Rolle Microsofts bleibt undurchschaubar

Industrie streitet um Web-Services

25.04.2003
MÜNCHEN (CW) - Eigeninteressen der Hersteller und konkurrierende Vorschläge bringen die Entwicklung wichtiger Spezifikationen für Web-Services immer mehr ins Stocken. IBM, Microsoft, SAP einerseits sowie Sun Microsystems oder Oracle andererseits instrumentalisieren Standardisierungsgremien wie das W3C und Oasis für ihre Zwecke.

Die bisher von Herstellern zur Schau getragene Harmonie und Einigkeit bei der Standardisierung von Web-Services verliert zusehends an Glaubwürdigkeit. Seit Monaten geht die Sorge um, dass Unternehmen wie IBM und Microsoft darauf hinarbeiten, technische Details durch Urheberrechte oder gar Patente in Besitz zu nehmen sowie eigene Spezifikationen in den Markt zu drücken. Dies würde letztlich die Entwicklung offener Standards verhindern.

Ein Beispiel ist das Ringen um eine gemeinsame Sprache, mit der sich Geschäftsprozesse auf der Basis verteilter Web-Services beschreiben und von entsprechenden Programmen abarbeiten lassen. Da sie die Basis für den Aufbau von geschäftlichen Web-Services-Architekturen bildet, ist das Interesse an ihrer Ausgestaltung unter Herstellern von Infrastruktursoftware besonders groß.

Als Vorschläge stehen die Business Process Execution Language for Web Services (BPEL4WS) sowie das Web Services Choreography Interface (WSCI) zur Debatte. Da aber eine Einigung auf einen Standard bisher nicht in Sicht ist, müssen derzeit viele Hersteller parallel an zwei Spezifikationen arbeiten. Unterdessen haben die Befürworter von WSCI wie Sun Microsystems, Oracle oder die SAP ihre Vorschläge bereits im Januar beim World Wide Web Consortium (W3C) zur Standardisierung eingereicht, während die Entwicklung von BPEL4WS bisher in den Händen seiner Erfinder IBM und Microsoft sowie von Unterstützern wie Bea Systems lag. Dies soll sich nun ändern, indem diese Unternehmen sowie rund 16 weitere Hersteller, darunter Siebel, Hewlett-Packard und die SAP, BPEL4WS der Organization for the Advancement of Structured Information Standards (Oasis) übergeben wollen.

Wer sagt die Wahrheit?

Kritiker sehen sich indes mit der Entscheidung gegen das W3C darin bestätigt, dass vor allem IBM und Microsoft immer noch eine Kommerzialisierung ihrer Vorschläge anstreben. So behaupten Oracle und Sun, dass die Konkurrenz nicht mit der beim W3C zuständigen Web Services Choreography Group zusammenarbeiten wolle, da diese ausschließlich kostenlos nutzbare Techniken für Standardempfehlungen berücksichtigt. Microsoft und andere kontern, dass man sich für Oasis nur aufgrund guter Erfahrungen in der Vergangenheit entschieden habe.

Von Patentgebühren war in diesem Zusammenhang nichts zu hören. IBM und Bea hatten sogar öffentlich erklärt, keine Lizenzgebühren für ihre Vorschläge erheben zu wollen. Zugleich wollen aber beide Hersteller offenbar eine Standardisierung nicht abwarten, sondern BPEL4WS noch in diesem Jahr in den Prozesskomponenten der neuesten Versionen ihrer Java-Applikations-Server "Websphere" beziehungsweise "Weblogic" unterstützen. Microsoft hält sich hingegen bis heute bedeckt. Ein Beitritt zum WSCI-Lager, den das Unternehmen nach wenigen Tagen rückgängig machte, sorgte zudem für Irritationen unter anderen Mitgliedern über die tatsächlichen Pläne der Redmonder. (as)