Hohe Peripheriekosten und Produktionsumstellung:

Industrie-Roboter erst zögernd eingeführt

23.01.1981

MÜNCHEN - Nur zögernd werden in der Bundesrepublik Industrieroboter eingeführt. Der Weg zu einer Gesellschaft, in der die Maschinen die notwendige Arbeit tun, der Mensch, wie Erich Kästner es im "35. Mai" beschreibt, nur einmal im Monat die Maschinerie beaufsichtigt und sich den Rest der Zeit bei vollem Lohnausgleich um seinen Gemüsegarten kümmert, ist noch weit.

Verhalten geben die Automobil-Hersteller Auskunft über den Einsatz von Industrierobotern in ihren Fertigungsstraßen. Nach einer vom VDI vorgeschlagenen Definition handelt es sich dabei um Maschinen, deren Bewegungsfolge und Wege nicht starr vorgegeben, sondern umprogrammierbar sind. Wie numerisch gesteuerte Werkzeugmaschinen führen sie körperliche Arbeiten aus, im Gegensatz zu Computern, die lediglich gedankliche Arbeit leisten. Die Bewegungen laufen über mehrere Achsen. Gegebenenfalls sind die Geräte zum "Sehen" mit Sensoren ausgestattet. Zangen oder Greifer ermöglichen das Handling.

Die Bayerischen Motorenwerke München haben in ihrem Münchener Werk eigenen Angaben zufolge noch keine vorzeigbaren Industrieroboter eingesetzt. Allerdings, so war von der Kuka in Augsburg, einem der bekanntesten bundesdeutschen Hersteller von Industrierobotern zu erfahren, orderte BMW dort im Oktober vergangenen Jahres 125 Maschinen. Verkauft habe das Unternehmen, das bis zum Herbst letzten Jahres zur Quandt-Gruppe gehörte, bisher 140 seiner großen Industrieroboter. Hauptabnehmer sei als klassisches Einsatzfeld die Automobil- und deren Zulieferindustrie.

Daimler-Benz hat in der Bundesrepublik eigenen Angaben zufolge zur Zeit 70 Industrieroboter zur Pkw-Produktion im Einsatz. 31 davon werden zum Punktschweißen verwendet, 14 übernehmen Aufgaben in der Lackierung, vier Roboter befinden sich im Versuchsstadium. Zur Motorenfertigung in Untertürkheim stehen sie in der Presserei, in der Schmiede, der Lackiererei und beim MAG-Schweißen. In Sindelfingen übernehmen sie nach Angaben eines Unternehmenssprechers Punktschweiß- und Lackieraufgaben. Angefangen mit dem Einsatz von Industrierobotern hat Daimler-Benz 1974. "Ob es sich lohnt, voll auf die Fertigung mit Hilfe von Robotern umzusteigen, ist nicht eine Frage der Fortschrittlichkeit", meinte der Firmensprecher. Entscheidend seien vielmehr Losgröße und Struktur der Fertigung. Bei den 430 000 Pkw, die Daimler-Benz pro Jahr fertige, stellten sich die Probleme anders dar als bei VW, deren Serien viel größer ausfielen.

Die Zurückhaltung der Automobil-Hersteller bei der Demonstration ihres Robotereinsatzes ist nicht ganz verständlich. Die IG Metall, die als Widersacher bei roboterorientierten Investitionsprojekten auftreten konnte, hat keine grundlegenden Einwände. Die Gewerkschaft findet es eigenen Angaben zufolge "prima, wenn dreckige, ermüdende Arbeiten wie das Überkopfschweißen in der Automobilindustrie einem Roboter statt einem Menschen" auferlegt werden. Ihrer Ansicht nach könnten die Unternehmen auf diesem Gebiet viel mehr tun.

Einwände tauchen nach Auskunft des Gewerkschaftssprechers nur dann auf, wenn als Hauptziel der Rationalisierung nicht die Humanisierung der Arbeitswelt, sondern der Ersatz der lebendigen Arbeitskraft durch eine tote Maschine im Vordergrund steht. DGB-Vorsitzender H.-O. Vetter rechnet jedoch damit, daß sich die Beschäftigungsprobleme auch durch den Einsatz von Industrierobotern verschärfen.

Riesenmarkt prophezeit

An dem Riesenmarkt für Industrieroboter, den beispielweise der in Wien erscheinende Pressedienst vorhersagt scheinen bislang noch Zweifel angebracht. 15 000 Industrieroboter sollen derzeit weltweit im Einsatz sein, davon mindestens die Hälfte in Japan. Bis 1985 werde sich der Jahresumsatz japanischer Roboter-Produzenten fast vervierfachen. Er erreiche dann rund 2,4 Milliarden Mark. Den japanischen Entwicklungs- und Erfahrungsvorsprung nutzen in der Bundesrepublik ansässige Hersteller von Industrierobotern über Kooperationsvereinbarungen. Siemens beispielsweise vertreibt die komplette Entwicklungspalette der japanischen Fujitsu-Fanuk. Doch ist der Absatz dieser Handling-Roboter, die zum Beschicken von Werkzeugmaschinen eingesetzt werden, elektronisch gesteuert und elektrisch angetrieben werden, nach Angaben eines Unternehmenssprechers "nicht der Rede wert" .

Auch der Vetrieb von Steuersystemen für Industrieroboter, bei Siemens "Sinumeric" -Varianten genannt erreiche kein nennenswertes Volumen. "Die sozialen Verhaltnisse hier in der Bundesrepublik", so begründet der Sprecher aus dem Siemens-Energiebereich das nur rudimentäre Interesse an den Maschinen auf dem bundesdeutschen Markt, "lassen dem Einsatz nicht mit derselben Akzeptanz begegnen, wie des in Japan der Fall ist." Lediglich in Arbeitsgebieten, die durch starken Lärm und andere Umweltbelastungen gekennzeichnet sind, sieht er eine höhere Einsatzbereitschaft.

Auch die Kuka erweitert ihr Produktspektrum seit 1973 durch den Vertrieb japanischer Geräte der Fujikoshi-Tochter Nachi. Die Roboter werden vor allem zum Lichtbogenschweißen und für Lackierarbeiten eingesetzt. Bei schneller Bewegung können die hydraulisch angetriebenen Maschinen mit 20 bis 25 Kilogramm belastet werden.

Die IWKA-Tochter entwickelte 1974 selbst einen Prototyp vom "Famulus", wie der zum Punktschweißen und schweren Handling konzipierte Roboter damals hieß. 1977 ging er in Serie, 1980 entstand ein "Totalroboter" neuer Generation mit größerer Belastbarkeit. Beide Gerate sind sechsachsig.

Bei voller Geschwindigkeit ist der "Diener" mit 60 Kilogramm belastbar. Er arbeitet auf plus/minus einen Millimeter genau. Die Zange, mit der er für die Schweißarbeiten ausgestattet ist, erreicht eine Schweißkraft zwischen 150 bis 300 Kilogramm. Beide Apparate sind über numerische Kontrollverfahren gesteuert. Das Programm wird nach Angaben eines Unternehmenssprechers über das sogenannte Teach-in-Verfahren eingegeben. Mit dem Handgerät geht der Programmierer an des Werkstück heran und stellt für alle Achsen die Koordinatenpunkte durch Knopfdruck auf Plus- und Minustasten ein.

Der Roboter selbst wird in Serie gefertigt. Seine Zange oder der Greifer ist der jeweiligen Aufgabe beim Anwender angepaßt. Pro Stück kostet er zwischen 250 000 und 300 000 Mark, teilt ein Sprecher der Industriewerke Karlsruhe Augsburg KG, zu dem neben Kuka noch die Aro in Neuß und die Roth Electric, Gauting, gehören, mit. Da der Roboter nicht mit sensorischen Elementen ausgestattet ist, wird eine umfangreiche Peripherie notwendig, damit die Werkstücke in der richtigen Lage vor der Maschine auftauchen. Möglicherweise kommt diese Anlage teuerer als der Roboter selbst, gibt der Unternehmenssprecher zu bedenken.

Dieser Ansicht stimmt auch Hans-Ulrich Frith, Mitinhaber der Produtec GmbH, Stuttgart, zu. Bis zur Hannover-Messe beabsichtigt er seinen Kompaktroboter für die Montage bis zur Serienreife entwickelt zu haben. Der sechsachsige Apparat mit Fahrwegen zwischen 300 und 500 Millimetern, Höhenwegen bis 200 Millimetern, einem Schwingbereich von 360 Grad und einem ebensolchen Handdrehbereich ist für das Handling von Gehäusen zwischen 100 Gramm und fünf Kilogramm vorgesehen. Einsatzgebiete sollen die Elektroindustrie, der Maschinen- und Apparatebau und die Uhrenindustrie sein. Die Positioniergenauigkeit liegt zwischen 0,2 und 0,5 Millimetern. Der Antrieb erfolge voll elektrisch, programmiert werde er über eine Schrittfolgesteuerung, Teach-in-Steuerung sei vorgesehen. Mit dieser Programmierform denkt Fritz an einen Preis zwischen 50 000 und 60 000 Mark.

Obwohl dieser Roboter für die einfache und preisgünstige Anwendung konstruiert wurde, sieht auch Fritz die Zeit für eine Massenanwendung noch nicht für gekommen. Erst nach eignes zwei Jahren verlieren seiner Ansicht nach die Anwender ihre Scheu vor den Geräten. Die Produktionsumstellung bringe noch beachtliche Probleme mit sich. Heute seien die Sensoren noch viel zu kompliziert, um einen Roboter damit auszustatten. In zehn Jahren könnte es soweit sein.