Startups

Indien sieht sich als das Silicon Valley der Zukunft

24.02.2016
In den Cafés in Bangalore gibt es ein beherrschendes Thema: Startups. Die IT-Metropole im Süden Indiens ist längst nicht mehr nur als die Outsourcing-Zentrale der Welt. Kreative Köpfe gründen dort eine Firma nach der nächsten.

Lange Zeit wurde überall die Geschichte der wundersamen Computer-Inder erzählt. Dabei ging es um eine Schar gut ausgebildeter IT-Spezialisten, die für wenig Geld in ihren Bürozellen wie am Fließband High-Tech-Dienstleistungen für Firmen aus aller Welt erbringen. Doch in den vergangenen Jahren haben viele dieser Software-Spezialisten ihre eigenen Unternehmen gegründet. Indien erlebt einen unglaublichen Startup-Boom. 4200 junge Technologiefirmen sprossen aus dem Boden, damit liegt Indien nach den USA und Großbritannien nun an dritter Stelle.

Indien erlebt einen Startup-Boom.
Indien erlebt einen Startup-Boom.
Foto: Spectrum Studio - shutterstock.com

Eine dieser Erfolgsgeschichten ist Urban Ladder, ein 2012 gegründetes Unternehmen, das eigene Marken-Möbel online verkauft. Im Büro stehen die hauseigenen Kreationen: Hängesessel, moderne Schaukelstühle, an Ikea erinnernde Regale, kunterbunte Lampenschirme. Die 1500 Mitarbeiter, darunter 300 an der Firmenzentrale in Bangalore, können während der Arbeitszeit Tischtennis und Billiard spielen, sich bei den kostenlosen Snacks bedienen oder ein Schläfchen in separaten Schlafräumen halten. Ganz wie bei den großen Vorbildern im Silicon Valley.

Große Unternehmenscampusse

Die Leitung der IT-Abteilung von Urban Ladder ist weiblich, mit 38 Jahren weit über dem Altersdurchschnitt ihres Teams - und erst vor Kurzem aus den USA zurückgekehrt. "Als ich Bangalore im Jahr 2000 verließ, gab es nur ein paar Dienstleister hier. Nun haben Google und LinkedIn riesige Campusse hier aufgebaut", sagt Sonia Parandekar. Lange war sie bei Microsoft beschäftigt, dann bei Groupon. Nun aber ist sie wieder in ihrer Heimat. "Es gibt so viele Möglichkeiten für uns hier!", sagt sie.

Im vergangenen Jahr wurden Schätzungen zufolge rund neun Milliarden US-Dollar (8,2 Milliarden Euro) in indische Startups investiert. Im Jahr zuvor waren es nur 2,2 Milliarden Dollar. Denn das aufstrebende Schwellenland mit einer Milliardenbevölkerung hat, was als das neue Gold gilt: viele kluge Köpfe. Wenn Investoren ihr Geld ausstreuen, ist die Chance hoch, dass auf dem fruchtbaren Boden irgenwo etwas aufblüht. "Es fließt so viel Geld. Alle sind total aufgeregt", sagt Parandekar.

Urban Ladder sammelte bislang 77 Millionen Dollar ein. Im vergangenen Jahr, gibt Mitgründer Ashish Goel zu, habe schon Geld bekommen, wer nur den Arm hob. In diesem Jahr werde es sicherlich schwieriger. Doch für die Zukunft ist er zuversichtlich: "Es wird sicherlich Magisches hier passieren." Die Stadt vibriere, überall in den Cafés diskutierten die Menschen darüber, an welcher App oder Webpage sie gerade basteln. Zur ersten Ausgabe derStartup-Konferenz "Surge" kamen am Dienstag und Mittwoch gleich mehr als 5000 Menschen aus aller Welt.

"Die neue Werkbank der Welt"

Der Erfolg der Startups hat auch die indische Regierung auf den Plan gerufen. Premierminister Narendra Modi, der seit Mai 2014 im Amt ist, wollte eigentlich viel produzierendes Gewerbe in sein Land locken - nach China sollte Indien nun die neue Werkbank der Welt werden. Doch die "Make in India"-Kampagne läuft nicht so recht. Im Januar verkündete er deswegen die"Start up India"-Mission. Hunderte Millionen Euro will die Regierung investieren.

Startup-Veteranen wie Anil Srivatsa sehen die Einmischung der Regierung jdeoch skeptisch. Denn bisher galt: Der IT-Sektor oder auch das Call-Center-Business laufen in Indien so gut, weil Neu Delhi verpasst hat, für diese Sektoren Regeln und Gesetze zu schaffen. "Ich versuche Geschäfte dort zu machen, wo ich die Regierung nicht brauche", sagt Srivatsa. Er gründete acht Firmen, darunter Radiowalla, eine Online-Musik-Plattform, mit der er rund 7000 Cafés, Restaurants und Läden mit Hintergrundmusik beschallt.

Neulich, erzählt Srivatsa, sei die Steuerbehörde gekommen. "Sie wollen Einkommenssteuer kassieren für das Investorengeld, das Radiowalla bekommen hat. Völlig verrückt!" Das Klima sei nicht wirklich Unternehmer-freundlich, beklagt er. Er selbst lebte lange Zeit in den USA, doch kam er zurück, um mitzuhelfen, sein Land aufzubauen. "Wenn die Regierung das Internet reguliert, gehe ich wieder", sagt er. (dpa, Doreen Fiedler/sh)