it-wissen für ingenieure

Informatik und Elektrotechnik Hand in Hand

20.10.1999
Mit neuen Studienangeboten und der Entrümpelung traditioneller Inhalte reagieren die Hochschulen auf die neuen Aufgaben für Elektroingenieure. Auf Skepsis stoßen indes Bindestrichprofile.

Informations-Systemtechnik

TU-Braunschweig

An der technischen Universität Braunschweig haben die Institute für Informatik und Elektrotechnik gemeinsam den interdisziplinären Studiengang "Informations-Systemtechnik" ins Leben gerufen. Er verbindet die Inhalte beider Fachbereiche, um Absolventen auf den Berufseinstieg in der sogenannten Systemindustrie vorzubereiten. Sowohl in der Konsumelektronik als auch in der Telekommunikation oder Fahrzeugtechnik werden hochspezialisierte Hard- und Softwaresysteme entworfen mit einer wachsenden Komplexität.

Das neue Berufsfeld verlangt Fertigkeiten aus beiden Fachbereichen. "Die Industrie klagt darüber, daß es schwierig ist, Elektrotechniker zu bekommen, die etwas von Software-Engineering verstehen", erläutert Professor Rolf Ernst, Leiter des Instituts für Datenverarbeitungsanlagen, der das Studienangebot mitkonzipiert hat. "Die Absolventen werden sehr gute Berufschancen haben," ist sich der Professor sicher.

Zu den Studieninhalten gehören unter anderem Schaltungstechnik, Rechnerarchitektur, Software-Engineering, multimediale Benutzeroberflächen, Nachrichtentechnik, Numerik und Statistik sowie Computergrafik. Zusätzlich stehen auch Soft-Skills auf dem Programm wie Teamarbeit, Literaturstudium und Präsenta-tionstechniken. In vier Hochschulpraktika lernen die Studierenden im Team, wie man integrierte Schaltungen und Systeme baut oder eine Software entwickelt. Während eines sechswöchigen Industriepraktikums lernen die Diplom-Ingenieure in spe ihr Wissen in die Praxis umzusetzen.

In Braunschweig arbeiten Informatik und Elektrotechnik bereits seit vielen Jahren in der Ausbildung zusammen. "Die Elektrotechnik ist viel stärker eine interdisziplinäre Wissenschaft geworden", erklärt Ernst den Wandel dieses Ingenieurberufs. Der Elektrotechniker ist eingespannt in fachübergreifende Gruppen, wenn es darum geht, ein elektronisch gesteuertes Bremssystem zu installieren oder ein Handy zu konzipieren. Häufig werden hier Hard- und Software gemeinsam entwickelt. "Dazu braucht man Ingenieure, die über sehr gute Softwarekenntnisse verfügen, und das ist ein zentrales Anliegen des neuen Studienganges", so Ernst. Der neunsemestrige Diplomstudiengang wurde auf Anfrage und in Absprache mit Vertretern aus der Telekommunikation und Autoindustrie konzipiert.

Das gesamte Studium der Elektrotechnik wollen die Braunschweiger jedoch nicht ändern. "Man kann nicht für ein neues Berufsbild einfach das alte über Bord werfen", meint Ernst. Zudem würde die klassische Elektrotechnik in Deutschland von der Industrie immer noch sehr stark nachgefragt.

Weitere Informationen im Internet: http://www.tu-bs.de/infosystech/

Pluspunkt Mathematik

Universität Erlangen-Nürnberg

Die ideale Doppelqualifikation liege in Elektrotechnik und Mathematik, meint Professor Johannes Huber, Vorsitzender der Studienkommission Elektrotechnik (ET) an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Nahezu alle führenden Köpfe, die die Grundlagen für das Informationszeitalter geschaffen hätten oder derzeit schaffen, würden diese besitzen. Als Beispiel nennt Huber Claude Shannon, Begründer der Informationstheorie als Wissenschaft.

Gerade im weiten Feld der Telekommunikation wachsen Informatik und Elektrotechnik immer mehr zusammen. Die Informatik habe dieses Gebiet von einer anderen Seite aus neu für sich entdeckt, nur leider dabei das umfangreiche Wissen der Nachrichtentechnik kaum zur Kenntnis genommen und häufig das "Rad neu erfunden", kritisiert der Professor für Nachrichtentechnik die fehlende Kooperation zwischen den Lehrstühlen.

In der Elektrotechnik gäbe es derzeit zwei Lager: zum einen die Vertreter der mehr energietechnisch und maschinenbaulich ausgestalteten Richtung, die das traditionelle Elektrotechnik-Studium erhalten wollen. Zum anderen die Vertreter der Informationstechnik, die eine weit stärkere mathematisch-theoretische Informationstheorie und Software-Orientierung anstrebten, erklärt der Vorsitzende der Studienkommission.

Dieser Konflikt führe an mehreren Orten bereits zur Spaltung der Elektrotechnik und der Einführung neuer Studiengänge. An der FAU gibt es die neuen Studiengänge Informationstechnik, Automatisierungstechnik, Mikroelektronik, Computational Engineering und Technomathematik. Eine wirtschaftswissenschaftliche Zusatzausbildung würde von den Unternehmen zwar oft verlangt. Aber Absolventen mit soliden mathematischen und systemtheoretischen Grundlagen könnten dies durch "learning by doing" schnell im Berufsleben erwerben, kontert der Professor die Forderung der Unternehmen nach stärker praxisorientierten Bindestrichqualifikationen.

Weitere Informationen sind im Internet unter http://www.uni-erlangen.de/ docs/FAUWWW/Fakultaeten/

TECHFAK/TECH1.html erhältlich.

Systems Engineering

Universität Karlsruhe

An der Fakultät für Elektrotechnik der Universität Karlsruhe wird die fachübergreifende Kompetenz in Elektrotechnik, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Informatik schon sehr lange gepflegt. Mit der Gründung des Instituts für Nachrichtenverarbeitung und Nachrichtenübertragung im Jahre 1958 unter Leitung von Professor Karl Steinbuch wurden von Anfang an die Informations- und Kommunikationstechniken zusammen betrachtet. Steinbuch war einer der Mitbegründer der Informatik in Deutschland.

Auch heute noch besteht eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen den beiden Fakultäten und es herrscht ein intensiver Technologietransfer von Forschungsergebnissen vor allem zwischen der Informationstechnik und kleinen und mittelständischen Unternehmen. 1993 hat die Fakultät für Elektrotechnik das neue Studienmodell "Systems Engineering" eingerichtet. Die Absolventen verfügen über fundierte Kenntnisse unter anderem auf den Gebieten integrierte Produktplanung, Projekt-Management, Systemmodellierung und -simulation, Hardware/Software-Entwurf, Rapid Prototyping für Hardware und Software, Mikroprozessoren, Mikrosystemtechnik, Echtzeitbetriebssysteme, Kommunikationsprotokolle sowie Systemintegra-tion. In dem achtsemestrigen Diplomstudiengang wird Teamstudienarbeit groß geschrieben. Zudem bietet die Fakultät für Elektrotechnik mit derzeit 185 verschiedenen Lehrveranstaltungen ein breites Lehrangebot im Hauptdiplom an.

Weitere Informationen gibt es im Internet unter

http://www-itiv.etec.uni-karlsruhe.de

Fernab von Traditionen

Fachhochschule Rhein-Sieg

"Die Situation einer neugegründeten Hochschule bot die Chance, unabhängig von Tradition und bestehenden Sachzwängen zu planen und sich somit vorrangig an den Anforderungen des Arbeitsmarktes orientieren zu können", erklärt Professorin Sabine Crusius, Gründungsdekanin des Fachbereichs Elektrotechnik, Maschinenbau und Technikjournalismus, warum an der Fachhochschule Rhein-Sieg in Sankt Augustin so manches anders läuft als an herkömmlichen Hochschulen.

Der Studiengang Elektrotechnik hat dort erstmals zum Wintersemester 1997/98 seinen Studienbetrieb aufgenommen. Die Studiengänge Elektrotechnik und Maschinenbau sind dort nicht nur in einem Fachbereich angesiedelt, sondern nutzen auch für ihre Lehrangebote gemeinsame Räume und Ressourcen.

Im Studiengang Elektrotechnik werden die Studienrichtungen Kommunikationstechnik und Automatisierungstechnik angeboten, im Maschinenbau die Mechatronik, die Elemente aus Maschinenbau, Elektrotechnik/Elektronik und der Informatik miteinander vereint. Die Fachhochschule legt aber auch Wert auf fächerübergreifende Qualifikationen. So muß neben Englisch mindestens noch eine weitere Fremdsprache gelernt werden. Betriebswirtschaft, Recht, Projekt-Management, Arbeiten im Team, Präsentations- und Moderationstechniken gehören zum Pflichtprogramm der angehenden Ingenieure.

Kritisch sieht die Professorin allerdings Studienangebote mit sogenannten "Bindestrich-Qualifikationen". Hier sollte in jedem Fall sichergestellt werden, daß die Hochschulen nicht einem relativ kurzfristigen Trend folgen.

Weitere Informationen gibt es im Internet unter http://www.fh-rhein-sieg.de.

Auf zu neuen Ufern

Universität Magdeburg

Die Magdeburger haben ihre Schwerpunkte in Lehre und Forschung deutlich in Richtung Informationstechnik verschoben und kurzum ihre Fakultät für Elektrotechnik in Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik umbenannt. In der Öffentlichkeit würden mit der Bezeichnung Elektrotechnik häufig nur die seit Jahren bestehenden klassischen Profile in Verbindung gebracht, erklärt Professor Frank Palis, Prodekan der Fakultät für Elektrotechnik. Innerhalb der Informationstechnik haben sich die Magdeburger in Forschung und Lehre unter anderem auf Mikroelektronik/Mikrosystemtechnik, Kommunikations- und Hochfrequenztechnik, Elektronik und Schaltungstechnik, Automatisierungstechnik und Robotik spezialisiert.

Mit der neuen Profilbildung sind auch die neuen Studiengänge Informations- und Mikrosystemtechnik, Mechatronik sowie Systemtechnik und Technische Kybernetik eingerichtet worden.

Weitere Informationen sind erhältlich über das Internet unter:

http://www.uni-magdeburg.de/fet/

Wider den Modetrend

Fachhochschule Hannover

"Eine Hochschule darf sich nicht jedem Modetrend anpassen", verlangt Professor Josef Wehberg, Dekan des Fachbereichs Elektrotechnik an der Fachhochschule Hannover. In der Stadt an der Leine wurden keine neuen Studiengänge konzipiert, sondern die Lehrinhalte geändert. Die Hochschulausbildung soll nach Meinung des Dekans den Absolventen eine gute Basis für das Berufsleben mitgeben und vor allem die Fähigkeit vermitteln, sich auf Veränderungen am Arbeitsmarkt selbst einstellen zu können. Die Elektrotechnik habe sich im Laufe der Zeit immer wieder mit neuen Technologien angefreundet. Daher seien für Elektroingenieure heute, wie auch schon in der Vergangenheit, Veränderungen in den Fachinhalten normal.

Das Arbeitsumfeld eines Ingenieurs sei nicht mehr geprägt von rein hierarchischen Strukturen, sondern einer horizontal fachdisziplinübergreifenden Organisationsform. Die Anforderung lautet: Elektroingenieure müssen mit Kollegen anderer Fachgebiete kommunizieren und zusammenarbeiten. Dadurch sei der Beruf des Ingenieurs noch interessanter geworden.

Als neues Studienfach wurde in Hannover 1998 der Studiengang Ingenieurinformatik eingeführt.

Weitere Informationen sind über das Internet unter http://www.fh-hannover.de/etech abrufbar.

*Veronika Renkes ist freie Journalistin in Bonn.