Eine Sprache für Maschinen

Industrie 4.0 braucht Standards

23.10.2014
Die Bundesregierung hat die Digitalisierung der Industrie zum Technologieziel ausgerufen. Doch bislang hapert es an Grundlegendem. Die Maschinen sind zwar mit Computern bedienbar - sie sprechen aber keine gemeinsame Sprache.

Das Prinzip ist so einfach wie bestechend: Maschinen, die sich selbst melden, wenn Probleme auftreten. In der digitalisierten Industrie soll das an der Tagesordnung sein. Manchmal funktioniert es schon jetzt. Der Laser-Spezialist Trumpf zum Beispiel hat seine Laser an Blechschneidemaschinen mit Messsystemen ausgestattet. Sie prüfen etwa den Verschmutzungsgrad der Linse, die für die Ausrichtung des Laserstrahls zuständig ist, und informieren den Maschinenbediener, wann er sie reinigen oder tauschen muss, erklärt Klaus Bauer, Experte für Informations- und Kommunikationstechnik in Produktionssystemen beim Maschinenbauer Trumpf.

Henning Kagermann, Präsident der Acatech
Henning Kagermann, Präsident der Acatech
Foto: acatech / David Ausserhofer

Was beim Laserspezialisten Trumpf (PDF-Link) in Ditzingen passiert, fällt unter das Schlagwort Industrie 4.0. Dabei gibt es bei dem Industrietrend zwei Richtungen. Zum einen soll die Effizienz innerhalb der Fertigung gesteigert werden - zum Beispiel durch automatische Wartung - zum anderen sollen ganze Wertschöpfungsketten vernetzt werden. Teile von Zulieferern können auf Chips beispielsweise Informationen darüber mitliefern, wie sie von Maschinen bearbeitet werden sollen. Zukunftsmusik? Selbst kleinere Firmen wie der Antriebsspezialist Wittenstein setzen solche Technologien schon in ihrer Produktion ein.

"Wir sind ganz früh gestartet", sagte Henning Kagermann, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech), am Donnerstag bei einer SAP-Veranstaltung in Fellbach. "Jetzt ist es an der Zeit Fahrt aufzunehmen."

40 Milliarden Euro, schätzen Reinhard Geissbauer von der Wirtschaftsberatung PricewaterhouseCoopers und sein Kollege Volkmar Koch von der Beratung Strategy& in einer Studie, werden Industrieunternehmen in den kommenden Jahren jährlich in Industrie 4.0 investieren. Aktuell liege der Digitalisierungsgrad bei 20 Prozent - in fünf Jahren könnten es 80 Prozent sein.

Doch damit die Kommunikation auch über verschiedene Branchen wie Maschinenbau, Elektrotechnik oder Automobilindustrie funktioniert, müssen die Maschinen eine gemeinsame Sprache sprechen. "Im Moment haben wir so etwas wie Babylon", sagt Gunther Koschnick, Geschäftsführer beim Fachverband Automation im Elektronikverband ZVEI. "Wir müssen uns auf eine Sprache einigen und einen Wortschatz festlegen."

"Wir brauchen einheitliche Zugriffsverfahren auf Informationen", erklärt Wolfgang Dorst vom IT-Branchenverband Bitkom, der die für Standards zuständige Arbeitsgruppe beim Lenkungskreis Industrie 4.0 leitet. Dafür brauche es eine einheitliche Semantik für die Datenkommunikation - eine gemeinsame Sprache. "Beides gibt es bereits", so Dorst. "Aber wir müssen uns auf einen Standard einigen."

Größere Firmen oder ganze Verbände beginnen bereits eigene Regeln aufzustellen. Trumpf habe inzwischen einen Standard für Teleservice gesetzt, sagt Bauer. IT-Anbieter bauen Brücken mit Hilfe von Übersetzungen zwischen den Maschinen, erklärt Koschnick. "Das ist aber keine dauerhafte Lösung für die Automatisierung."

Auch Peter Post, Forschungschef beim Automatisierungsspezialisten Festo, warnt: "Wir brauchen offene Schnittstellen, die herstellerunabhängig allgemein verfügbare Standards bereitstellen." Und selbst SAP-Technikvorstand Bernd Leukert ist sich sicher: "Kein Unternehmen wird es schaffen, Industrie 4.0 alleine auf die Reise zu bringen."

Die Zeit drängt, sagt Bitkom-Experte Dorst. Eine Empfehlung für Standards müsse es spätestens 2015 geben. Denn: "Solange es keine Standards gibt, investieren die Unternehmen nicht." (dpa/tc)