Hersteller von ETL-Werkzeugen auf neuen Wegen

Informatica hofft auf das Geschäft mit analytischen Anwendungen

24.03.2000
MÜNCHEN (CW) - Die Nachfrage bei Tools für die Extraktion, Transformation und das Laden (ETL) von Daten ist in den letzten Jahren gestiegen. Doch kaum ist ein Markt entstanden, grassiert das Übernahmefieber. Mit Ediz Ertekin, Vice President Europe des ETL-Herstellers Informatica, sprach CW-Redakteur Sascha Alexander über dessen Strategie angesichts der unruhigen Zeiten.

CW: Informatica war bis vor kurzem nur als Hersteller von Software zur Implementierung und Verwaltung von Data Warehouses bekannt. Dann kam zu Jahresbeginn die Übernahme des kalifornischen Anbieters analytischer Anwendungen Influence, der dieser Tage die Präsentation der entsprechenden Produktsuiten folgten (siehe Kasten). Was versprechen Sie sich von der neuen Strategie?

Ertekin: Bisher waren wir ein reiner Infrastrukturanbieter für Business Intelligence und damit wenig sichtbar für den Endanwender. Dies macht es IT- oder Projektleitern manchmal schwer, bei der Budgetierung und Präsentation vor der Geschäftsleitung den Nutzen unserer Technologie zu vermitteln. Zudem zeigt sich, dass manche Infrastruktur-Technologien mittlerweile für Unternehmen als Commodity betrachtet werden.

Dies trifft beispielsweise auf Datenbanken zu, aber in Zukunft wohl auch auf ETL-Produkte für die Datenintegration, wie sie Informatica, Ardent, Hummingbird und andere anbieten. Wir wollen uns deshalb mit den analytischen Anwendungen einen weiteren Markt erschließen, in dem wir sichtbarer sind. Vor allem aber können wir nicht nur die eigentlichen Produkte, sondern auch die notwendige Technik für die tiefere Integration der Lösungen in eine unternehmensweite Informations-Infrastruktur anbieten - etwas, was viele andere Hersteller bisher nicht können.

CW: Warum sollte ein Anwender, der bereits über Systeme für die Entscheidungsunterstützung (DSS) verfügt, sich zusätzlich solche analytischen Anwendungen, genauer: Data Marts, ins Haus holen?

Ertekin: Unternehmen müssen die komplexen Interaktionen mit Kunden, Partnern und Lieferanten schnell und laufend analysieren können. Die Entwicklung neuer Anwendungen in traditionelle DSS-Systeme dauert jedoch Monate. Analytische Anwendungen versprechen hingegen eine schnellere Implementierung innerhalb weniger Tage und Wochen. Sie verfügen über Templates, um eine Anpassung des Produktes und seiner Benutzeroberfläche an die Bedürfnisse des Kunden zu erleichtern. Es können aber auf Wunsch auch bereits vorhandene Frontends integriert werden.

CW: Wie lassen sich solche Data Marts in schon bestehende DSS-Systeme integrieren?

Ertekin: Mit derselben Infrastruktur-Technik wie jedes andere Data Mart.

CW: In der Praxis sollen derartige Data Marts vor allem Frontend-Systeme für die Verwaltung von Kundenbeziehungen (CRM=Customer-Relationship-Management) oder Web-Shops sowie im Backend etwa Software für das Lieferkettenverwaltung ergänzen. Derzeit sind jedoch CRM-Anwendungen hierzulande noch wenig verbreitet und fristen oft als Eigenentwicklungen ein Inseldasein. Gibt es denn wirklich schon einen Markt für analytische Anwendungen, wie Informatica sie vorgestellt hat?

Ertekin: Sie haben Recht, was die Akzeptanz von CRM-Anwendungen derzeit betrifft. Ich glaube aber, dass analytische Anwendungen sich viel schneller durchsetzen werden. In dem Maße, wie Unternehmen beginnen, ihre E-Business-Strategie umzusetzen, fallen automatisch täglich große Mengen an Geschäftsinformationen an. Diese müssen sie verwalten und auswerten, um die eigene Strategie schneller beurteilen und kontrollieren zu können.

CW: Wie groß schätzen Sie das Marktvolumen für analytische Anwendungen?

Ertekin: Im April will IDC eine Studie vorstellen, die erste Schätzungen über diesen Markt abgibt. Zur Orientierung: Das gesamte Business-to-Business-Geschäft beziffern Analysten auf 1,3 Billionen Dollar im Jahr 2003. Der Business-Intelligence-Markt soll bis Ende 2002 ein Volumen von 13 Milliarden Dollar haben, davon entfallen etwa 800 Millionen Dollar auf ETL-Tools.

CW: Analytische Anwendungen etwa zur Auswertung des Surfverhaltens von Kunden oder Web-Logs bekommen es mit großen Mengen unstrukturierter Daten zu tun. Wie sichern Sie die Datenqualität?

Ertekin: Die Bereinigung der Daten und die Qualitätssicherung werden schwieriger. Ebenso ist die Aufbereitung der extrahierten Daten für die Integration in das Data Mart ein kritischer Faktor, wofür Informatica jedoch seine bisherigen Produkte "Powermart" und "Powercenter" anbieten kann. Diese ermöglichen es den Anwendern, die speziellen Laderoutinen zu schreiben. Zugleich benötigen aber auch wir Partner wie etwa die Firma Axion Communications, die sich auf die Auswertung von Click-Strömen spezialisiert hat und demografische Daten liefert.

CW: Trotzdem ist die Analyse von unstrukturierten Daten wie etwa E-Mails auch mit den bisherigen analytischen Anwendungen kaum möglich.

Ertekin: Bisher gibt es lediglich erste Ansätze für die Auswertung von Web-Logs mit Hilfe spezieller Templates etwa für den Apache Server.

CW: Mit anderen Worten nutzen die Data Marts in erster Linie die Daten, die zum Beispiel in einer CRM-Datenbank schlummern.

Ertekin: Genau.

CW: Warum bieten eigentlich Hersteller wie Siebel oder Vantive keine eigenen analytischen Anwendungen an?

Ertekin: Mich überrascht das auch. Aber ich glaube, dass sich das bald ändern wird. Ich vermute jedoch, dass am Ende mehr taktisch geprägte Anwendungen herauskommen, die eng an die CRM-Lösung gebunden sind und nur bestimmte Quellsysteme wie SAP R/3 unterstützen. Dann wäre der Anwender gezwungen, mehrere Data Marts parallel aufzubauen sowie sich um die Datenintegration über mehrere Systeme hinweg zu kümmern. Auch Hersteller von Systemen für das Beschaffungswesen im Web (E-Procurement) könnten in Zukunft analytische Anwendungen präsentieren. Ariba und Broadvision wollen hierzu unsere Infrastrukturtechnik nutzen.

CW: Droht Informatica das gleiche Schicksal wie seinen ETL-Artgenossen, nämlich die Übernahme?

Ertekin: Wir werden das oft gefragt. Doch die Rechnung ist ganz einfach: Hast du Erfolg und gute Geschäftsergebnisse, besteht die Chance als unabhängiger Anbieter zu überleben, weil du für Interessenten zu teuer bist. Informaticas Börsennotierung liegt derzeit bei 2,8 Milliarden Dollar.

"Suiten"-"E-CRM": vordefinierte Metriken für die Auswertung von Vertriebs- und Marketing-Aktivitäten, Clickstream-Daten und Forecasting;

-"E-Procurement": Leistungsbeurteilung von Beschaffungssystemen und Lieferketten;

-"E-Business Operations": Auswertung von Back-Office-Anwendungen (Hauptbuch, Verbindlichkeiten, Rechnungsstellung und Geschäftspläne).