Premierminister beleidigt

Indische Regierung probt die Zensur

06.12.2011
Ein indisches Ministerium fordert Internet-Provider auf, bestimmte Inhalte zu löschen. Damit verstößt es gegen Gesetze und schadet der eigenen IT-Industrie.

Die indische Regierung hat einige Internet-Provider, darunter Yahoo, Facebook, Google und Microsoft, aufgefordert, verunglimpfende, diffamierende oder abfällige Inhalte zu entfernen, möglichst schon bevor sie Online gehen. Manager von zwei betroffenen Firmen haben die Anfrage des Ministerium für Kommunikation bestätigt, wollten sich aber namentlich nicht zu erkennen geben. Die Behörde äußerte sich nicht zu dem Pressebericht.

Die erst im Lauf dieses Jahres vereinbarten Regeln im Rahmen des indischen "Information Technology Act" besagen indes, dass Content-Vermittler wie etwa Service-Provider gesetzeswidrige oder anstößige Inhalte innerhalb von 36 Stunden beseitigen müssen, nachdem sie entdeckt wurden. Zudem sind diese Intermediäre dazu verpflichtet, ihren Kunden in ihren Nutzungsrichtlinien zu verbieten, anrüchige Inhalte zu posten. Eine Regelung, wonach die Provider gefährliche, illegale und beleidigende Inhalte schon vor Erscheinen herausfiltern müssen, gibt es nicht, sagte Pavan Duggal, am indischen Supreme Court zugelassener Anwalt für Internet-Recht.

Stein des Anstoßes waren wohl abfällige Inhalte über Premierminister Manmohan Singh und die Präsidentin der derzeit regierenden indischen Kongresspartei Sonia Ghandi. Doch jenseits der technischen Komplexität, im Internet kursierende Inhalte zuverlässig abzuwürgen, begibt sich das Ministerium in eine rechtliche Grauzone, weil nicht klar ist, welche Inhalte gefiltert oder zugelassen werden sollen. Im indischen Recht, betont Duggal, gebe es keine Bestimmungen, wonach abfällige und diffamierende Äußerungen speziell gegen die politische Elite ausgesondert werden müssen. "Wir haben uns erkundigt, welche Inhalte wir aussortieren sollten, doch die Behörden waren überfordert", schilderte ein Manager eines Internet-Providers die Situation.

Die Posse fügt sich in eine Reihe von Auseinandersetzungen der Regierung mit Technologiefirmen ein. Zuletzt gab es Zwist zwischen Blackberry-Hersteller Research In Motion (RIM) und der Regierung, die zur Terrorismusbekämpfung einen weiter reichenden Zugang der Vollzugsbehörden zu den E-Mails und Messaging-Dienste der Smartphone-Nutzer einforderte. Bislang konnte sich RIM erfolgreich mit dem Hinweis widersetzen, nur die Kunden könnten über die Content-Schlüssel verfügen.

Wenig hilfreich ist das Gebaren der Regierung auch für die indische IT-Industrie, die überwiegend für ausländische Kunden tätig ist. Für die IT-Dienstleister ist es enorm wichtig, den Anwendern eine rechtlich zuverlässige Arbeitsumgebung gewährleisten zu können. Nur unter diesen Voraussetzungen sind die Kunden bereit, IT-Aufgaben an Dittanbieter auszulagern. (jha)