Traumarbeitgeber der IT-Studenten

Informatiker wollen immer noch zu Google

26.05.2015
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Die IT gilt als schnelllebig, doch Google kann sich seit immerhin sieben Jahren als Wunscharbeitgeber der angehenden Informatiker behaupten. Das bestätigte die Befragung von 6600 IT-Studenten durch das Trendence-Institut aus Berlin.
  • Der Traumarbeitgeber für angehende Informatiker ist und bleibt Google
  • Klassische Industriekonzerne wie Kuka oder ZF Friedrichshafen werden immer attraktiver
  • Sie profitieren von Zukunftsthemen wie Industrie 4.0

Was fasziniert Absolventen an Google? "Wir sind eine weltweit bekannte Marke mit Produkten, die viele nutzen und mögen", sagt Christina Svaerke, Personalerin im Münchner Entwicklungszentrum von Google. Weltweit ­erhält der Konzern, der mehr als 55.000 Mitarbeiter beschäftigt, über 2,5 Millionen Bewerbungen im Jahr. Während in Hamburg und Berlin die Vertriebsmitarbeiter angesiedelt sind, entstand im Jahr 2006 in München ein Büro für Entwickler. Einen Steinwurf vom ­Marienplatz entfernt residieren die Tüftler im Alten Hof, einer der exklusivsten Münchner Adressen. Mittlerweile arbeiten dort mehr als 200 Beschäftigte. Weitere 25 Positionen für Entwickler sollen noch besetzt werden.

Unter den deutschen IT-Studenten ist Google auf Platz eins der beliebtesten Arbeitgeber. Doch auch klassische Industriekonzerne werden immer beliebter.
Unter den deutschen IT-Studenten ist Google auf Platz eins der beliebtesten Arbeitgeber. Doch auch klassische Industriekonzerne werden immer beliebter.
Foto: Tom Wang - shutterstock.com

Wie alle namhaften Unternehmen interessiert sich Google vor allem für die besten Absolventen. Einen Master und ­Berufserfahrung sollten alle Bewerber mitbringen, auch eine Promotion kann Türen öffnen. Bachelor-Absolventen werden nur selten eingestellt. Gelockt werden die Talente mit Zuwendungen, deren Spektrum von Massagen über Fitness-Angebote bis hin zu einer erstklassigen Kantine reichen, die auch um Mitternacht noch geöffnet ist und gerne Sonderwünsche erfüllt. In der Weiterbildung erwartet Google Eigeninitiative. Die Mitarbeiter besuchen regelmäßig Weiterbildungen, wenn es Projekt und Vorgesetzter erlauben. Allerdings halten sich die Mitarbeiter auch gegenseitig über neue Trends auf dem Laufenden. "Wir machen auch viel intern", sagt Svaerke.

Wer ein Praktikum bei Google absolvieren möchte, muss sich früh darum kümmern. Für dieses Jahr sind längst alle Plätze vergeben. Google akzeptiert nur Bewerbungen auf konkrete Stellenausschreibungen über seine Web­site. Auch wenn Algorithmen die Suche der Website bestimmen, versichert Svaerke, dass jede Bewerbung von einem Mitarbeiter gesichtet wird. Hoch sind die Hürden für Bewerber, die in der Google-Zentrale an der amerikanischen Westküste anheuern wollen, so die Personalerin: "Wer neu zu Google kommt und gleich in den USA arbeiten möchte, hat es schwer, ein Visum zu bekommen. Doch wer hier in Deutsch­land für uns arbeitet, kann leichter für einen Auslandsaufenthalt ins Headquarter wechseln."

Christina Svaerke, Google: „Wir erhalten weltweit 2,5 Millionen Bewerbungen im Jahr, die Praktikumsplätze sind für dieses Jahr ausgebucht.“
Christina Svaerke, Google: „Wir erhalten weltweit 2,5 Millionen Bewerbungen im Jahr, die Praktikumsplätze sind für dieses Jahr ausgebucht.“
Foto: Google

Unternehmen müssen für sich werben

Das Ranking der begehrtesten IT-Arbeitgeber hält immer auch Überraschungen ­bereit. ZF Friedrichshafen eroberte Platz 38 und erzielte damit sein bislang bestes Ergebnis. Der Automobilzulieferer vom Bodensee feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag und beschäftigt weltweit 71.400 Mitarbeiter.

Genoss ZF bislang vor allem bei Ingenieuren einen guten Ruf, so haben jetzt auch IT-Profis das Unternehmen für sich entdeckt. "Wir haben in den vergangenen Jahren viele Informatiker eingestellt. Im IT-Sektor beschäftigen wir mehr als 1300 Mitarbeiter", sagt Martin Frick. Der studierte Wirtschaftsinformatiker begann seine Karriere dort vor knapp neun Jahren in der IT-Abteilung. Über ein Innovationsprojekt wechselte er ins Personal-Marketing und leitet dort heute ein achtköpfiges Team.

Viele Unternehmen haben verstanden, dass sie für sich werben müssen. Auch ZF inves­tierte in das Personal-Marketing. Auf Hochschulmessen kommt der Konzern genauso mit Studenten ins Gespräch wie in Universitäts­seminaren, Workshops und Firmenprojekten. "Die Kollegen aus den Fachbereichen erklären den Studenten, weshalb sie für ZF arbeiten und was sie begeistert. So lernen die Bewer­ber ihre künftigen Kollegen kennen", erklärt Frick. E-Books zu Programmiersprachen, den gewünschten Soft Skills oder zum Unternehmen selbst ergänzen als kostenlose Downloads das Angebot für Bewerber. Diese informieren sich über viele Kanäle. Auch kurze Filme über den Arbeitsalltag kommen gut an. "Die glänzenden Augen unserer Mitarbeiter, wenn sie über ihre Arbeit sprechen, sind die beste Werbung", sagt Frick - "so können wir unsere Unternehmenskultur gut vermitteln."

Martin Frick, ZF Friedrichshafen: „Die glänzenden Augen unserer Mitarbeiter, wenn sie über ihre Arbeit sprechen, sind die beste Werbung für uns.“
Martin Frick, ZF Friedrichshafen: „Die glänzenden Augen unserer Mitarbeiter, wenn sie über ihre Arbeit sprechen, sind die beste Werbung für uns.“
Foto: ZF Friedrichshafen AG

Work-Life-Balance überzeugt die Absolventen

Überzeugende Argumente sind für Bewerber auch ein sicherer Arbeitsplatz und ein mindestens tarifliches Gehalt. Eine 35- bis 40-Stunden-Woche kommen der Work-Life-Balance der Absolventen entgegen. Zwar firmiert ZF Friedrichshafen als Aktiengesellschaft, doch die Anteile halten keine renditebewussten Aktionäre, sondern zwei Stiftungen. Als sich Frick bei ZF bewarb, hatte ihn auch das Engagement des Unternehmens für "Mitarbeiter und Standorte sowie für soziale Projekte in der Region" begeistert.

Als Gründe, warum sich immer mehr Informatiker für den Konzern interessieren, nennt Frick Jobsicherheit, interessante Aufgaben und eine Unternehmenskultur, die den Menschen im Blick habe. 56 offene IT-Positionen gebe es momentan bei ZF Friedrichshafen. ­Bachelor-Absolventen seien hier genauso willkommen wie Master-Studenten, berufserfah­rene Informatiker oder Promovierte. ZF bildet Fachinformatiker aus und kooperiert mit dualen Studienprogrammen.

Bei ZF Friedrichshafen weiß man natürlich, wie knapp IT-Talente sind. Trotzdem bleiben die Ansprüche hoch: "Natürlich suchen wir wie alle anderen auch die Besten. Bewerber brauchen Praxiserfahrung, denn wir wollen sehen, dass sie die Theorie auch in die tägliche Arbeit übersetzen können", erläutert Frick. Interdisziplinäres Denken, eine hohe Leistungsbereitschaft und fundierte Englischkenntnisse seien Pflicht. Frick und seine Kollegen erleben Bewerber als pragmatisch: "Die jungen Leute machen sich Gedanken über ihren beruflichen Weg und ­wollen viel lernen." Mit Google will sich ZF nicht vergleichen: "Wir haben eine andere Unternehmenskultur, andere Aufgaben. Wir wollen, dass sich unsere Mitarbeiter bei uns wohlfühlen, und beraten Studenten auch, was sie bei uns erwartet." Eine hohe Jobzufriedenheit und niedrige Fluktuations­raten bestätigen, dass das Konzept aufgeht.

Industrie 4.0 zum Anfassen

Als das Tischtennis-As Timo Boll in einem ­Werbeclip gegen einen Kuka-Roboter spielte, sammelte das Video mehr als sechs Millionen Klicks auf Youtube und brachte die Themen Robotik und Industrie 4.0 auf die Bildschirme. Viele wollten wissen, wer hinter dem orangefarbenen Roboterarm steckt. "Wir beschäftigen uns mit der künftigen Arbeitswelt. Automatisierung ist ein Megatrend", sagt Oliver Kast, der das Thema Employer Branding für Kuka in Augsburg verantwortet. Software spielt in Forschung und Entwicklung des Unternehmens eine immer wichtigere Rolle.

In der Trendence-Studie der beliebtesten IT-Arbeitgeber zählen die bayerisch-schwäbischen Roboterbauer zu den Aufsteigern. In diesem Jahr belegt das Unternehmen, das weltweit 12.000 Mitarbeiter beschäftigt, Platz 53. Doppelt so viele IT-Absolventen wie vor einem Jahr wollen heute bei Kuka arbeiten.

Oliver Kast, Kuka: „Heute suchen wir weniger Maschinenbauingenieure, dagegen ist der Bedarf an Softwareentwicklern gestiegen.“
Oliver Kast, Kuka: „Heute suchen wir weniger Maschinenbauingenieure, dagegen ist der Bedarf an Softwareentwicklern gestiegen.“
Foto: Kuka AG

In der Forschungs- und Entwicklungsabteilung tüfteln 500 Mitarbeiter, 25 offene Positionen gibt es momentan für Informatiker mit einem Master-Abschluss und dem Studienschwerpunkt Softwareentwicklung. "Heute suchen wir weniger Maschinenbau-Ingenieure, dagegen steigt der Bedarf an Softwareentwicklern", erläutert Kast. "Seit mehreren Jahren beschäftigen wir uns intensiv mit dem demografischen Wandel, denn viele Mitarbeiter gehen in den kommenden Jahren in Rente. Heute gehen wir neue Wege, um Mitarbeiter zu gewinnen." Dazu zählen Kooperationen mit Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen. In der Region kennen alle das Unternehmen, doch Kuka möchte auch Absolventen außerhalb Bayerns nach Augsburg holen.

Innerhalb des Freistaats interessiert ihn vor allem der Großraum München. "Die Region ist attraktiv, es bewerben sich Kandidaten, die aus München raus wollen", schildert Kast. Auch in Augsburg warten ein Tarifvertrag sowie Sonderleistungen auf die Bewerber. "Wir bieten eine fundierte Einarbeitung sowie ein Patenprogramm. Bei uns sind eine Fach- und Führungslaufbahn möglich, die in beide Richtungen durchlässig sind. Wer nach einiger Zeit wechseln möchte, kann das tun."

"Trendence-Studie IT"

An 76 deutschen Hochschulen befragte das Trendence-Institut zwischen September 2014 und Februar 2015 exklusiv für die COMPUTERWOCHE mehr als 6600 Studierende aus IT-Studiengängen, die kurz vor dem Abschluss stehen. 72 Prozent der Teilnehmer streben einen Bachelor an, ein Viertel einen Master, und nur sehr wenige bereiten sich auf ein Diplom vor. Das Durchschnittsalter der Befragten lag bei 24 Jahren.