Arbeitsmarkt

Informatiker mit Prozesswissen gesucht

24.03.2011
Von 
Peter Ilg ist freier Journalist in Aalen.
Die chemische Industrie braucht IT-Spezialisten mit und ohne Branchen-Know-how.

Der Berater Ingo Schellhammer hat in zehn Berufsjahren schon viele Branchen und Firmen kennen gelernt. Nach seinem Abschluss in Wirtschaftsinformatik arbeitete er sieben Jahre in der Unternehmensberatung bei McKinsey. 2007 bekam der heute 36-Jährige - wie das bei Beratern nicht unüblich ist - das Jobangebot eines Kunden und nahm es an. Zwei Jahre leitete er bei Beiersdorf in Hamburg ein Team, dessen Aufgabe es war, die weltweite Forschung und Entwicklung des Konzerns mit IT zu unterstützen. Weitere zwei Jahre später wechselte er zum firmeneigenenen IT-Dienstleister, der Beiersdorf Shared Services GmbH, mit der Aufgabe, das Unternehmensarchitektur-Management aufzubauen. Heute ist er für die IT-Governance zuständig.

Der ehemalige McKinsey-Berater Ingo Schellhammer betreut heute die IT-Governance von Beiersdorf.
Der ehemalige McKinsey-Berater Ingo Schellhammer betreut heute die IT-Governance von Beiersdorf.
Foto: Ingo Schellhammer, Beiersdorf

Die Herausforderungen an die IT des Unternehmens beschreibt er so: Die Lieferkette ist global. Das Zusammenspiel zwischen Produktion, Lager und Logistik sollte möglichst optimal sein, weil unnötige Lagerbestände oder Lieferausfälle zu hohen Kosten führen. Zunehmend wichtig sei hierbei auch die nahtlose Zusammenarbeit mit dem Handel. Im Vergleich zu Banken etwa seien die IT-Kosten in der Kosmetikindustrie deutlich geringer und die Wahrnehmung der IT schon deshalb eine andere: "Ein wettbewerbsfähiges IT-Kostenniveau zu halten, ist zwar Teil unserer Aufgabe, unser Hauptaugenmerk liegt aber auf dem optimalen Einsatz von IT, um unsere Geschäftsprozesse effizienter zu machen." Deshalb sei die Nähe zu den Geschäftsprozessen Pflicht für die Informatiker, die bei Beiersdorf arbeiten.

An der Universität Hamburg gibt es im Master-Studiengang Bioinformatik die Vertiefungsrichtung Chemieinformatik. "Wir bilden Informatiker für Forschung und Entwicklung in der Chemie aus", sagt Matthias Rarey, Leiter des Zentrums für Bioinformatik in der Hansestadt. Forschung und Entwicklung in der Chemie bilden einen kleinen Arbeitsmarkt für Informatiker. Viel bedeutender ist der Prozessbereich, vor allem die Produktion, die stark automatisiert ist. Informatik dient dort dem Regeln, Messen und Steuern der Produktion. Nach Meinung des Professors brauchen diejenigen Informatiker ein tiefes Chemieverständnis, die forschen und entwickeln. Ansonsten sind Chemiekenntnisse nicht zwingend notwendig, um einen Job in der chemischen Industrie zu finden.

Beiersdorf Shared Services kümmert sich mit europaweit fast 360 Mitarbeitern um die Buchhaltung und Informationssysteme von firmeneigenen Gesellschaften in über 70 Ländern. In der Tochtergesellschaft arbeiten rund 40 Informatiker, vor allem in den Funktionen IT-Operations und Global Process and Application Solutions. Bei erstgenannter geht es zum Beispiel darum, für einen reibungslosen Betrieb der betreuten Anwendungen zu sorgen sowie internationale Kunden zu betreuen und zu beraten. Im Bereich Global Process & Application Solutions liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung und Einführung von Anwendungssystemen einschließlich dem damit verbundenen Projekt-Management. Das Unternehmen erwartet von Bewerbern IT-Wissen, Projekterfahrung mit Standard- und Individualsoftware, Kenntnis der bei Beiersdorf standardmäßig eingesetzten Software sowie Geschäfts-Know-how über den Fachbereich, der betreut wird. Das Einstiegsgehalt liegt bei rund 50.000 Euro.

Im ersten Jahr der Anstellung kann das Gehalt in der chemischen Industrie frei verhandelt werden. Im zweiten betragen die tariflichen Mindestbezüge für akademisch gebildete naturwissenschaftliche und technische Angestellte 53.720 Euro, mit Promotion liegt das Mindestgehalt bei 62.590 Euro, teilt der Bundesarbeitgeberverband Chemie mit Sitz in Wiesbaden mit.

Auch BASF hat eine IT-Tochter. Neben den Teams der BASF IT Services GmbH umfasst die weltweit rund 3000 Mitarbeiter starke Community, die sich innerhalb der BASF um Information Services kümmert, Experten für zentrale Governance und Informations-Management. Gemeinsam erarbeiten sie die langfristige Information-Services-Strategie, planen, steuern und betreiben alle IT-Systeme, Anwendungen und Dienstleistungen der BASF-Gruppe. Die Vielfalt der Arbeitsgebiete innerhalb dieser Community ist groß, sie reicht von Beratung über Softwareentwicklung bis hin zur Anwendungsbetreuung. IT-Lösungen unterstützen auch bei BASF immer stärker Prozessstandardisierungen und Automatisierung, zudem die Vernetzung der Mitarbeiter untereinander. "Um diesen vielfältigen Anforderungen künftig gerecht zu werden, haben wir das Angebot an Ausbildungsplätzen in den dualen Studiengängen für Wirtschaftsinformatik erhöht und stellen verstärkt gut ausgebildete Informatiker und Wirtschaftsinformatiker ein", kommentiert Michael Dilgert, Human Resources Manager bei BASF IT Services.

Christopher Zyzik entwickelt bei BASF als Teilprojektleiter neue Anwendungen.
Christopher Zyzik entwickelt bei BASF als Teilprojektleiter neue Anwendungen.
Foto: Christopher Zyzik, BASF

Christopher Zyzik hat bereits den Praxisteil seines Berufsakademie-Studiums in der BASF IT Services GmbH absolviert. Im Herbst 2008 hatte er sein Wirtschaftsinformatik-Diplom in der Tasche und wurde übernommen: "Seither arbeite ich im Application Consulting für spezielle Lösungen." Derzeit ist der 25-Jährige Teilprojektleiter in einem konzernweiten Projekt, in dem BASF-Mitarbeiter neue PCs erhalten.

Zyzik ist für die Entwicklung einer Anwendung zuständig, in der, ähnlich einem Webshop, Bestellungen für neue PCs eingegeben werden können. Ende 2011 soll der Rollout abgeschlossen sein. "Für diesen Job braucht man kein spezielles Branchen-Know-how - in anderen Fällen, etwa in der Betreuung von SAP-Modulen, die Branchenwissen voraussetzen, schon." Und die Zahl der Projekte nimmt stetig zu. Daher haben Bewerber mit Informatikabschluss und Branchen- beziehungsweise Wirtschaftskenntnissen gute Einstellungschancen beim Chemieriesen.