Absolventenbarometer 2000

Informatiker wählen ihren Traumarbeitgeber

22.02.2000
Von VON CW-Redaktuerin

Sie haben noch kaum Erfahrungen im Ausland gesammelt, wollen aber später international arbeiten. Sie stellen sich auf weniger Überstunden, dafür aber auf ein überdurchschnittliches Gehalt ein. Die Informatikstudenten von heute sind nicht etwa überheblich, sondern nur gut über die Arbeitsmarktlage informiert. Auch das ist ein Ergebnis des aktuellen IT-Absolventenbarometer, für den das Nürnberger Institut für Personal-Marketing Trendence in Kooperation mit der COMPUTERWOCHE über 2000 IT-Studenten an 40 deutschen Hochschulen interviewt hat.

So haben 90 Prozent der befragten Studenten, die alle bereits das Vordiplom hinter sich haben, noch keine Erfahrung im Ausland gesammelt, sei es während eines Studienaufenthalts oder eines Praktikums. Mehr als jeder zweite von ihnen strebt aber einen Beruf an, in dem er auch international arbeiten kann. Die internationale Ausrichtung war denn auch ein entscheidendes Kriterium bei der Auswahl des attraktivsten Arbeitgebers. An die Spitze haben die Befragten Siemens gesetzt (siehe Artikel "Von der Stammhauslehre in den Dschungel"). Für Winfried Hartl vom zentralen Personalbereich kommt das eindeutige Votum überraschend: "Bei den Ingenieuren wissen wir um unsere starke Position, bei den Informatikern hätten wir uns das nicht träumen lassen."

Dicht auf Siemens folgen IBM Deutschland auf dem zweiten und Sun Microsystems auf dem dritten Platz. Auch auf den folgenden Plätzen tummeln sich mit Firmen wie Daimler-Chrysler, Microsoft, SAP oder Nokia nur Konzerne von Weltrang. Vor allem bei Big Blue erwarten die Studenten globale Entwicklungsperspektiven, während bei der Entscheidung für die Java-Schmiede Sun eindeutig die interessanten Produkte und Technologien ausschlaggebend waren. Zu den wichtigsten Beweggründen für die Studenten gehören neben den Produkten oder Internationalität auch die interessanten Aufgaben und der erfolgreiche Marktauftritt eines Unternehmen. Bei der Wahl von Siemens fielen die beiden Punkte "sicherer Arbeitsplatz" und "attraktiver Standort" viel mehr ins Gewicht als bei den Konkurrenten.

Dass Sicherheit auch bei der "Generation @" gefragt ist, zeigt ein weiteres Ergebnis der Trendence-Studie: Für 70 Prozent der Befragten ist ein langfristiges Verdienstpotenzial wichtiger als ein hohes Einstiegsgehalt. Allerdings versteht ein Informatiker, angeregt durch den überhitzten IT-Arbeitsmarkt, unter hoch etwas ganz anderes als Ingenieurs- oder Betriebswirtschaftsstudenten, die von Trendence bereits im vergangenen Jahr befragt wurden. Letztere stellen sich auf ein durchschnittliches Einstiegsgehalt von jährlich 71 000 beziehungsweise 74 000 Mark ein, damit geben sich nur 25 Prozent der befragten IT-Studenten zufrieden. Jeder zweite erwartet mehr als 80 000 Mark, 16 Prozent der Befragten sehen sich im ersten Berufsjahr sogar schon bei 100 000 Mark und mehr.

Viel Geld für weniger Stress - getreu dieser Devise rechnen zwei Drittel der IT-Studenten mit höchstens 45 Wochenstunden Arbeit, während ein Drittel der Ingenieure und der Betriebswirte bis zu 55 Wochenstunden erwarten. Ein deutlicher Unterschied zwischen den Studienrichtungen ist auch bei der Laufbahnplanung auszumachen. Während vor allem Ingenieure längerfristig orientiert sind - 41 Prozent wollen zwischen fünf und sechs Jahre beim ersten Arbeitgeber bleiben-, haben dies nur 36 Prozent der angehenden Informatiker vor. 18 Prozent von ihnen sind mit einer Verweildauer von ein bis maximal zwei Jahren sogar sehr kurzfristig orientiert. "In diesen Antworten spiegelt sich die aktuelle Marktlage wider", analysiert Trendence-Geschäftsführer Carl Kjellberg. Ein weiteres Indiz für den engen Personalmarkt ist, dass bereits jeder Dritte der Befragten über einen Studienabbruch nachgedacht hat.

Wunsch nach großem Gestaltungsfreiraum

Über die bevorzugten Arbeitsgebiete haben sich über 30 Prozent der angehenden Informatiker dagegen noch überhaupt keine Gedanken gemacht. Die restlichen präferieren eindeutig die Softwareentwicklung (24 Prozent), gefolgt mit großem Abstand von den Bereichen Multimedia (sieben Prozent) und IT-Consultant (6,6 Prozent). Von Orientierungslosigkeit ist dagegen nichts zu spüren, wenn es um die Anforderungen an den künftigen Arbeitgeber geht: Auf die abwechslungsreichen Aufgaben folgt gleich die Forderung nach flexiblen Arbeitsbedingungen. Im Wunsch nach großem Gestaltungsfreiraum unterscheiden sich die Informatiker deutlich von den Betriebswirten und Ingenieuren, die diesen Aspekt erst unter ferner liefen nannten.

Auch wenn sich viele der Befragten nicht auf ein Aufgabengebiet oder eine konkrete Berufsbezeichnung festlegen wollen, spiegelt die Untersuchung ihre klare Konzentration auf die IT-Branche wider. Softwarehäuser, Computerhersteller, IT-Beratungen und die Telekommunikation bilden das Spitzenquartett. Weit abgeschlagen sind dagegen die Anwenderbranchen chemische Industrie, Versicherung oder Maschinenbau, die aber einen hohen Bedarf an IT-Kräften haben.

Das "Absolventenbarometer 2000 - Deutsche IT-Edition" beruht auf einer Internet-Umfrage von etwa 2040 IT-Studenten (Informatik, Wirtschaftsinformatik, Angewandte Informatik, Technische Informatik etc.). Das Personal-Marketing-Institut Trendence hat die 40 größten Hochschulen ausgewählt und alle immatrikulierten Informatiker im Hauptstudium per Post zur Befragung eingeladen. Durch ein persönliches Passwort sollte sichergestellt werden, dass keine Mitarbeiter von Unternehmen sich inkognito an der Aktion beteiligen. Neun Prozent der Teilnehmer waren Frauen, der Rest Männer, was auch dem Geschlechterverhältnis in IT-Studiengängen entspricht.