Information ist keine Probierware

21.07.1995

Dieter Eckbauer

Das haetten die Konsumenten gerne: eine Flasche Wein kippen und erst dann mit Gaumensegel und -zaepfchen ueber den Erwerb abstimmen zu koennen. Das geht natuerlich nicht. Wein ist kein Probierprodukt wie das Auto oder der Ueberzieher. Es waere naiv zu glauben, dass nur bei Billigweinen, auf die durstige Nachfrager mit geringer Kaufkraft ausweichen muessen, der "Kater" im Ballon gekauft werden muss. Qualitaetsbewusste Verbraucher vertrauen auf das Guetesiegel. Fachleute wie Gastronomen oder Hoteliers kennen das Angebot, treffen quasi als Testexperten fuer ihre Gaeste eine Vorauswahl. Erst dann schlaegt die Stunde der Wahrheit. Damit ist ein Szenario skizziert, das auch auf die Ware Information zutrifft.

Brancheninsider sehen sofort, was falsch laeuft im Markt der neuen Online-Dienste. Doch halt, das Kompliment war voreilig. Ist den Online-Protagonisten wirklich klar, wovon sie reden? Schauen wir uns das Teleshopping an: Ob ein kaeuflicher Gegenstand gut ist, laesst sich im Internet nicht feststellen, und wer dem Qualitaetsgeheimnis auf die Spur kommen will, der ist auf Informationen ue b e r Produkte angewiesen. Da ist es wichtig, von wem diese Infos stammen. Dass die digitale Marketing-Performance, die die Anbieter auf hastig und schlampig erstellten Home-Pages im Internet veranstalten, den Online-Schaufensterbummlern noch lange nicht zusagen muss, sollte eine Binsenweisheit sein.

Dem ist nicht so. Alle reden ueber Behaelter und Transportwege, Server und Information-Highways, weil die Boxen vom Preis- Leistungs-Verhaeltnis her guenstig zu haben sind beziehungsweise weil die Benutzung, etwa beim Internet-Surfen, kaum etwas kostet. Leute, kauft Wein, so billig in der Herstellung waren die Wein- Container und die Bottles noch nie! Wuerde die Weinlobby so werben? Das sollten sich die Online-Marketiers einmal fragen. Als ob es auf die Flasche ankaeme - Ausnahmen wie der Boxbeutel bestaetigen die Regel. Gewiss, fuer den Transport sind die Behaelter unerlaesslich; doch es hilft nichts, wenn die Online-Anbieter keine Vorstellung davon haben, wie sie zur Sache selbst stehen sollen.

Bei Dingen zum Anfassen ist es noch relativ einfach. Niemand wird sich der Illusion hingeben, dass das Internet die Kaufgewohnheiten grundsaetzlich veraendert: Pille bleibt Pille, da helfen keine Multimedia-Maetzchen. Doch wie verhaelt es sich, wenn das Produkt die Information an sich ist, also im Geschaeft der Medien? Information ist kein Probiergut, das man ins Regal zurueckstellen kann. Nachrichtenwert hat nur, was einen neugierig macht, und man sollte den Quellen trauen koennen. Hier haben wir es mit einem Qualitaetsmerkmal zu tun. Von nichts kommt nichts. Also sollten sich die Anbieter ihre Dienste auch anstaendig bezahlen lassen. Davon sind wir in der Informationsbranche, die sich der neuen Medien bedient, noch weit entfernt. Wie es aussieht, scheut sie die Stunde der Wahrheit. Fuer IT-Praktiker ist dies insofern von Bedeutung, als sie sich auf ein eher moderates Entwicklungstempo einstellen koennen. Alles andere waere ein multimediales Wunder.