Infor bringt SOA in die ERP-Software

27.09.2007
Von 
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany
Der Anbieter stattet Produkte wie ERP LN und ERP COM mit Funktionen für Web-Schnittstellen, Stammdaten-Management, Reporting-Services und Web-Oberflächen aus.
Infor-ERP-Systeme erhalten eine rollenbasierende Benutzeroberfläche.
Infor-ERP-Systeme erhalten eine rollenbasierende Benutzeroberfläche.

Auf seiner Kundenkonferenz "Inforum" in Las Vegas legte Infor den Produktfahrplan für seine Software dar. Demnach erweitert das Unternehmen die einzelnen Systeme um spezifische Funktionen und entwickelt darüber hinaus Module, die sich gemeinsam mit allen Business-Lösungen verwenden lassen. Einbinden will Infor die Komponenten über Web-Schnittstellen.

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Gegenstand der Produktstrategie "Open SOA" ist es, die Softwarelösungen mit XML-Interfaces auszustatten, um eine Applikationsintegration zu ermöglichen. Erleichtert werden sollen applikationsübergreifende Geschäftsprozesse ferner durch standardisierte Geschäftsobjekte.

Der Softwareanbieter Infor Global Solutions hatte in den letzten Jahren viele Hersteller von Business-Software übernommen, darunter die deutschen Unternehmen Brain und Varial. Diese und die zahlreichen anderen Produkte laufen auf unterschiedlichen Hardware- und Betriebssystemplattformen, darunter Windows/.NET, Unix und i-Series, verwenden jeweils eigene Ablaufumgebungen sowie Datenmodelle und wurden in verschiedenen Programmiersprachen geschrieben. Mit Open SOA will der Hersteller die Grundlage schaffen, diese Systemgrenzen zu überwinden, damit beispielsweise ein ERP-System mit einer Warehouse-Software gekoppelt werden kann. Infor hofft, Bestandskunden weitere Produkte aus dem Portfolio verkaufen zu können (Cross-Selling), und zwar mit dem Versprechen, diese ohne große Schmerzen in die bestehende Systemlandschaft einfügen zu können. Bisher ist das noch nicht möglich.

Einheitliche Zugriffskontrolle

Zu den in Las Vegas präsentierten Entwicklungen zählt eine neue, auf Benutzerrollen basierende Zugriffskontrolle. Diese Entwicklung folgt dem Standard "Role-based Access Control" des Ansi (American National Standards Institute). Über die Zeit sollen die produktspezifischen Zugriffskontrollmechanismen in den Infor-Applikationen diesem neuen Modul weichen. Damit soll es Firmen, die verschiedene Infor-Produkte betreiben, leichter fallen, anwendungsübergreifende Benutzerzugriffe zu realisieren.

Stammdaten-Management

Neue Funktionen für ein Stammdaten-Management sollen Infor-Nutzer dabei unterstützen, Daten aus Geschäftsanwendungen aufzubereiten beziehungsweise deren Qualität zu verbessern. Nach Angaben von Bruce Gordon, Chief Technology Officer (CTO) von Infor, ist dies zum Beispiel nützlich für Lieferanten, die mit Kunden Bestellprozesse elektronisch abwickeln. In Frage käme das Feature auch für Handelshäuser mit verschiedenen Filialen. Zudem sollen die Stammdatenfunktionen die Systemintegration über Web-Services erleichtern. Infors Stammdaten-Verwaltung folgt Standards der Open Applications Group (OAGi). Bestandkunden sollen diese Funktionen kostenlos erhalten.

Benutzer und Rollen

Wie andere ERP-Anbieter will auch Infor die Benutzerschnittstelle modernisieren. Entwicklungsvorstand Gordon bezeichnet den Ansatz als "rollenbasierende Homepages". Über eine Web-Schnittstelle werden dem einzelnen Anwender Ansichten auf Geschäftsdaten, Kennzahlen sowie Alerts präsentiert. Über diese Darstellungen verzweigt er in die jeweiligen Bereiche des ERP-Systems, ohne jedoch die Web-Oberfläche zu verlassen. Ein Einkaufs-Manager sieht in seiner Ansicht beispielsweise freizugebende Bestellaufträge und kann sich über einen Mausklick die Auftragsdetails abrufen, die Bestellposten prüfen sowie den Auftrag freigeben. Insgesamt 138 Benutzerrollen wurden definiert.

Erweiterungen auch für Baan IV

Grundlage der neuen Oberfläche sind die "Infor Reporting Services", eine Komponente, die für die unterschiedlichen Software-lösungen angepasst werden soll. Für ERP LN sollen die Reporting-Dienste und damit das neue Web-Interface im Mai 2008 verfügbar sein, jedoch zunächst nur für 40 der 138 Rollen. Wie Infor auf der Kundenkonferenz verkündete, sollen auch Nutzer der Vorgängerprodukte Baan IV und Baan V diese Neuerungen nutzen können. Sie erhalten sie über Service-Packs, mit deren Auslieferung der Hersteller Ende dieses Jahres beginnen will. Der Termin für das an Infor ERP COM angepasste Modul steht noch nicht genau fest, vor Ende 2008 ist Gordon zufolge jedoch nicht damit zu rechnen.

Offensichtlich will Infor die Baan-Anwender gnädig stimmen. Unter ihnen bilden die Nutzer von Baan IV die Mehrzahl. Viele dieser Kunden sträuben sich, ein neues Release einzuführen. "Anwender haben ihre Baan-IV-Systeme meist stark angepasst, was eine Migration nicht gerade leicht macht", so Helmuth Gümbel, ERP-Kenner und Analyst bei Strategy Partners. Darüber hinaus handelt es sich bei ERP LN um ein völlig anders Softwaresystem, so dass ein Umstieg so aufwän-dig ist wie die Migration auf ein Fremdprodukt.

Multi-Book Accounting

Um Anwendern die internationale Rechnungslegung zu erleichtern, entwickelt der ERP-Anbieter ein "Multi-Book Accounting". Mit diesem Zusatzsystem lassen sich Geschäftsabschlüsse nach unterschiedlichen Rechnungslegungsrichtlinien erzeugen. Die Funktion ist für Firmen wichtig, die in unterschiedlichen Ländern ERP-Lösungen von Infor betreiben.

Auch diese Rechnungslegungserweiterung sollen Bestandskunden kostenfrei erhalten. Experten wie Christian Hestermann, Research Director ERP bei Gartner, bezweifeln jedoch, ob es Infor gelingen kann, Innovationen in die unterschiedlichen Produkte zu tragen, sie dem Kunden kostenlos auszuhändigen, gleichzeitig aber Profit zu machen.