Indien - ein Kapitalismusmärchen

17.05.2006
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.
Eine Kurzreise nach Indien ist lehrreich. Nur wer die ungeheueren Gegensätze zwischen Arm und Reich hautnah erlebt, weiß, welche Potenziale dieses Land gerade deshalb bietet.

Wer Indien als Offshoring-Chance für sein Unternehmen begreift, dürfte sich an die unvergesslichen Worte des Mafiosi-Paten Vito Corleone erinnert fühlen: Dieses Land macht jedem Manager, der Geschäfte mit indischen ITK-Firmen machen will, ein Angebot, das er nicht ablehnen kann.

Keine Steuern, nirgends

In Indien sind die Gegensätze zwischen Arm und Reich besonders krass: Neben den Glitzerpalästen der IT-Unternehmen (oben das neue Google-Gebäude in Hyderabad) existieren die Zeltlager der Bauarbeiter.
In Indien sind die Gegensätze zwischen Arm und Reich besonders krass: Neben den Glitzerpalästen der IT-Unternehmen (oben das neue Google-Gebäude in Hyderabad) existieren die Zeltlager der Bauarbeiter.

Warum das funktioniert, ist leicht erklärt. Man muss nur der für die ITK-Belange im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh zuständigen Ministerin Ratna Prabha zuhören. Eher beiläufig reiht sie die Argumente auf, die für ein Engagement im siebtgrößten von insgesamt 28 Bundesstaaten Indiens sprechen. Unternehmen - auch ausländische - aus der ITK-Branche müssen dort bis 2015 keine Steuern auf Gewinne zahlen. In Andhra Pradesh sind auch keine Einfuhrzölle zu berappen, etwa für aus dem Ausland nach Indien importierte Computerausstattung. Firmen bekommen zu all dem in den ersten drei Jahren auch noch 25 Prozent ihrer Stromrechnungen rückerstattet, wirbt die Ministerin weiter. Böse Zungen könnten jetzt lästern, dass dieses Entgegenkommen bei den ständigen Stromausfällen auch nur gerechtfertigt ist - und in der Tat verging während des Aufenthalts in Hyderabad kein Tag, an dem nicht wenigstens zweimal die Lichter ausgingen.

Doch solcherlei Malaisen sind Peanuts in einem Land, das seit einigen Jahren insbesondere durch die ITK-Branche einen beispiellosen Boom erlebt. Nicht nur, dass sich alle indischen Hightech-Firmen gegen Widrigkeiten der örtlichen Stromversorgung mit fetten Notstromaggregaten absichern.