Bislang ist in der Diskussion um Industrie 4.0 von Application-Management (AM) selten die Rede. Doch dabei wird es nicht bleiben. Seit gut einem Jahr ist Industrie 4.0 ein Thema. Dabei geht es vornehmlich um die Frage, wie Unternehmen Cyber-Physical Systems (CPS) bei sich etablieren können. Auch wenn sich dazu erst langsam ein klares Bild abzeichnet, steht eines schon jetzt fest: Der Grad der Vernetzung in den Unternehmen wird erheblich zunehmen, wenn sie den Anforderungen einer hochflexiblen, dynamischen und zukunftsorientierten Produktionslandschaft gerecht werden wollen - und zwar über alle Standorte hinweg.
- Industrie 4.0 - wenn Daten und Sicherheit fehlen
Zunehmend komplexe Verbünde aus IT-Systemen und Maschinen kommen ohne Application-Management-Teams nicht aus. Diese müssen ihr Wissen ständig erweitern. - Fit-Gap-Analyse zum Know-how-Bedarf:
Welches Wissen ist wann und wo erforderlich? Was können wir bereits abdecken und was noch nicht? - Entwurf eines Curriculums und Aufbau eines Fortbildungsprogramms:
Inwieweit können die vorhandenen Mitarbeiter die bestehenden Lücken durch Fortbildung schließen? - Definition des Recruiting-Bedarfs und Roadmap für entsprechende Maßnahmen:
Für welche Themen müssen wir neue Mitarbeiter einstellen? In welchen Studiengängen finden wir sie, und wie sprechen wir sie an? - Etablierung von Kooperations- und Collaboration-Verfahren zwischen AM-Team und Fachbereichen:
Beispielsweise Instandhaltungsexperten, die sich mit den IT-Systemen vertraut machen: Wer aus den Fachbereichen unterstützt bei Bedarf auf welche Weise das zentrale Application-Management? - Aufbau von "agilen" AM-Teams in den einzelnen Fachbereichen - beispielsweise Instandhaltungsexperten, die sich mit den IT-Systemen vertraut machen:
Wer in den Fachbereichen kommt infrage? Welches Wissen sollte er sich aneignen
Kommunikationslücken
Absehbar ist damit auch eine Verschiebung der Aufgaben- beziehungsweise Kompetenzbereiche der verschiedenen Anbieter von Produktions- und IT-Komponenten: Maschinen- und Anlagenhersteller sind bereits dabei, Software-Integrationslösungen zur Verfügung zu stellen, die weit über die heute üblichen SPS-Schnittstellen hinausgehen und die Anbindung an die IT-Systeme erleichtern. Softwarehäuser wie SAP wiederum kümmern sich vermehrt darum, die Kommunikationslücken zwischen den einzelnen Komponenten zu schließen und Maschinen direkt anzusprechen - beispielsweise unmittelbar aus einer ERP-Anwendung heraus. Aus dieser Verschmelzung von Maschinen- und IT-Welt ergeben sich zwei Konsequenzen: Das Gesamtsystem wird komplexer und dezentraler.
Keiner fragt nach der Sicherheit
Angesichts dieses Szenarios ist es erstaunlich, dass bislang kaum darüber gesprochen wird, wie sich die Cyber-Physical Systems in Zukunft sicher und verlässlich betreiben lassen sollen. Ein Application-Management, wie es heute in den Unternehmen Standard ist, wird nicht genügen. Derzeit kann bei einer Störung schnell die Quelle ausgemacht werden: Führt eine Maschine den angestoßenen Auftrag nicht aus, liegt das entweder am Manufacturing Execution System (MES) oder an der SPS-Steuerung. In einer Smart Factory könnte es aber beispielsweise auch damit zusammenhängen, dass zusätzlich benötigte und online von der Maschine, der Steuerung oder dem MES direkt angefragte Daten aus dem ERP-System fehlen - etwa zur Qualitätssicherung. Möglich wäre auch, dass das Qualitätssicherungssystem Informationen nicht korrekt übermittelt hat oder eine andere Maschine die Ausführung blockiert. Die Zahl der möglichen Ursachen vervielfacht sich also.
Will das Application-Management mit solchen Situationen fertig werden, muss es sämtliche Industrie-4.0-Komponenten im Griff haben. Dazu braucht es neben dem Wissen zu allen üblichen IT-Lösungen - von der Auftrags- und Materialplanung im ERP-System über die Fertigungssteuerung via MES bis hin zur Auswertung mit einer BI-Anwendung - erweiterte Kenntnisse: etwa zur Maschinenintegration und zur Anbindung der Lagerverwaltungssysteme, zu sämtlichen internen Prozessen und zu möglichen Einflüssen von Auswärtsbearbeitungen. Und: Dem Application-Management muss klar sein, nach welcher Logik die einzelnen Komponenten zusammenspielen, welche Schnittstellen bestehen und wie sie arbeiten.
Anpassungen Schritt für Schritt
Reagieren muss das ApplicationManagement zudem auf die Dezentralisierung von Prozessen: Ist die Maschine in Werk A ausgelastet, übernimmt die Maschine in Werk B und erhält dafür Materialien aus Lager C. Da solche Szenarien noch selten sind, müssen die Application-Management-Teams an den einzelnen Standorten bislang nicht besonders eng zusammenarbeiten. Im Zuge der Vernetzung der Produktion wird sich das ändern. Den dezentralen Prozessen sollte dann eine zentrale Application-Management-Abteilung gegenüberstehen, die den Überblick behält und die an den verschiedenen Standorten angesiedelten Teams koordiniert.
Natürlich können Unternehmen nicht von heute auf morgen ihr gesamtes Application-Management nach den Anforderungen der Industrie 4.0 ausrichten. Und das müssen sie auch nicht.