Universitäten mit der Digitalisierung überfordert?

Informatiker brauchen mehr Mut zum Risiko

17.08.2015
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Verändert sich mit Industrie 4.0 und Digitalisierung auch die Ausbildung von Informatikern? Das fragten wir die Professoren Manfred Broy von der Technischen Universität München und Christoph Meinel vom Hasso-Plattner-Institut in Potsdam.
  • Solide Grundlagen und Vorlesungen sind nach wie vor Eckpfeiler der universitären Ausbildung - man rennt nicht jedem Trend hinterher
  • Informatik schreitet wesentlich schneller voran als Natur- und Geisteswissenschaften

Heute besitzt und nutzt fast jeder Bundesbürger ein Mobiltelefon, Tablets begeistern schon Zweijährige und Smartphones scheinen mit den Handinnenflächen von Jugendlichen zu verwachsen. Ganz selbstverständlich nutzen Teenager soziale Netzwerke oder Apps und sind damit ihren Eltern, Lehrern und Chefs weit voraus. "Digitale Medien wie das Smartphone sind heute ganz selbstverständlich. Niemand von den Fachleuten hat das in dieser Form vorhergesagt", erklärt Manfred Broy, Professor für Software Engineering an der Technischen Universität München.

Neue Technologien erobern immer mehr Lebensbereiche. Fitness-Armbänder vermessen den Menschen, Roboter erobern die Werkshallen. Selbst IT-Profis müssen sich sputen, um keinen Trend zu verpassen. Wie muss sich deshalb die universitäre Ausbildung verändern? Kann die Lehre mit diesem Tempo Schritt halten?

Christoph Meinel, wissenschaftlicher Institutsdirektor und CEO des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) in Potsdam favorisiert eine fundierte Ausbildung. "Unabhängig von aktuellen Trends setzen wir auf solide Grundlagen, beispielsweise über Programmierung, Modellierung, Architekturen, Betriebssysteme oder Informationssysteme. Vorlesungen sind nach wie vor wichtig für die Wissensvermittlung." Jedem Trend renne die Hochschule aber nicht hinterher. "Wir bilden nicht für eine bestimmte Technologie aus, sondern vermitteln unseren Studenten Grundlagen für ihre hoffentlich erfolgreiche Berufstätigkeit. Ganz egal wo sie später arbeiten, müssen sie sich auch selbständig in neue Wissensgebiete einarbeiten können."

Christoph Meinel, HPI: "Die Studenten müssen sich später selbständig in neue Wissensgebiete einarbeiten können."
Christoph Meinel, HPI: "Die Studenten müssen sich später selbständig in neue Wissensgebiete einarbeiten können."
Foto: HPI

Echte Projekte statt Trockenübungen

Die HPI-Studenten vertiefen das Gelernte in einem einjährigen Bachelor-Projekt. Jeder der zehn Fachbereiche des HPI bietet Seminare an und die Studierenden wählen aus mehr als 20 Themen ein bis zwei Projekte pro Semester aus. Die konkreten Aufgaben steuern externe Partner aus ihrem Firmenalltag bei, für die die Studentengruppen eine Lösung finden sollen. "Echte Probleme spornen die Studenten an, denn sie bearbeiten reale Projekte", weiß Meinel. Als Team widmen sie sich über zwei Semester hinweg der Aufgabe. Sie lernen dabei mit Auftraggebern zusammenzuarbeiten, die meistens keine IT-Unternehmen sind und eine ganz andere Sprache sprechen.

"Mit ihnen können sie sich nicht in ihrem Fachjargon austauschen. Ein weiteres Ausbildungsangebot ist Design Thinking. Hier lernen sie, in interdisziplinär zusammengesetzten Teams mit Studenten aus anderen Fachgebieten ganz neue Ideen und Lösungsansätze zu entwickeln", erklärt Meinel den Ansatz. Ergänzt werden die Seminare um Kurse wie Körpersprache oder Rhetorik. Soft Skills erwerben die angehenden Informatiker also ganz nebenbei.