Die neue Rolle des CIO/Einer für alles oder wer für was?

Information Officer und andere C-Spielarten

05.10.2001
Kaum etabliert, wird der CIO auch schon wieder tot gesagt. An die Stelle des einen IT-Strategen sollen, so meinen einige Analysten, Spezialisten für unterschiedliche Teilaufgaben treten. Doch Cheftechnologe, Wissens- und Change-Manager können die Position des CIO allenfalls ergänzen. Von Christiane Eckardt*

Englische Berufsbezeichnungen haben ihren festen Platz auf den Visitenkarten deutscher Unternehmen erobert. Auf der Führungsebene geben sich CIO (Chief Information Officier), CTO (Chief Technology Officier) und CKO (Chief Knowledge Officier) die Klinke in die Hand. Allesamt erfüllen sie spezifische Aufgaben im Unternehmen: Der CIO wartet mit technologisch-strategischen Fähigkeiten auf, um über die IT neue Geschäftsfelder zu erschließen. Der CKO gestaltet mit Organisationstalent und Einfühlungsvermögen eine Wissenskultur im Unternehmen. Durch Technik-Know-how und ständige Marktanalyse hält der CTO die IT-Struktur auf dem neuesten Stand. Und der Change-Manager unterstützt die Veränderungsprozesse des Unternehmens.

Die Anfang der neunziger Jahre in den USA eingeführte Berufsbezeichnung CIO hat in Deutschland den bis dahin bekannten "DV-Leiter" abgelöst. Im angelsächsischen Raum bezeichnet das Etikett CIO eine Top-Management-Position für die IT im Vorstand. Dies gilt im europäischen Kontext nicht unbedingt. Hier spiegelt der Begriffswechsel vielmehr die gravierender gewordene Rolle der IT innerhalb der Unternehmen wider: Mit deren strategischer Bedeutung für die Unternehmensprozesse nehmen auch die Aufgaben und Kompetenzen des obersten IT-Managers zu. Hat sich der DV-Leiter in den achtziger Jahren vorwiegend um das operative Tagesgeschäft gekümmert, so sind für den CIO andere Aufgabenbereiche hinzugekommen, beispielsweise Prozessoptimierung und Koordination globaler Projekte.

Im Wesentlichen erfüllt der CIO im Unternehmen zwei Aufgaben: Zum einen sorgt er dafür, dass sich die Entwicklung der Informationstechnik für die Weiterentwicklung der Geschäftsstrategie nutzen lässt und dass die IT-Infrastruktur diese Unternehmensstrategie abbildet. Beispielsweise wird durch ein System für das Customer-Relationship-Management die Bindung zwischen Kunden und Unternehmen intensiviert, und durch virtuelle Marktplätze lassen sich neue Geschäftsfelder erschließen. Die zweite Aufgabe des CIOs ist die eines internen Dienstleisters: Er organisiert, implementiert und pflegt die IT-Architektur des Unternehmens.

Auf welcher Ebene der CIO angesiedelt ist und mit welchen Kompetenzen diese Position ausgestattet ist, variiert von Unternehmen zu Unternehmen. Konfliktträchtig ist eine Konstellation, innerhalb derer der CIO an den Chief Financial Officier (CFO) berichten muss, denn der Return on Investment der IT-Systeme tritt oft mit großer Verzögerung ein, während der CFO in kurzfristigen Zahlen denkt.

Die Management- und Technologieberatung Diebold empfiehlt, die Position des höchsten IT-Managers nicht tiefer als auf der ersten Berichtsebene des Vorstandes beziehungsweise der Geschäftsführung anzusiedeln. Je höher der CIO in der Unternehmenshierarchie angesiedelt ist, desto mehr Möglichkeiten hat er, die IT-Strategie und -Infrastruktur des Unternehmens mitzugestalten.

Bezahlt machen sich für einen CIO gewisse Controlling-Fähigkeiten, denn die IT-Etats rangieren im Allgemeinen unter den ersten fünf Plätzen auf der Skala der höchsten Unternehmensausgaben. Im Alltagsgeschäft sind außerdem Persönlichkeitsstärke und Kommunikationsfähigkeit gefragt. Schließlich muss der CIO die IT-Investitionen gegenüber der Geschäftsführung und den Mitarbeitern "verkaufen".

CIO und CTO - einer zu viel?In den USA gang und gäbe, hierzulande selten: der Chief Technology Officer als zweite IT-Führungskraft. Der Cheftechnologe ist - im Gegensatz zum CIO - ausschließlich für die technische Ausstattung im Unternehmen zuständig. Strategische Gesichtspunkte des IT-Einsatzes zählen nicht zu seinem Aufgabenbereich.

In der Praxis deutscher Unternehmen lautet derzeit die Devise: entweder CIO oder CTO. Eine Ausnahme bildet sicherlich das Deutsche-Bank-Doppel Lamberti und Nagel: CTO Johannes Nagel hat direkten Zugang zum Vorstandsmitglied Hermann-Josef Lamberti, der als CIO den Bereich Global Technology and Services verantwortet. In US-Unternehmen, wo diese Konstallation häufiger vorkommt, berichtet der CTO ebenfalls an den CIO.

Bleibt die Frage, ob wirklich beide Positionen in einem Unternehmen benötigt werden. Überlässt der CTO sämtliche strategischen Gesichtspunkte dem CIO und sind - vice versa - dem CIO technische Gesichtspunkte fremd, arbeiten die beiden aneinander vorbei. Zugleich kann eine Doppelbesetzung zu langen und mühsamen Abstimmungsprozessen führen, wenn der CIO sich nicht nur mit der Geschäftsführung, sondern auch mit seinem Cheftechnologen über geplante IT-Investition einigen muss. Diebold geht davon aus, dass das Modell der Deutschen Bank auch künftig die Ausnahme bilden wird.

Das heißt aber nicht, dass der CIO allein arbeitet. Im Allgemeinen ist diese Position mit einem Mitarbeiterstab ausgestattet, der ihn mit technologischem Detailwissen in seiner strategischen Position unterstützt.

Das Internet versetzt Mitarbeiter und Abteilungen in die Lage, gezielt und einfach Informationen auszutauschen. Doch Information ist nicht gleich Wissen. Wissen bedeutet vernetzte Informationen, angereichert mit individueller Erfahrung. In Mitarbeiterköpfen, Papierdokumenten oder Servern schlummert wertvolles Wissen oft ungenutzt. Wichtige Trends in der Wirtschaft - beispielsweise Globalisierung, Fusionen und Prozesswechsel - verstärken die Tendenz zur Unwissenheit über das eigene Wissen. Darüber hinaus nehmen ausscheidende Mitarbeiter ihren Erfahrungsschatz über Prozesse, Kunden und Projekte unwiderruflich mit.

Aus dieser Not heraus ist die Position des Chief Knowledge Officer entstanden. Der CKO hat die Aufgabe, vorhandenes Wissen in einem Unternehmen sichtbar und zugänglich zu machen. Durch gezielte Maßnahmen wie Bonussysteme für "auskunftswillige" Experten fördert er das Bewusstsein dafür, dass Wissen geteilt werden sollte. Das ist keine leichte Aufgabe, denn in viele Köpfe hat sich das alte Motto "Wissen ist Macht" eingebrannt. Wissens-Management umfasst deshalb sämtliche Bereiche und Ebenen des Unternehmens.

CKO und CIO treffen beim Aufbau einer unternehmensweiten Informationsinfrastruktur aufeinander. IT kann im Bereich Wissens-Management immer nur ein unterstützendes Werkzeug sein, mit dem sich das "Offline-Wissen" der Mitarbeiter speichern und strukturieren lässt. Für die Erfüllung dieser Aufgaben stehen soziale Fähigkeiten im Vordergrund. Weitere Schlüsselqualifikationen sind Management-Fähigkeiten, Organisationstalent und Business-Know-how.

Der schwedische Finanz- und Versicherungsdienstleister Skandia Insurance Co. Ltd. hat Anfang der neunziger Jahre den ersten CKO ins Rennen geschickt. Unternehmen wie Daimler-Chrysler, Gerling AG, Münchner Rück und Ford haben ebenfalls den Nutzen dieser Position erkannt.

Wie die Position des CIO hängen auch die Kompetenzen des CKO von der Unternehmensführung ab. Oft ist der Chief Knowledge Officer im Bereich Human Resources angesiedelt. Für seinen Wirkungsbereich spielt eine Rolle, welches Wissen dem jeweiligen Unternehmen wichtig ist. So wird eine Firma, die Anregung und Wünsche ihrer Kunden bei der Entwicklung neuer Produkte berücksichtigt, den CKO im Kundenservice ansiedeln.

Der CKO etabliert eine neue Unternehmenskultur, die darin besteht, Wissen zu teilen. Aspekte des Knowledge-Management reichen auch in das Change-Management hinein.

Der Kummerkasten vom Dienst?Steht einem Unternehmen eine einschneidende Veränderung ins Haus - sei es eine Fusion oder die Umstrukturierung der IT -, ist der Change-Manager während der Übergangszeit erster Ansprechpartner der Mitarbeiter. Er trägt dafür Sorge, dass die Veränderungen verstanden sowie akzeptiert sind und Innovationen wirklich genutzt werden. Es liegt an ihm, Konfliktpotenziale frühzeitig zu erkennen und präventiv einzugreifen. Der Change-Manager gehört ebenso wenig zur IT-Management-Ebene wie der CKO.

Unter den Technikern stiftet übrigens die Ähnlichkeit der Begriffe Change-Manager und "Change-Management" Verwirrung. Die IT-Fachleute verbinden mit diesem Terminus technicus eine koordinierte Änderung, wie sie beispielsweise bei Anwendungssoftware, Middleware oder Hardware vorkommt.

Böse Zungen behaupten, dass die Vielzahl der CxO-Funktionen den etablierten CIO in eine Identitätskrise stürzen werde. Allen Unkenrufen zum Trotze werden die CTOs, CKOs und Change-Manager aber den CIO grundsätzlich nicht ersetzen können. Der CIO verfügt durch seine Kenntnisse und Fähigkeiten sowie durch seine Ansiedlung in der Unternehmenshierarchie über Kompetenzen, die weder CKO noch Change-Manager aufweisen.

Die große Bedeutung der IT für die Unternehmen hat den CIO auf den Plan gerufen, und der veränderte Stellenwert von Wissen hat den CKO in die Betriebe gebracht. Da keiner den anderen ersetzen kann, ist es notwendig, dass sie im Bedarfsfall effektiv zusammenarbeiten. Diese Positionen erfüllen ein kontinuierliches Bedürfnis der Unternehmen. Stehen gravierende Veränderungen an, sind die Verantwortlichen gut beraten, zusätzlich für eine gewisse Zeit einen Change-Manager einzusetzen.

*Christiane Eckardt ist Business Unit Manager bei der Diebold Deutschland GmbH in Eschborn.