen. Rein vergangenheitsorientierte Informationen sind lediglich Notbehelfe 7).

Eine fachmaennische Nutzung von Informationen wird in Zukunft notwendig sein, um am Markt ueberleben zu koennen. Dafuer gibt es drei Gruende 8):

- Die Erhoehung der Kapitalintensitaet: Durch die Automatisierung der Produktion steigt die Kapitalintensitaet der Fertigung so stark, dass die Einfuehrung eines neuen Produktes nur nach einer sorgfaeltigen Marktevaluierung auf der Basis aller relevanten Informationen moeglich ist. Nur dadurch sind Fehlentwicklungen vermeidbar, und nur wenige Unternehmen sind in der Lage, mehrere solche Missgriffe zu verkraften.

- Die Internationalisierung der Maerkte: Besonders bei High-Tech- Produkten sind die Heimatmaerkte der Unternehmen oft zu klein, als dass diese ueberhaupt wirtschaftlich produzieren koennten. Deshalb muss ins internationale Geschaeft ausgewichen werden. Ueber dieses muessen aber genauso Informationen beschafft und zur Verfuegung gestellt werden wie ueber die Heimatmaerkte. Dadurch vervielfachen sich die zu akquirierenden und zu verarbeitenden Informationen.

-Die Komplexitaetserhoehung durch Systemverflechtung: Die Verflechtung der Unternehmen mit ihrer Umwelt wird immer komplexer. Die Beschaffung und Verarbeitung der Informationen, anhand derer ein Unternehmen dennoch den Ueberblick behalten kann, bindet einen immer groesseren Teil seiner Ressourcen.

Das Management der

Produktionsfaktoren

Unternehmen brauchen einen an ihren Zielen orientierten kombinierten Einsatz ihrer Produktionsfaktoren. Diese Verbindung vollzieht sich jedoch nicht von selbst. Sie ist vielmehr das Ergebnis planender und steuernder Taetigkeiten, die durch eine permanente Kontrolle bezueglich ihrer Zielrelevanz ergaenzt werden muessen. Man bezeichnet sie im allgemeinen als strategische Management-Taetigkeiten. Im einzelnen gehoeren dazu die folgenden Funktionen:

- Die Erarbeitung von operativen Zielen und deren Nebenbedingungen aus den uebergeordneten Unternehmenszielen,

- die Planung des Ressourcenbedarfs,

- die Koordination der Ressourcen im Hinblick auf die Ziele der Organisation sowie

- die Kontrolle der Zielerreichung.

Die herausragende Funktion des Managements ist dabei die Planung der einzelnen Unternehmensbereiche wie Finanzen, Produktspektrum oder Personal, wobei diese Kalkulationen immer von den autorisierten Zielen des Unternehmens sowie deren Nebenbedingungen ausgehen muss. Da aber alle diese Aufgaben nur dann bearbeitet werden koennen, wenn die notwendigen Informationen vorliegen, sollte die IV genauso wie die anderen Unternehmensbereiche einem Management-Prozess unterworfen und in die Gesamtstrategie integriert werden.

Strategisches

Informations-Management

Derzeit existiert keine allgemein anerkannte Definition fuer den Begriff "Informations-Management". Die vorhandenen Definitionsansaetze sind eher diffus als operational. Bisherige Versuche sind 9):

- Das Informations-Management umfasst die Gestaltung aller Geschaeftsprozesse zum Bereitstellen der Ressource Information einschliesslich der aufbauorganisatorischen Massnahmen.

- Informations-Management ist die Summe aller Massnahmen, die zur Beherrschung des Produktionsfaktors Information fuehren.

Trotz ihrer nur geringen Operationalitaet ergeben sich aus diesen Definitionsversuchen zwei wichtige Punkte:

- Informations-Management ist mehr als die operative Leitung des Organisations- und DV-Bereiches eines Unternehmens.

- Informations-Management laesst sich nicht erschoepfend im Rahmen der Diskussion ueber Management Information Systems

(MIS) und Executive Information Systems (EIS) eroertern.

Wie jeder andere Management-Bereich einer Organisation hat auch das Informations-Management eine strategische, auf

die langfristige Zieldefinition ausgelegte, und eine operative, an der konkreten Zielerreichung orientierte Auspraegung 10). Im folgenden sollen diese beiden Bereiche voneinander abgegrenzt werden.

Strategisch orientierte Funktionen des Informations-Managements sind:

- Die Erarbeitung und Fortschreibung von langfristigen, an den allgemeinen Zielen und Rahmenbedingungen der Organisation orientierten Zielen der IV. Dabei ist besonders darauf zu achten, dass diese Ziele weder statisch noch autonom sind. Vielmehr haengen sie direkt von den jeweiligen allgemeinen Unternehmenszielen ab, was immer wieder Anpassungen noetig macht.

- Die Analyse des von den Unternehmenszielen abgeleiteten Bedarfs der einzelnen Unternehmensbereiche an der Ressource Information. Dabei geht es nicht nur um Art, Quantitaet und Qualitaet der Informationen. Von genauso grosser Bedeutung sind der jeweilige Zweck der Informationsverwendung sowie die geforderte Weise der Informationspraesentation.

- Die Erarbeitung und Fortschreibung einer Konzeption der Strukturorganisation der IV. Wichtig ist hierbei, dass diese Planung nicht auf den Kern der bisherigen DV, also etwa auf RZ- Betrieb und Software-Entwicklung, beschraenkt bleibt. Vielmehr muessen auch die Bereiche der Organisationen in die IV-Struktur eingebunden werden, die ausserhalb der herkoemmlichen DV operieren.

- Die Planung des Technikeinsatzes im Zusammenhang mit der IV. Das betrifft nicht nur den Hardwarebereich. Die Verwendung von Softwarewerkzeugen und der Kommunikationstechnik, besonders im Hinblick auf eine IV, die die gegebenen Grenzen der Organisation ueberschreitet, sind genauso wichtig.

Zu den operativ orientierten Funktionen des Informations- Managements zaehlen:

- Die Konkretisierung der Vorgaben des strategischen Informations- Managements im Sinne einer Ziel-Mittel-Relation. Das umfasst einerseits die Ableitung von kurzfristigen Zielen aus den uebergeordneten strategischen Vorgaben und andererseits die Herausarbeitung von Konzepten, die zur Erreichung der Vorgaben geeignet sind.

- Die Beschaffung, Verwaltung und Bereitstellung der Informationen, die fuer die Ereichung der Unternehmensziele gemaess den strategischen Zielvorgaben erforderlich sind. Hierbei ist besonderes Augenmerk auf Informationen zu legen, die im normalen Geschaeftsgang der Organisation nicht zugaenglich werden. Sie fliessen nicht, wie beispielsweise Auftraege, Rechnungen oder Personaldaten, von selbst in den IV-Prozess ein.

- Die Regelung der kurzfristig orientierten Prozess- und Strukturorganisation der IV. Sie betrifft gleichermassen zentrale wie dezentrale und umfasst neben hardware- und kommunikationstechnischen Komponenten auch die Problematik der Datensicherheit sowie die Bereitstellung von leistungsfaehiger System- und Anwendungssoftware.

- Neben diesen speziellen Aufgaben des operativen Informations- Managements sollen hier die allgemeinen Anforderungen wie Personalplanung, Budgetgestaltung sowie Steuerung und Kontrolle nicht naeher eroertert werden, da diese in allen Management- Bereichen gleichermassen vorkommen.

Der Stand

der Dinge

Derzeit ist die Anwendung des Informations-Managements in Organisationen weitgehend auf die operativen Komponenten beschraenkt. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei:

- der technische Betrieb der IV,

- die Gestaltung der Ablauforganisation,

- die Pflege und Neuentwicklung von IV- Anwendungen sowie

- die Bereitstellung von Hardwarekomponenten.

Kennzeichen dieser Anwendung des Informations-Managements ist eine technikgepraegte und auf akute Anforderungen reagierende IV. Diese deckt aber nur einen kleinen Teil der gesamten Aufgaben ab, die IV in einem Unternehmen erfuellen muss. Die Gestaltung von zukunftsorientierten Organisationsformen und der dazu notwendigen Informationssystemarchitekturen 11) ist damit noch nicht geleistet.

Dabei soll nicht bestritten werden, dass das Management von IV- Prozessen ohne technische Komponenten nicht moeglich ist. Die verfuegbare Technik stellt immer die Basis fuer eine zielfuehrende IV dar. Genauso wichtig ist allerdings das strukturelle Umfeld der Organisation und die daraus abgeleiteten Funktionen und Rahmenbedingungen. So wirken sich die Ziele der Organisation gleichermassen auf die Anforderungen an die IV aus wie eine angestrebte effiziente Nutzung von Informationen die Strukturen und Arbeitsablaeufe der Organisation beeinflusst 12). Dieser Zusammenhang wird aber in der Praxis derzeit noch weitgehend ignoriert, mit dem Ergebnis, dass lediglich reagiert und nicht aktiv gestaltet wird.

Forderungen

fuer die Zukunft

Ein zukunftsorientiertes Informations-Management sollte folgenden Anforderungen gerecht werden:

- Es muss einen Uebergang von der reaktiven zur aktiven Nutzung des Produktionsfaktors "Information" bezwecken.

- Anzustreben ist eine an den Zielen der Organisation orientierte Gestaltung aller IV-Prozesse, die weit ueber die Verarbeitung der operativen Unternehmensdaten hinausgeht.

- Das Informations-Management darf nicht ausschliesslich technisch orientiert sein. Vielmehr muessen technische, struktur- und ablauforganisatorische Gesichtspunkte gleichgewichtig beruecksichtigt werden.

Informationen sind kein Selbstzweck, sondern Planungs- und Entscheidungsgrundlagen fuer die gesamte Organisation. IV ist deshalb immer eine Dienstleistung fuer die funktionalen Unternehmensbereiche, die die eigentlichen Ziele der Organisation anstreben.

Alle wichtigen Ablaeufe in einer Organisation sind miteinander verknuepft. Es darf deshalb, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine Informationen geben, die das Eigentum eines Unternehmensbereiches sind. Die einer Organisation zugaenglichen Informationen muessen im allgemeinen allen Funktionsbereichen zugaenglich sein.

Aus alledem geht die Hauptaufgabe des Informations-Managements hervor: Es hat die Ressource Information im notwendigen Umfang und zum benoetigten Zeitpunkt allen beteiligten Stellen zur Erfuellung der Organisationsziele bereitzustellen. Das ist nichts anderes als die Anwendung des Just-in-time-Prinzips der Logistik auf die IV.

Literaturhinweis:

1) H. Jakob, Ganzheitliche Ansaetze zur Informatikplanung, in: Online 10/1993, S. 58

2) C. Vallone, Informationsmanagement wird zur Fuehrungsaufgabe, in: Industrielle Organisation (IO) 2/1990, S. 55 ff.

3) H.D. Litke / A. Voegele, Informationsmanagement als Fuehrungsaufgabe in: FhG-Berichte 1/86 (Information als Produktionsfaktor) Muenchen 1986

4) C. Vallone, Informationsmanagement wird zur Fuehrungsbasis, in: Industrielle Organisation 1/1990, S. 80

5) Wobei nach P.F. Drucker (Office Management 11/1990, S. 16) unter Informationen die Daten verstanden werden, die fuer Zweck und Ziel der Organisation relevant sind.

6) C. Vallone, a.a.O. S. 81 ; H.C. Angermeyer, Informationsmanagement als organisatorische Aufgabe, in: ZfO 3/1990,

S. 177; P. Goedicke, Wissensmanagement - aktuelle Aufgaben und Probleme, in: Industrielle Organisation 4/1992, S. 67

7) P. Goedicke, a.a.O., S. 67

8) C. Vallone, a.a.O., S. 83

9) H. Angermeyer, a.a.O., S. 176; B. Schwarzer, Die Rolle der Information und des Informationsmanagements in Business Process Re-Engineering-Projekten, in: IM (Information Management) 1/1994, S. 31

10) J.Griese, Ziele und Aufgaben des Informationsmanagements, in: Kurbel/Strunz

(Hrsg.) Handbuch Wirtschaftsinformatik, Stuttgart 1990

11) B.Schwarzer, a.a.O., S. 30

12) P. Drucker, a.a.O., S. 14 ff.

Professor Rolf Lauser lehrt Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Muenchen.